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The Ontario Institute

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Toronto, Canada

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DIE GRÜNDUNG

DER

UNIVERSITÄT FRANKFURT A. M.

VON

DR. LUDWIG HEILBRUNN

FRANKFURT A. M. JOSEPH BAER &

1915

1

Vorrede

Die Gründung der Universität Frankfurt bietet nach mehr als einer Seite Interesse. LokalgeschichtHcli zeigt sie, wie die wirtschafthchen Kräfte, die die Stadt vordem als Mittelpunkt des deutschen Finanz- und Geldmarktes sich erwarb, ihr im Stadium der Umbildung zur Industriestadt ermöglichen, eine neue Bedeutung in der Reihe der deutschen Großstädte zu gewinnen. In der Geschichte des gelehrten Unterrichts Deutschlands eröffnet sie ein neues Kapitel, das erstmals eine Stadtgemeinde als Gründerin einer Uni- versität aufweist. Für das Staats-, und Verwaltungsrecht ist die Lösung des Problems von Bedeutung, die Staats- universität durch Kommune und private Korporationen zur Entstehung gelangen zu lassen. Kommunalpolitiker werden nicht ohne Interesse den Entwicklungsgang der An- stalten für Krankenpflege, Hygiene, wissenschaftlichen Unter- richt und Forschung verfolgen, die alle aus einzelnen kommunalen Bedürfnissen heraus entstanden, in ihrer Weiter- bildung, sich gegenseitig fördernd, schließlich in der Staats- universität sich vereinigen, ohne ihre städtische Zweck- bestimmung und Aufgabe zu verlieren. Und endlich wirft die kurze Darstellung ein Schlaglicht auf den politischen Kampf der Parteien in Staat und Stadt. Wer in diesen Kämpfen gestanden hat, darf nicht den Anspruch erheben, ohne Haß und ohne Liebe bei der Schilderung der Ereignisse den Griffel geführt zu haben. Erst die spätere Entwicklung kann zeigen, ob die gefundene Lösung die richtige war. Der gute Glaube soll sicherlich denen nicht abgestritten werden, die für stärkere Unabhängigkeit und freieres Selbstbestim-

miingsrecht gekämpft haben. Aber wie bei jeder politischen Aufgabe galt es auch hier, das Erreichbare und Mögliche durchzusetzen. Jede künftige Kritik muß als Maßstab für ihr Urteil nehmen, was bei den herrschenden pohtischen Machtfaktoren als erreichbar und mögUch anzusehen war. Bei der Darstellung der früheren Hochschulbestre- bungen, die nur insoweit Berücksichtigung fanden, als sie mit der Universitätsgründung in unmittelbarem Zusammen- hang stehen, konnte die letzte erweiterte Arbeit von Prof. Dr. Jung ,, Frankfurter Hochschulpläne 1384 1868" leider nicht mehr verwertet werden.

Frankfurt a. M., Juni 1915.

Der Verfasser.

Inhaltsverzeichnis

Seite Die Ausgangspunkte. Die Dr. Senckenbergische Stiftung ... i Die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft und der Phy- sikalische Verein 12

Adickes. Die ersten Anfänge eines Universitätsplanes 14

Die Akademie für Sozial- und Handelwissenschaften 19

Die Carl-Christian- Jügel-Stiftung 13

Die Verlegung der Senckenbergischen Stifthäuser und die Errichtung

des Jügelhauses 43

Die Speyer'schen Stiftungen 51

Die Ausgestaltung der naturwissenschaftlichen Institute .... 54

Die medizinischen Institute 57

Die Bibliotheken 72

Die Vorlage über Begründung einer Stiftungsuniversität .... 75

Die Verhandlungen mit der Staatsregierung 123

Erneute Verhandlungen im Preußischen Landtage 152

Die Beratung der Magistratsvorlage vom 29. März 19 12 in der Stadt- verordnetenversammlung 161

Stellung der politischen Parteien und der Öffentlichkeit . . . . 171

Die Verabschiedung der Vorlage in der Stadtverordnetenversammlung 176

Die finanzielle Ausstattung der Universität 183

Nachprüfung der Stiftungsmittel durch die Staatsorgane . . . . 189

Die Vollendung der äußeren Einrichtung 205

Die staatliche Genehmigung 208

Die Eröffnung der Universität 229

Die Gründung der Universität Franl(furt a. IUI.

Die Ausgangspunkte. Die Dr. Senckenbergische

Stiftung

Mitten in den Stürmen des Krieges ist die Universität Frankfurt ins Leben getreten. Aber nicht etwa wie die Universität Berlin vor hundert Jahren, ist sie aus dem AugenbHcke heraus durch Staatsakt geboren. Sie ist nicht von Gedanken geschaffen worden,- die in der Not der Zeiten ihren Ursprung nahmen. Sie hat sich in langer Friedens- arbeit entwickelt, indem alte Institute und Stiftungen neu ausgebaut und gefördert, neue Bildungs- und Forschungs- anstalten schon mit dem Gedanken der späteren, höheren Zweckbestimmung gegründet, Verbindungen zwischen ihnen geschaffen wurden, bis der unermüdlichen Arbeit eines überlegenen Geistes allen Schwierigkeiten zum Trotz gelang, sie alle in der Einheit der Staatsuniversität zusammen- zufassen.

Wenn die Universität mit fünf Fakultäten, einer juristischen, einer medizinischen, einer philosophischen, einer naturwissenschaftlichen und einer wirtschafts-sozialwissen- schaf fliehen Fakultät eröffnet wurde, so bildet die Kern- zelle für die Entwicklung fast einer jeden eine vorhandene wissenschaftliche Organisation, wenn auch die Grenzlinien ' keine ganz festen waren, und die alten Institute ihre Auf- gaben nicht fakultätsmäßig umzirkt hatten. So findet sich der Ursprung der Entwicklung für die naturwissenschaft-

Die Gründung der Universität fVankfurt a. M. 1

liehe Fakultät vorzüglich in der Senckenbergischen Stiftung und den Instituten des Physikalischen Vereins, für die phi- losophische und juristische Fakultät in der Jügelschen Stiftung, für die wirtschafts- und sozialpoh tische Fakultät in der Stiftung der Akademie für Handels- und soziale Wissenschaften, für die medizinische Fakultät in den städti- schen Krankenanstalten, medizinischen Instituten und den Speyerschen Stiftungen.

Die älteste und für die Entwicklung des Frankfurter wissenschaftlichen Lebens bedeutendste Stiftung ist die von Johann Christian Senckenberg. ,, Einer bedeutenden Fa- milie — erzählt Goethe in , Dichtung und Wahrheit' muß ich gedenken, von der ich seit meiner frühesten Jugend viel Sonderbares vernahm und von einigen ihrer Glieder selbst noch manches Wunderbare erlebte ; es war die Sencken- bergische. Der Vater, von dem ich wenig zu sagen weiß, war ein wohlhabender Mann. Er hatte drei Söhne, die sich in ihrer Jugend schon durchgängig als Sonderlinge aus- zeichneten. Dergleichen wird in einer beschränkten Stadt, wo sich niemand weder im Guten noch im Bösen hervortun soll, nicht zum besten aufgenommen. Spottnamen und seltsame, sich lang im Gedächtnis erhaltende Märchen sind meistens die Frucht einer solchen Sonderbarkeit. Der Vater wohnte an der Ecke der Hasengasse, die von dem Zeichen des Hauses, das einen, wenn nicht gar drei Hasen vorstellt, den Namen führte. Man nannte daher diese drei Brüder nur die drei Hasen, welchen Spitznamen sie lange Zeit nicht los wurden. Allein wie große Vorzüge sich oft in der Jugend durch etwas Wunderliches und Unschick- liches ankündigen, so geschah es auch hier. Der älteste war der nachher so rühmlich bekannte Reichshofrat von Senckenberg. Der zweite w-ard in den Magistrat auf- genommen und zeigte vorzügliche Talente, die er aber auf eine rabulistische, ja verruchte \\'eise, wo nicht zum Schaden seiner Vaterstadt, doch wenigstens seiner Kollegen in der Folge mißbrauchte. Der dritte Bruder, ein Arzt und ein Mann von großer Rechtschaffenheit, der aber wenig und nur

in vornehmen Häusern praktizierte, behielt bis in sein höch- stes Alter immer ein etwas wunderliches Äußere. Er war immer sehr nett gekleidet, und man sah ihn nie anders auf der Straße als in Schuhen und Strümpfen und einer wohlgepuderten Lockenperücke, den Hut unterm Arm. Er ging schnell, doch mit einem seltsamen Schwanken vor sich hin, so daß er bald auf dieser, bald auf jener Seite der Straße sich befand und im Gehen« ein Zickzack bildete. Spottvögel sagten: er suche durch diesen abweichenden Schritt den abgeschiedenen Seelen aus dem Wege zu gehen, die ihn in gerader Linie wohl verfolgen möchten und ahme diejenigen nach, die sich vor einem Krokodil fürchten. Doch aller dieser Scherz und manche lustige Nachrede verwandelte sich zuletzt in Ehrfurcht gegen ihn, als er seine ansehnliche Wohnung mit Hof, Garten und allem Zu- behör auf der Eschenheimer Gasse zu einer medizinischen Stiftung widmete, wo neben der Anlage eines bloß für Frank- furter Bürger bestimmten Hospitals ein chemisches Labo- ratorium, eine ansehnliche Bibliothek und eine Wohnung für den Direktor eingerichtet ward, auf eine Weise, deren keine Akademie sich hätte schämen dürfen."

Der von Goethe so charakterisierte Johann Christian Senckenberg war am 28. Februar 1707 geboren^). Seine Jugend im Vaterhause, das ewiger. Streit der Eltern erfüllte, war wenig glücklich. Nach privaten medizinischen Studien bezog er bereits 23 Jahre alt die Universität Halle. 1732 kehrte er nach Frankfurt zurück, wo er, ohne eine ärztliche Prü- fung bestanden zu haben, zur Praxis zugelassen wurde. Erst im 30. Lebensjahr errang er die Göttinger Doktor- würde. 1755 wurde er Stadt-Physikus, 1757 Leibarzt des Landgrafen von Hessen-Cassel. Von Bedeutung für die Entwicklung seines inneren Lebens war die Bekanntschaft, die er zu Ende seiner Studienzeit mit Johann Conrad Dippel, einer für die Geistesrichtung der ersten Hälfte des 18. Jahr- hunderts merkwürdigen Persönlichkeit, machte. Dippel war

1) G. L. Kriegk, Die Brüder Senkenberg, 1869, S. 213 ff.

von dem Pietismus Speners ausgegangen, bezeichnete sich selbst als Pietisten, war aber zu einem gewissen Rationalis- mus fortgeschritten, der ihn, mit religiösen Empfindungen erfüllt, zu einer Verneinung der äußeren Formen und Dogmen der Kirche führte. Doch ist, wie Hettner ^) betont, das Wesenthche seiner Geistesrichtung nicht ein Befreiungs- kampf zu freiem Denken, sondern ein mystisches Empfin- dungsleben, das Gefühl* besonderer Erleuchtung und Begna- digung. Dieser Geist der Sektirerei und des Mystizismus erfüllte auch das Seelenleben Senckenbergs, das ähnliche Züge aufweist wie das der Freundin Goethes, des Fräulein von Klettenberg, in ihren Bekenntnissen einer schönen Seele. Aber wenn nach Hettner im Wilhelm Meister die krankhafte Empfindelei dieser Bekenntnisse gerade als Gegensatz zum Ideal gesunder Werktätigkeit vom Dichter eingeführt wird, so kann von Senckenberg gesagt werden, daß er trotz Mystizismus und Empfindelei zu einem Leben gemeinnütziger Arbeit und Humanität sich aufschwang.

Nachdem er in drei Ehen verheiratet gewesen, ohne daß ihm aus einer der Ehen ein Kind verblieben war, faßte er nach dem Tod der dritten Frau, von der er zuletzt ge- trennt gelebt hatte, den Gedanken, sein Vermögen zum Besten der Allgemeinheit zu widmen. In einer Zeit, in der das medizinische Studium an den Universitäten tief darnieder- lag ^), führte er 1763 den schon lange erwogenen Plan aus, durch eine Stiftung dem Medizinalwesen der Stadt zum Aufschwung zu verhelfen. Nach dem Stiftungsbrief vom 18. August 1763, ergänzt durch eine Zusatzakte vom 16. De- zember 1765, verfolgte er in erster Linie die Absicht, eine Art medizinischer Akademie zu gründen; lediglich den dritten Teil der Einkünfte bestimmte er zur Verteilung an arme Kranke. Erst im zweiten Stiftungsbrief ordnete er an, daß dieses Drittel zu einem Spital für arme Bür-

1) Geschichte der Deutschen Literatur im iS. Jahrhundert i. Buch S. 69.

*) Paulscn, Die deutschen Universitäten S. 46.

ger und Beisassen verwendet werden sollte. Neben dem Spital umfaßte die Stiftung an wissenschaftlichen Instituten -— die mannigfaltigen Interessen Senckenbergs wider- spiegelnd — ein anatomisches Theater, ein chemisches Laboratorium, einen botanischen Garten, ein Naturalien- kabinett und eine Bibliothek. Die Stiftungsgebäude wurden auf dem von Senckenberg 1766 für fl. 23 000 erworbenen Grundstück hinter der Schlimmauer errichtet, zu dem 1797 noch eine weitere Grundfläche für fl. 36 000 hinzugekauft wurde. Als Stiftungskapital übergab Senckenberg nach dem Stiftungsbrief dem Rat fl. 95 000 in der Form eines ständigen Anlehens zu 4 Proz. Zinsen. Dieses Kapital belief sich beim Tode Senckenbergs, der am 15. November 1772 bei Besichtigung des Rohbaues des Krankenhauses tödlich verunglückte, auf fl. 134500^). Dazu trat der Wert des Platzes der fast vollendeten Gebäude sowie das Wohnhaus des Stifters an der Hasengasse. Für die wissenschaft- lichen Zwecke fielen der Stiftung zunächst nur wenige weitere Vermächtnisse und Geschenke zu"; um so reicher waren die Zuwendungen an das Spital, die sich in den ersten fünfzig Jahren auf etwa fl. 450 000 beliefen, darunter fl. 83 600 des 1782 verstorbenen Bankiers Simon Moritz Bethmann, fl. 53000 Legat der 1794 verstorbenen Frau Anna Elisabetha Klotz, fl. 85 000 Legat des 1797 verstorbenen Kaufmanns Peter Meermann, fl. 100 000 Legat des 1812 verstorbenen Buchhändlers Johann Carl Brönner.

Die Eröffnung des Anatomischen Theaters fand zu Ende 1776 statt. Der erste Dozent für Anatomie war Dr. Friedr. Sigismund Müller, ihm folgten 1786 Dr. Riese, 1793 Dr. Bernhard Jakob Behrends. Einen botanischen Lehr- stuhl gründete der Stiftsarzt Dr. Lehr, der in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts Vorlesungen hielt. Die Re- volutionskriege, vor allem die Besetzung der Stadt durch die Franzosen, brachten die Weiterentwicklung zum Still-

^) Meidinger, Frankfurts gemeinnützige Anstalten. S. 36. Kirchner, Ansichten von Frankfurt a. M. II. S. 59 ff.

stand. An der Aufbringung der Kriegskontributionen mußte sich die Stiftung mit über fl. 35 000 beteiligen. Erst unter der Regierung DaÜDergs schien wieder eine bedeutende Wen- dung im Sinne der Bestrebungen Senckenbergs einzutreten als im Jahre 1812 die ,, Großherzogliche Medizinische-Chirur- gische Schule in Frankfurt" ins Leben gerufen wurde. Schwe- mer charakterisiert in seiner „Geschichte der Freien Stadt Frankfurt" Dalberg ^) als einen Regenten, dem bei Schwäche des Willens und Charakters ungewöhnliche Feinheit des Empfindens und freudige Begeisterung für alle hohen Ziele der Menschheit eigneten. Daraus folgte sein Streben, Künste und Wissenschaften zu pflegen und neue Stätten der Bil- dung und Erziehung zu schaffen. Die Verordnung vom 25. Januar 1812 bestimmt in §4: ,,Die Hauptstadt Frankfurt, in Beziehung auf höhere Ausbildung der Arzneiwissenschaft, besitzt große Beförderungsmittel durch ihre milden Stiftun- gen, Krankenhäuser, Waisenhäuser, botanischen Garten und anatomische Einrichtung der berühmten Senckenbergischen Stiftung. Es ist ohne Zweifel zweckmäßig, das Großherzog- tum Frankfurt in Beziehung auf wissenschaftliche Vered- lung als ein Ganzes zu betrachten und dasjenige zu be- nutzen (jedoch nach dem Sinne ihrer ursprünglichen Stif- ter), was in jedem Departement wirklich besteht." Zwar erhob sich lebhafter Widerspruch gegen die Umgestaltung der Stiftungseinrichtungen in eine medizinische Fakultät. So erklärte sich vor allem ein Gutachten des Departements- rates gegen das französische System der Spezialschule und meinte, daß die Handelsstadt Frankfurt ungeeignet für eine Universität sei. Trotzdem trat am 9. November 1812 die medizinische Fachschule in Wirksamkeit. Sie führte den amtlichen Namen ,, Medizinisch-chirurgische Spezial- schule", wurde auch als ,, Medizinische Fakultät" der Landes- universität bezeichnet, deren übrige Unterrichtsanstalten auf Wetzlar, Aschaffenburg und Fulda verteilt waren ^) . Zu-

1) Bd. II. S. 204.

*) R. Jung, Eine Frankfurter Hochschule vor Hundert Jahren. Frankf. Zeitung v. 17. Juli 191 3 No. 196 I. Morgenblatt.

nächst wurden als Dozenten der Gynäkologe Karl Wenzel, der das Direktorium übernahm, und der Patholog Anton Creve beide Professoren der früheren Mainzer Universität, berufen ^lit der Administration der Senckenbergischen Stiftung kam ein Vertrag zustande, nach dem der Spezial- schule der botanische Garten, das anatomische Theater und Hörsäle im Stiftungshause überlassen wurden. Die An- stellung des Lehrpersonals sollte ausschließlich Sache des Staates sem. Das Bürgerspital blieb aus der Vereinbarung ausgeschlossen. Sieben weitere Professoren aus der Frank- furter Ärzteschaft, der Anatom Behrends, der Pharma- zeut Kestner Lotte Buffs Sohn, der Gerichtsmediziner Vaxrentrapp, der Pathologe und Physiker Neeff , der Anatom Lucae der Botaniker Scherbius und der Pathologe Wagner wurden berufen, außerdem als Dozent der Ophthalmologe Bayerhoffer zugelassen. Als Dotation gab der Staat eine feste iährliche Rente von 12000 Gulden, auch erbaute ex das chemische Laboratorium. Die Zahl der Hörer hob sich nicht über 60. Schwierigkeiten bereitete die Beschaffung einer Klinik, da Bürgerspital - wie Heiliggeisthospital sich weigerten, ihre Anstalten zur Verfügung zu stellen Die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1813 brachten bereits eine iahe Unterbrechung der begonnenen wissenschaftlichen Tätigkeit, und durch Verordnung vom 30. Januar 1813 hob das von den Verbündeten eingesetzte General-Gouverne- ment die Anstalt völhg auf. Der Grund hierfür lag vomehm- hch auf finanziellem Gebiet. Vergebens bemühte sich der Direktor für die Wiedereröffnung. Er erreichte zwar, daß Freiherr vom Stein als Chef der Zentralverwaltung sich m einem Erlaß an das General-Gouvernement für die Erhal- tung der Schule aussprach. Dies begnügte sich indes da- mit den Senat aufzufordern, in Erwägungen darüber ein- zut;eten, in welcher Art die Anstalt weitergeführt werden könnet). Am 31. März 1814 überwies der Senat diese Aut- forderung an seine Deputation zum Bericht. Freiherr vom

1) R. Jung, Frankfurter Hochschul-Pläne S. 36 «•

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Stein war nicht der einzige unter den führenden Geistern Deutschlands, der sich um die Hebung und Erneuerung der wissenschafthchen Bestrebungen in Frankfurt mühte. Die Herbsttage des Jahres 1814 sahen Goethe nach langen Jahren zum erstenmal wieder in Frankfurt. Mit Interesse ging er jeder Spur geistigen und künstlerischen Lebens in der Vaterstadt nach. In dem Bericht, den er über seine Reise unter dem Titel ,, Kunstschätze am Rhein, Main und Neckar" veröffentlichte, nehmen die Erörterungen über die Senckenberg- Stiftung einen breiten Raum ein. Goethe, der sich in der zweiten Hälfte seines Lebens mehr und mehr vom Politischen abwandte und in der Förderung der Ge- samtkultur von Wissenschaft und Kunst seine erste Auf- gabe erblickte, sah hier die Möglichkeiten größerer und höherer Entwicklung gegeben. Er stellt ein Programm auf, dessen Verwirklichung ein Jahrhundert erforderte und das wir gerade darum in seiner Ausführlichkeit wiedergeben dürfen. Nachdem er von den Anfängen der Einrichtungen zur Förderung der schönen Künste gesprochen, fährt er fort: ,, . . so gelangen wir endhch zu einer Anstalt, die auf das sicherste gegründet ist, und bei welcher eben jetzt eine erneute Tätigkeit hervortritt, um bisherige Stockungen aufzulösen und zufällige Hindernisse zu beseitigen. Es ist hier von der Stiftung die Rede, welche Dr. Senckenberg, gesegneten Andenkens, ausübender Arzt und kenntnisreicher Mann, seiner Vaterstadt hinterlassen. ' Sie theilt sich in zwei Einrichtungen, die eine zu praktischem, die andere zu theoretischem Zweck. Die erste, ein Bürgerhospital, ist auf ein palastähnliches, von dem Stifter neu errichtetes Gebäude gegründet, sowie durch ansehnliche Kapitalien ge- sichert. Hierher flössen von der ersten Zeit an große Schenkungen und Vermächtnisse, woraus ein bedeutendes Vermögen entstand, welches durch Überschuß der Kasse sich jährlich mehrt. Hier bleibt also nichts zu wünschen übrig.

,, Desto mehr Aufmerksamkeit und guten Willen haben wir dagegen auf die zweite Abteilung zu wenden, welche,

in theoretisch-wissenschaftlicher Absicht angelegt, nicht in gleichem Maße begünstigt ist."

Nach einer Beschreibung der bestehenden Einrichtun- gen, der Bibhothek, des mineralogischen Kabinetts, des botanischen Gartens, des chemischen Laboratoriums und der Anatomie fährt Goethe fort: ,,Nach dieser kurzen Erwäh- nung der einzelnen Theile, woraus das Ganze besteht, ist es Pflicht die Zustände nochmals vorzunehmen, dabei auch Wünsche und Hoffnungen auszusprechen und zu bezeich- nen. Hier ist nun wohl vor allen Dingen die Absicht des Stifters zu bedenken, der als wissenschaftlicher, kenntnis- reicher Mann, sein Hospital nicht besser zu versorgen glaubte, als wenn er ihm eine Studien- und Lehranstalt an die .Seite setzte. Er gedachte den Ärzten seiner Vaterstadt einen Mittelpunkt wissenschafthcher Mitteilung zu verschaffen; er lud einige nebst andern Bürgern zu Pflegern, rief sie sämt- lich zu monatlichen Zusammenkünften in sein Lokal und ermunterte sie, Vorlesungen in mehreren Fächern zu halten.

,,Sein früher unglücklicher Tod unterbrach eine von ihm selbst ausgehende Einleitung; und doch konnte sich dies Institut einer thätigen und wahrhaft blühenden Periode rühmen, zu der Zeit, als der verdiente Reichard, Verfasser der Frankfurter Flora, Stiftsarzt war. Indessen nahmen die zu dieser Abteilung bestimmten Kapitalien nicht zu, aus dem Grunde, weil man in einer Handelsstadt dem Prakti- schen geneigter als dem Wissenschafthchen ist und sich über- haupt mehr gedrängt fühlt einem gegenwärtigen Übel abzu- helfen, als einem künftigen vorzubeugen. Diesem nach wurde die Krankenanstalt mit Schenkungen und Vermächtnissen allein bedacht und das Wissenschaftliche vorbeigegangen.

,, Dieses versank immer mehr in Staub und Verborgen- heit und erkrankte an äußeren und inneren Übeln. Eine medizinische Schule, welche das Studium aufs neue beleben sollte, entstand und verging. Die Kriegslasten wurden und werden mitgetragen, sowie manches andere Unheil, das sich auflud; genug das Institut ist gegenwärtig so arm, daß es nicht das geringste Bedürfnis aus eignen Mitteln bestreiten

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kann." Es folgen dann eingehende Vorschläge zur Ent- wicklung des botanischen Gartens, des chemischen und physikalischen Unterrichts, um in der eindringlichen Mah- nung zu gipfeln: ,, Allein alles was wir gesagt, würde ganz vergeblich gewesen sein, wenn wir uns nicht erkühnten auszusprechen, daß ein so wohl durchdachtes, dem Stifter wie der Stadt Ehre bringendes wissenschaftliches Institut nicht gedeihen, noch auch mit aller Bemühung der Ange- stellten nur im mindesten nützen könne, wenn seine Ein- künfte nicht verbessert werden. Auch hiervon liegt die Möglichkeit nahe genug, und wir tragen kein Bedenken, sowohl die bürgerlichen als ärztlichen Herrn Vorsteher auf- zufor-dern, in Überlegung zu nehmen, inwiefern von dem Überfluß, dessen das Hospital genießt, ein Theil zur wissen- schaftlichen Anstalt herübergewendet werden könne, und jene trefflichen Männer dringend zu ersuchen, daß sie hier- über, wenn sie bejahend einig geworden, um die höchste obrigkeitliche Billigung baldigst nachsuchen mögen. Die einer solchen Wendung entgegenstehenden Schwierig- keiten sind nicht unbekannt; es läßt sich ihnen aber mit Einem Wort begegnen, daß einer freien Stadt ein freier Sinn gezieme, und daß man bei einem erneuten Dasein, um die Spuren ungeheurer Übel auszulöschen, sich vor allen Dingen von veralteten Vorurteilen zu befreien habe. Es geziemt Frankfurt, von allen Seiten zu glänzen und nach allen Seiten hin tätig zu sein. Freilich gehört theoretische Betrach- tung, wissenschaftliche Bildung den Universitäten vorzüg- lich an; aber nicht ausschließlich gehört sie ihnen. Ein- sicht ist überall willkommen. Man erkundige sich, welchen Einfluß die Universitäten in Berlin, Breslau, Leipzig auf das praktische Leben der Bürger haben; man sehe, wie in London und Paris, den bewegtesten und tätigsten Orten, der Chemiker und Physiker gerade sein wahres Element fin- det; und Frankfurt hat gar wohl das Recht, nach seinem Zustand, seiner Lage, seinen Kräften, für so löbliche Zwecke mitzueifern."

Der Standpunkt Goethes drang bei den regierenden

II

Kreisen und der Bürgerschaft nicht durch. Die Zeit war nicht reif für seine Gedanken. Ihr Geist spricht vor allem aus der Antwort des Senats an das General- Gouvernement wegen Erneuerung der medizinischen Anstalt. Ihr wird sogar ein unmittelbar nachteiliger Einfluß auf die gelehrte Ausbil- dung zugeschrieben. Die Spezialschulen werden als unheil- volle französische Einrichtungen in Gegensatz zu den deut- schen Universitäten gestellt. Auch wird betont, daß der Charakter Frankfurts als einer reinen Handelsstadt dem Bestehen wissenschaftlicher Bildungsanstalten entgegenstehe und solche andern Städten überlassen müsse. Der be- schränkte Standpunkt der alten Reichsstadt, gestützt durch die Reaktion gegen die Einrichtungen der französi- schen Z\\dschenregierung, erlangte ^^'ieder die Oberhand. Die Meinung Steins und Goethes war nicht die des Senats.

Die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft und der Physikalische Verein

Gleichwohl trieb das geistige Leben neue Wurzeln und wiederum vornehmlich auf dem Boden der Senckenberg- schen Anstalten. Im Herbste 1817 luden der Stiftsarzt Cretzschmar und der Staatsrat Simon Moritz von Bethmann zur Gründung der „Senckenbergischen Natur forschenden Gesellschaft" ein. Die Gesellschaft trat im November 1817 ins Leben. Sie umfaßte fünf Abteilungen; ursprünglich behandelte sie auch Chemie und Physik, doch sonderte sich deren Abteilung 1824 als selbständiger ,, Physikalischer Verein" ab und erlangte als solcher namentlich für unsere Universitätsgeschichte selbständige Bedeutung. Die Be- strebungen der Naturforschenden Gesellschaft waren zu- nächst auf die Errichtung eines naturwissenschafthchen Museums gerichtet, für das die Stiftung als Bauplatz einen Teil des botanischen Gartens zur Verfügung stellte. Zur Ergänzung des Platzes wandte sich die Gesellschaft an den Senat um Überlassung des Zwingers an der Bleichstraße, die auch gegen Entrichtung eines mäßigen Kaufpreises von fl. 800 erfolgte ^). Am 22. November 1821 wurde das Museum am Eschenheimer Tor eröffnet. Eine reiche Vermehrung erfuhren dessen Sammlungen durch die Afrikareisen Eduard Rüppells, so daß bereits 1828 ein Erweiterungsbau ins Auge gefaßt werden mußte. Es entstand der zweistöckige Seiten- flügel an der Bleichstraße, der aber wiederum nicht aus- reichte, nachdem die Ausbeute der 1832 von Rüppell nach Abessinien unternommenen Forschungreise alle Räume ge-

^) Schwemer, Geschichte der Freien Stadt Frankfurt II. S. 220.

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füllt hatte. Ein Erweiterungsbau erfoigte 1841 durch Auf- bau eines zweiten Geschoßes auf den Eckbau am Eschen- heimer Tor.

Neben der reichen Arbeit, die die Naturforschende Gesellschaft auf dem Gebiete der beschreibenden Natur- wissenschaften entfaltete, wurde für die wissenschaftliche Forschung vor allem die Anatomie der Stiftung von Bedeu- tung. Hier ist des Anatomen Johann Christian Lucae zu gedenken, der namentlich durch Arbeiten über die Anatomie des Schädels sich wissenschaftliches x\nsehen errang. Sein Nachfolger Karl Weigert fand hier einen Wirkungskreis, den ihm die deutschen Universitäten nicht zu ihrem Ruhm verweigert hatten. Der Rang, auf den Weigert die patho- logische Anatomie in Frankfurt erhoben hatte, wurde glän- zend gewahrt durch Eugen x\lbrecht, der in nur vierjähriger Lehrtätigkeit bis zu seinem Tode 1908 hier wirkte.

Die neueste Entwicklung der wissenschaftlichen Insti- tute von Stiftung und Gesellschaft geht Hand in Hand mit der organisatorischen Umgestaltung der gesamten Frank- furter wissenschaftlichen Einrichtungen, die kurz nach dem Amtsantritt von Oberbürgermeister Adickes einsetzte.

Der Physikalische Verein trat im Jahre 1824 gewisser- maßen als Tochterverein der Senckenbergischen Gesellschaft ins Leben ^) . Nachdem er zuerst im Hause des Mechanikers Albert Unterkunft gefunden hatte, wurden ihm 1834 von der Senckenbergischen Stiftungsadministration im Gebäude des Museums Räume zu Vortragszwecken und Laboratorien zur Verfügung gestellt. Die Namen der Dozenten, die dort mit bescheidenstem Werkzeug arbeiteten, haben guten Klang, und der große Anlauf, den die Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert genommen, ist nicht ohne Förderung aus der kleinen Arbeitsstätte am Eschenheimer Turm geblieben. Von 1833 1860 wirkte als Dozent für Chemie und Physik Rudolf Boettger, der Erfinder der Schießbaumwolle, des Kollodium und der schwedischen Streichhölzer. Neben ihm

^) E. Hartmann, Aus der Geschichte des Physikahschen Vereins, ,Der Neubau des PhysikaUschen Vereins" S. 6g ff.

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wirkten die Physiker Eisenlohr und Abbe. 1862 wurde eine besondere physikalische Dozentur begründet, die zuerst Oppel, nach ihm Friedrich Kohlrausch versah. 1889 wurde eine elektrotechnische Lehr- und Versuchsanstalt angeglie- dert, die sich vor allem der praktischen Ausbildung von Elektrotechnikern widmete. So bestanden drei Abteilun- gen, nachdem 1887 der Verein ein eignes Gebäude an der Stiftstraße beziehen konnte. Vor allem war für ein den wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes chemisches Labo- ratorium Vorsorge getroffen, das damals Bernhard Lepsius unterstand. Die physikalische Abteilung trat ihm gegen- über zurück, bis sie sich unter der Leitung von Walter König neues Ansehen verschaffte. Das Röntgen-Laboratorium für Durchleuchtung und photographische Aufnahmen war eines der ersten, das in Deutschland dem Dienst der ärztlichen Praxis zur Verfügung gestellt wurde. Allen drei Abteilun- gen stand nur ein Hörsaal zur Verfügung, so daß mit der Entwicklung der Institute schon zehn Jahre nach Errich- tung des Vereinshauses der Plan zu einem Neubau gefaßt wurde. Eine 1898 eingeleitete Sammlung brachte in kurzer Zeit einen Betrag von fast einer halben Million Mark zum Baue auf, während die Senckenbergische Stiftung bereit war, an der Ecke der Bleich- und Brönnerstraße einen Bau- platz unentgeltlich zu stellen sowie auch das alte Gebäude käuflich zu übernehmen. Schon waren die Pläne zum Bau fertig gestellt, als Oberbürgermeister Adickes mit seinem großen Plane einer Verbindung der wissenschaftlichen Insti- tute Frankfurts und ihrer Neuorganisation auftrat.

Adickes. Die ersten Anfänge eines Universitätsplanes

Franz Adickes, geboren am 19. Februar 1846 in Harse- feld bei Stade, in der Gemeindeverwaltung zuerst als Bei- geordneter in Dortmund, dann als Bürgermeister und Ober- bürgermeister in Altona tätig, wurde als Nachfolger Miquels 1890 zum Oberbürgermeister von Frankfurt gewählt. In ihm trat eine Persönlichkeit von führender Bedeutung für die deutsche Städteentwicklung an die Spitze der Frank- furter Verwaltung. Es waren große Aufgaben, die das ge- waltige Aufblühen des deutschen Städtelebens, wie es Frank- furt gleich anderen Großstädten des neuen Deutschlands bot, ihren Führern stellte. Mit weitem Blick trat er an ihre Lösung heran. Die Frage der Stadterweiterung war es zunächst, die ihn theoretisch wie praktisch interessierte. Die Eingemeindungen bildeten ihre Voraussetzung. Der städtische Grundbesitz wurde gewaltig vermehrt. Der zer- splitterte Besitz führte Adickes zum Gedanken einer Über- tragung der Verkoppelungsgesetzgebung auf städtische Ver- hältnisse. Es gelang ihm die preußische Gesetzgebung zum Erlaß der lex Adickes zu bewegen. Breite, mächtige Straßen wurden durch das neu erschlossene Bauland gelegt, ein Gürtel prächtiger Ringstraßen in weiter Peripherie um die Stadt geführt. Alsbald nach Erlaß des Bürgerlichen Gesetz- buches erkannte er die Bedeutung des Erbbaurechts für die städtische Besiedlung und die Wohnungsfrage. Die GeniaHtät seines Blickes versagte auch nicht auf dem Gebiete des Finanzwesens. Schon bald nach seiner Berufung nach Frankfurt veröffenthchte er eingehende Studien über die Weiterentwicklung des Gemeindesteuerwesens, insbesondere der Besteuerung von Grund und Boden. Die Frucht dieser

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Untersuchung war vor allem die Einführung der Wert- zuwachssteuer, die nach Frankfurter Muster bald von anderen Städten übernommen wurde.

Allen diesen Verwaltungsmaßnahmen eignet die Orien- tierung nach einer großen Idee, nach einem tragenden Prinzip. Mögen seine Gedanken in ihrer tatsächhchen Ausführung nicht immer alle gehegten Erwartungen erfüllt haben, der große Zug der Adickesschen Verwaltung schuf Frankfurt schnell zur modernen Großstadt, die der Ent- wicklung Deutschlands entsprach. Aber wenn er Frankfurt aus der engen Beschaulichkeit einer vergangenen Wirtschafts- periode herausführte und zur Großstadt umschuf, so war ihm damit nicht die Grenze «seiner Wirksamkeit gesteckt. Frankfurt sollte nach seiner historischen Vergangenheit nicht zur Provinzstadt herabsinken, die sich in materieller Entfaltung erschöpft. Sein Ziel war, dem Kulturleben Frankfurts neues Blut einzuflößen und ihm frische Quellen künstlerischen und wissenschaftlichen Fortschritts zu er- schließen. Waren die Anregungen auf künstlerischem Ge- biete, wie sie sich in der Bildung einer städtischen Gemälde- gallerie und einer Skulpturensammlung darboten, glücklich und verheißungsvoll, so sollte die Krönung seines Kultur- werks die Schöpfung der Universität darbieten. Welche Schwierigkeiten sich diesem Plane darstellten, welche Zähigkeit und Unbeugsamkeit, welche Vorsicht und Klug- heit Adickes Schritt für Schritt seinem Ziele näherführten, wird die Geschichte der Universitätsgründung zeigen.

In einer Schrift ,, Frankfurts Gegenwart und nächste Zukunft" machte im Jahre 1892 der Frankfurter Schrift- steller Otto Kannegießer den Vorschlag, unter Benutzung und Zusammenschließung der wissenschaftlichen Institute der Stadt eine neue Hochschule zu schaffen, die als Ver- einigung von Universität und Polytechnikum vor allem der höheren praktischen Ausbildung dienen solle. Dieser Ge- danke einer Vereinigung aller wissenschaftlichen Anstalten hatte schon während der 70 er und 80 er Jahre eine Reihe von Frankfurter Gelehrten beschäftigt. Ein Bild ihrer

Pläne gibt ein Tagebuch, aus dem der A'orsteher des In- stituts für Gemeinwohl, Professor Stein, in der Frankfurter Zeitung vom 6. ]\Iai 1908 Auszüge veröffentlicht hat, und das man wohl dem vorzüglich um die Frankfurter Heimat- kunde verdienten Naturforscher Professor Dr. Wilhelm Kobelt zuschreiben darf. Der Ausgangspunkt war damals vor allem die Fortbildung der Senckenbergischen Natur- forschenden Gesellschaft und des Freien Deutschen Hoch- stifts. Beide waren eben in den Besitz neuer großer Stif- tungen gelangt, die erstere durch das Vermächtnis der Gräfin Böse, das letztere durch das Müllersche Legat. Nach den Kämpfen mit der bisherigen Hochstiftsverwaltung unter Dr. Volger schien die Bahn mit dem Abgang von Volger für die Umbildung zu einer freien, von den Universitäten unbeeinflußten Akademie offen zu sein, wie sie im Plane der führenden wissenschaftlichen Persönlichkeiten Frank- furts lag. Auf dem Maifeste der Senckenbergischen Gesell- schaft im Jahre 1882 trat der Frankfurter Arzt Dr. Fridberg unter Zustimmung eines ^Mitglieds der Administration dem Gedanken der Gründung der Akademie bei. Weitere Ver- handlungen mit dem Hochstift folgten; aber bald gerieten sie ins Stocken. Jede Gesellschaft verfolgte zunächst die eigenen, engeren Aufgaben, und erschöpfte damit die Mittel zu dem größeren Ziel. Es fehlte, wie der Steinsche Aufsatz meint, ein überragender, durch persönhche Bedeutung oder sein Amt zum Führer bestellter Mann, der die gesponnenen Fäden zum Knoten knüpfte. Er fand sich in der Person von Adickes. In dem Begrüßungsaufsatz, den Adickes in der Frankfurter Zeitung vom 25. Oktober 1914 der Uni- versitätseröffnung widmete, sagt er von der erwähnten Veröffentlichung Otto Kannegießers: ,, Dieser Aufruf blieb indessen ohne Widerhall in den herrschenden Kreisen der Bürgerschaft. . . . Nur an einer Stelle machte diese Schrift nachhaltigen Eindruck: bei dem im Januar 1891 neu eingetretenen Oberbürgermeister. Und die Gunst der Umstände gestattete ihm ganz wider sein Erwarten, im Laufe kurzer Jahre den Weg zu finden, der zur Bildung

Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. 2

und auch zur Verwirklichung eines festen Universitäts- programms führen sollte." So stand hiernach Adickes von vornherein bei der Gründung neuer, wie der Umgestaltung bestehender wissenschaftlicher Institute das Endziel vor Augen. Mühevoll ward Glied für Glied gebildet, jedes selb- ständig für sich aufgebaut, für einen eignen Zweck, für den sich ein besonderer Kreis von Förderern finden ließ, um sich endlich alle in einer Kette zusammenzufügen.

Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften

Die weittragenden Absichten Adickes konnten nur erstrebt und angebahnt werden, weil er in Frankfurt für sie Verständnis und Entgegenkommen bei Männern fand, die bereit waren, der Allgemeinheit opferwillig zu dienen und sich zu gemeinsamer Arbeit mit ihm zusammenzufinden. Diese Zusammenarbeit trat zuerst in der Gründung der Akademie für Sozial- und Handels- wMssenschaften erfolgreich zutage.

Als erster und hauptsächlichster Mitarbeiter ist hier Wilhelm Merton zu nennen. Von jeher war die Zahl der Bürger in Frankfurt nicht gering, die große Vermögen für Zwecke der Wohltätigkeit und Nächstenliebe opferten, so wie vordem die Wissenschaft in Senckenberg, die Kunst in Stadel ihren Mäzen gefunden hatte. ]\Ierton ging in seinen Bestrebungen neue Bahnen, die sich vor allem aus der sozialen Richtung Deutschlands zu Ende des neunzehnten Jahrhunderts herleiteten. An der Spitze einer der be- deutendsten Handelsorganisationen stehend, die auch für die wirtschaftliche Geltung Frankfurts von höchstem Einfluß geworden war, empfand er den Besitz zugleich als soziale Verpflichtung. Aber diese soziale Verpflichtung beschränkte sich ihm nicht lediglich in Erfüllung charitativer Betätigung. Es galt ihm, Einrichtungen zu treffen, um die sozialen Zu- sammenhänge aufzuklären, die Ursachen vorhandener Miß- stände durch Verbindung von Theorie und Praxis einwandfrei festzustellen, und so an Stelle planlosen Almosengebens, worin bis dahin fast ausschließlich die private Wohltätigkeit bestand, organisatorisch soziale Arbeit zu leisten. Daneben beschäftigten ihn die Fragen der höheren Berufsbildung, die

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ihm in ihrer bisherigen völligen Trennung in der Vorbildung des Beamtentums und der führenden Praktiker des höheren Kaufmannstandes eine für Deutschlands wirtschaftliche Stel- lung bedenkliche Spaltung aufzuweisen schien. Die Organi- sation, die sich Merton zur Bearbeitung dieses ganzen Kom- plexes von Fragen schuf, war das 1895 gegründete Institut für Gemeinwohl. Nach wiederholten Neudotierungen mit einem buchmäßigen Vermögen von über vier Millionen Mark ausgestattet, unterhält es zurzeit an sozialen Einrichtungen als rein wissenschaftliches Forschungsinstitut für alle sozialen Fragen das Soziale Museum, für praktische soziale Arbeit die Centrale für private Fürsorge mit einer Reihe ihr angegliederter Organisationen ; die gemeinnützige Rechtsauskunftsstelle ; vor- nehmlich für Arbeiterschutz das Bureau für Sozialpolitik, das Institut für Gewerbehygiene, sowie für Volksernährung die Gesellschaft für Wohlfahrtseinrichtungen. Der Frage einer Umgestaltung der Fortbildungsmöglichkeiten der praktischen Berufe in Handel und Industrie galten seitens des Instituts die Bestrebungen, die 1899 zum Vorschlage der in Gemein- schaft mit der Stadt vorzunehmenden Errichtung einer ,, Akademie für Staatswissenschaften und Wirtschaftslehre (Sozial- und Handelswissenschaften)" führten. Man wird nicht fehlgehen, wenn man in der doppelten Aufgabe der vorgeschlagenen Organisation, der Pflege der Staatswissen- schaften auf der einen, derjenigen der Privatwirtschafts- lehre auf der anderen Seite einen Ausgleich der verschieden- artig gerichteten Bestrebungen von Adickes und Merton sieht. Nicht ohne Geschick stellt die vom Magistrat der Stadtverordnetenversammlung am 13. Juni 1899 vorgelegte Denkschrift mit Rücksicht auf die in Frankfurt damals wie 1814 beim Eingehen der Dalbergschen Gründung vor- herrschenden merkantilen Interessen die Frage des kauf- männischen Fortbildungs-Unterrichts in den Vordergrund. Sie entwickelt die Bestrebungen auf dem Gebiete des höheren Handelsschulwesens, die vornehmlich in den Verhandlungen des deutschen Verbands für das kaufmännische Unterrichts- wesen zum Ausdruck kamen, und die auf dem Kongreß dieses

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Verbandes 1897 nach Referaten von Professor Ehrenberg und C. M. Sombart (Magdeburg) die Gründung hochschul- artiger Einrichtungen forderten. Die Denkschrift verweist sodann auf die am i. April 1898 im Anschluß an die Universität erfolgte Errichtung der Leipziger Handelshochschule. Sie sieht die Aufgabe der zu gründenden Anstalt darin, in der kaufmännischen Praxis ausgebildeten Personen eine Fort- bildungsmöglichkeit in Nationalökonomie, Staatswissen- schaften, Handelsrecht usw. zu geben, um sie zu befähigen, leitende Stellungen in Handel und Industrie einzunehmen. Andrerseits soll die Anstalt und diese zweite Seite ist das Neue und Charakteristische nicht nur fachwissen- schaftlich x\usgebildeten, wie Technikern, Nationalökonomen usw., sondern vor allem Verwaltungsbeamten und Juristen Gelegenheit geben, sich eine Fortbildung zur Vertiefung ihrer Kenntnisse auf dem Gebiete des praktischen Wirtschafts- lebens, der Volkswirtschaft sowohl wie der Einzelwirtschaft zu verschaffen. Eine gemeinsame Lernzeit zwischen Juristen einerseits und Kaufleuten andrerseits soll beiden frucht- bringendes Verstehen und Erkennen vermitteln. Aus dieser Idee, die Bureaukratie des Beamtenstaates mit den Faktoren des neuen Wirtschaftslebens in Verbindung zu bringen, um Einseitigkeiten auf beiden Seiten auszugleichen und be- stehende Vorzüge auszutauschen, erwächst der Doppel- charakter der Anstalt, die zugleich Handelshochschule und Akademie für Sozialwissenschaften sein will. Die Finan- zierung wurde derart vorgeschlagen, daß das Institut für Ge- meinwohl und Stadtverwaltung je einen Betrag von jährlich 30 000 M gewähren solle, während die Handelskammer sich zu einer Unterstützung von 5000 M im Jahre verpflichtete. Die Vorlage fand in der Stadtverordnetenversammlung zunächst keinen prinzipiellen Widerspruch und wurde dem um acht Mitglieder verstärkten Schulausschuß zur Vor- beratung überwiesen. Der von dem Bankier Theodor Stern erstattete Bericht des Ausschusses läßt sich im wesentlichen dahin aus, daß zwar die früheren Wünsche der Stadtver- ordneten-Versammlung auf Errichtung einer reinen Handels-

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hochschule durch das Projekt eine Änderung erfahren hätten, daß aber das erweiterte Programm eine Verbesserung dar- stelle, die namentlich für das wissenschaftliche und geistige Leben der Stadt von Bedeutung sei. Dem Vorschlage des Ausschusses,

die Stadtverordneten-\'ersammlung möge sich zur Bewilligung eines jährlichen Beitrages von 30 000 jU für die zu errichtende Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften unter der Voraussetzung bereit erklären, daß über deren Aufgaben und Organisation zwischen den städtischen Behörden, dem Institut für Gemeinwohl und der Handelskammer eine Einigung erzielt werde,

trat die Versammlung in der Sitzung vom 11. Juli 1899 einstimmig bei. Eine programmatische Darstellung der Ziele und Aufgaben der Akademie ließ das Institut für Gemeinwohl nochmals in einer eingehenden Denkschrift ,,Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften" (Frankfurt a. M. 1899) durch seinen Geschäftsführer Dr. Andreas Voigt ver- öffentlichen. Sie legt die Mängel der bisherigen Bildung der leitenden Klassen in Deutschland dar, indem sie auf die Lücken des Bildungsganges, die mangelnde Anpassungs- fähigkeit an die wechselnden Verhältnisse des modernen Lebens, die unzulängliche Berücksichtigung der Praxis und die Einseitigkeit der reinen Fachbildung hinweist. Sie sieht ein Abhilfmittel in der Schaffung einer geistigen Verbindung zwischen Beamtentum und den produktiven Ständen, die namentlich erforderlich wird durch die gesteigerten An- forderungen der Selbstverwaltungstätigkeit von Kaufmann und Industriellem (Berufsgenossenschaften, Krankenkassen, Handelskammern, Gewerbegerichten, kommunalen Amtern), durch die Notwendigkeit einer kaufmännischen Bildung des Beamten, des Technikers wie umgekehrt auch einer tech- nischen Bildung des Kaufmanns. Eine besondere Bedeutung für alle diese Stände sieht die Denkschrift schließlich in einer gemeinsamen Behandlung sozialpolitischer Aufgaben.

Das Ergebnis der endgültigen Verhandlungen zwischen Stadt und Institut legte der Magistrat in dem Entwurf der Satzungen und des abzuschließenden Vertrags im Januar 1900 der Stadtverordneten-Versammlung vor. In der Be-

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ratung fand vor allem die Voigtsche Denkschrift eine lebhafte Kritik nach der Richtung, daß die Bestrebungen des Instituts anscheinend die kaufmännische Fortbildung und namentlich das Studium der Handelswissenschaften zugunsten der Sozialwissenschaften zurückdrängten. Das Ergebnis der Beratung war zunächst die Verweisung an einen Sonder- ausschuß.

Der vom Bankier Otto Braunfels erstattete Bericht dieses Ausschusses stellt sich auf den Standpunkt des Magistrats, indem er zunächst die in Kreisen der Kaufmann- schaft geäußerte Anschauung zurückweist, als ob von städtischer Seite ursprünglich etwas anderes, nämlich eine ,, reine Handelsschule" geplant worden sei. Es wird anerkannt, daß es sich bei der geplanten Organisation zwar um einen neuartigen Versuch handle, doch sei der städtische Einfluß hinreichend gewahrt, um eine Gefährdung der Interessen der Stadt auszuschließen. \'on dieser prinzipiellen Zustimmung aus schlug der Ausschuß lediglich eine Reihe Abänderungen vor, die bezüglich des Vertrages mehr formeller, bezüglich des Statuts auch materieller Art waren. Von prinzipieller Bedeutung war hier namentlich der Vorschlag, dem in § i des Statuts festgelegten Grundsatz, daß ,,die Akademie unabhängig von jeder Partei dastehen und den berechtigten Interessen aller Volkskreise gerecht werden solle" durch die Einschaltung der Worte ,,frei von Einseitigkeiten" eine schärfere Prägung zu geben und damit zum Ausdruck zu bringen, daß namentlich Einseitigkeiten wirtschaftlicher Parteien vermieden werden sollten. Um den kaufmänni- schen Interessen entgegenzukommen, wurde neben einer Er- weiterung des Kreises der aufnahmefähigen Personen eine Fassung des Programms vorgeschlagen, die den Charakter der Anstalt als einer Handelshochschule stärker betont.

Die Stadtverordnetenversammlung erklärte sich nach Maßgabe der Abänderungsvorschläge nunmehr mit der Magistratsvorlage einverstanden. Auch der Magistrat und das Institut für Gemeinwohl traten den Änderungen bei, so daß der Magistrat der Stadtverordneten-Versammlung

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am 22. Mai 1900 den endgültig abgeschlossenen Vertrag nebst Statut in folgender Fassung vorlegen konnte.

Vertrag

§ I-

Zwischen der Stadt Frankfurt a. M. einerseits und dem Institut für Gemeinwohl, Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu Frankfurt a. M. andererseits ist heute vereinbart worden, daß eine Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zu Frankfurt a. M. nach Maßgabe der beige- fügten Satzungen begründet werde.

§ 2.

Das Institut für Gemeinwohl verpflichtet sich, für diese zu begrün- dende Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften eine Rente von 30 000 Jl jährlich, zahlbar vom Tage der Eröffnung der Akademie ab, unter den in diesem Vertrage festgestellten Bedingungen zur Verfügung zu stellen.

Diese Verpflichtung wird vom Institut für Gemeinwohl dadurch sichergestellt, daß es:

1. mündelsichere Wertpapiere im Gesamtwerte von 500 000 Ji bei der Stadthauptkasse in Gemäßheit der §§ 232 ff. BGB. hinterlegt,

2. an den dem Institut gehörigen Grundstücken in Sprendlingen und Ginnheimer Gemarkung, welche einen Anschaffungswert von etwa 220 000 il[, besitzen, eine Sicherungshypothek in gleicher Höhe bestellt. Es steht dem Institut frei, an Stelle dieser Hypothek weitere

Papiere der unter i. gedachten Gattung im Betrag von 300 000 ,1i zu hinterlegen.

Für den Fall der Auflösung des Instituts übernimmt dasselbe schon jetzt die in gesetzlicher Form zu beurkundende Verpflichtung, die hinter- legten Papiere und die verpfändeten Grundstücke der Stadt Frankfurt a. M. behufs weiterer Verwendung für die Akademie für Sozial- und Handels- wissenschaften zu übertragen.

§ 3- Die Stadt Frankfurt a. M. verpflichtet sich den gleichen Betrag wie das Institut für Gemeinwohl nämlich 30 000 Ji jährlich zu den Kosten der Akademie beizutragen.

§ 4- Da zu den Aufgaben des Instituts für Gemeinwohl auch wissen- schaftliche Untersuchungen auf volkswirtschaftlichem Gebiete gehören, so wird eine Abgrenzung der wissenschaftlichen Arbeiten der Akademie von dieser Tätigkeit des Instituts notwendig sein. Es bleibt daher vor- behalten, in dieser Beziehung weitere Vereinbarungen zu treffen.

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Ebenso sind auch bei der in Aussicht genommenen Verbindung der Akademie mit einer Gesellschaft oder einem Vereine die Interessen des Instituts für Gemeinwohl zu wahren, dadurch, daß in dieser Angelegenheit die Akademie und das Institut gemeinsam vorgehen.

§ 6.

Die beigefügten, durch Vereinbarung beider vertragschließenden Teile festgestellten Satzungen können nur auf Grund gleicher \^ereinbarung geändert werden.

Sollte das Institut aufgelöst werden, so verbleibt der Stadt Frank- furt a. ]\I. allein das Recht zur Abänderung dieSer Statuten.

§ 7-

Die Eröffnung der Lehrtätigkeit der Akademie soll tunlichst am I. April 1901 erfolgen.

Beide Teile verpflichten sich, zu den vor Eröffnung der Lehrtätig- keit aufzuwendenden Einrichtungskosten die erforderlichen Beiträge je zur Hälfte, je höchstens mit 1 5 000 J(,, nach Bedarf zur Verfügung zu stellen.

Satzungen

der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zu Frankfurt a. M.

I. Aufgabe.

§ I. Die Akademie für soziale Handelswissenschaften hat die Aufgabe, die genannten ihrer Pflege zugewiesenen Wissenschaften, frei von Einseitigkeiten und unabhängig von jeder Partei:

1. durch geeignete Lehrtätigkeit 2) für die Praxis frucht- bar zu machen und

2. durch selbständige wissenschaftliche Arbeiten und Unter- suchungen (§ 3) zu fördern.

Für die gesamte Tätigkeit der Akademie soll der Grundsatz maß- gebend sein, daß die Akademie unabhängig von jeder Partei dastehen und den berechtigten Interessen aller Volkskreise gerecht werden soll. § 2. Die Lehrtätigkeit soll:

I. höheren staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, Richtern, Anwälten und anderen Angehörigen höherer Berufe die Gelegenheit zu vertieften und erweiterten, volkswirt- schaftlichen und sozialpolitischen Studien bieten, und dadurch insbesondere auch den Einblick in die Bedeutung Wirtschaft-

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lieber Tätigkeit ordern, zugleich auch kaufmännische und allgemeine, den Betrieb industrieller Unternehmungen betref- treffende Kenntnisse vermitteln,

2. Personen aus den Kreisen der Industrie und des Handels die zur Ausfüllung leitender Stellungen erforderlichen Kennt- nisse auf dem Gebiet der Sozial- und Handelswissenschaften, insbesondere auch der Staatswissenschaft und Verwaltungs- lehre, vermitteln,

3. auch sonstigen Personen, namentlich solchen, welche bereits in der Praxis stehen oder gestanden haben, zur Erweiterung und Vertiefung ihres Wissens auf unter i und 2 genannten Gebieten Gelegenheit geben. Hierbei ist außer an Personen in kaufmännischer oder sonstiger gewerblicher Tätigkeit insbesondere auch an Lehrer gedacht, welche sich für Han- dels-, Gewerbe- oder Fortbildungsschulen weiter ausbilden wollen.

Auf dem Gebiet der Handelswissenschaften wird die Akademie diejenigen Vorlesungen und Übungen veranstalten, welche in den Lehr- plan anderer deutscher Handelshochschulen aufgenommen sind.

In Erfüllung der unter 3 vorgesehenen Lehrtätigkeit wird die Akademie auch diejenigen Vorlesungen fortsetzen, welche für die kauf- männischen Angestellten von der Handelskammer in den letzten Jahren hier veranstaltet worden sind (vgl. § 18).

§ 3. Die wissenschaftlichen Arbeiten der Akademie können sich auf das gesamte Gebiet der Sozial- und Handelswissenschaften erstrecken; es sind dabei jedoch die Bedürfnisse der Praxis unausgesetzt im Auge zu behalten und zu berücksichtigen.

Die näheren Bestimmungen über die Organisation der wissen- schaftlichen Arbeiten hat der Große Rat auf Grund der mit dem In- stitut für Gemeinwohl getroffenen Vereinbarungen zu erlassen.

II. M i t t e 1.

§ 4. Die zur Erfüllung der Aufgabe der Akademie bestimmten Mittel bestehen :

1. in einer vom Institut für Gemeinwohl durch vorstehenden Vertrag zugesicherten jährlichen Rente von 30 000 ,Jl ;

2. in einem jährlichen Beitrag der Stadt Frankfurt a. M. von 30000 M in Gemäßheit des vorstehenden Vertrags;

3. in einem jährlichen zunächst für 5 Jahre gesicherten Beitrag der Handelskammer zu Frankfurt a. M. von 5000 M (vgl. § 18).

4. in einem jährlichen Beitrag der Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Künste und deren Hilfswissenschaften (Polytech- nische Gesellschaft) zu Frankfurt a. M. von 5000 M.

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5- aus den Zinsen und anderen Einkünften aus ihrem durch Vermächtnisse, Zuwendungen und sonstwie zu erwerbenden Vermögen,

6. aus den Beiträgen der Mitglieder einer etwa mit der Aka- demie zu verbindenden Gesellschaft 17),

7. aus den Honoraren für die Vorlesungen,

8. aus Einnalimen sonstiger Art.

III. Rechtlicher Charakter.

§ 5. Die staatliche Anerkennung der Akademie als Stiftung 80 BGB.) wird demnächst beantragt werden. Bis zur Gewährung der- selben ist die Stadt Frankfurt die Trägerin und Inhaberin aller für die Zwecke der Akademie geschaffenen und bestinimten Vermögensrechte, mit der Beschränkung, daß die Verfügung über dieselben den Organen 4er Akademie nach Maßgabe dieser Satzungen zusteht.

Nach erfolgter Anerkennung der Akademie als Stiftung bildet der Verwaltungsausschuß den Vorstand derselben im Sinne des Bür- gerlichen Gesetzbuches. Zu Willenserklärungen in dessen Namen ge- nügt das Zusammenwirken des Vorsitzenden oder seines Vertreters und eines zweiten Mitglieds.

l\'. Organisation.

§ 6. Zur Verwaltung der Akademie, sowie zur Erfüllung ihrer Aufgaben werden nachstehende Organe geschaffen:

1. der Große Rat (Senat),

2. der \'erwaltungs- Ausschuß,

3. der Lehrkörper.

7. Der Große Rat besteht aus folgenden Mitgliedern:

1. dem Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt a. M. und zwei weiteren vom Magistrat zu wählenden Mitgliedern, von denen eines aus seiner Mitte entnommen sein muß,

2. drei von der Stadtverordneten-Versammlung zu wählenden Mitgliedern, von denen eines aus ihrer Mitte entnommen sein muß.

3. sechs von dem Institut für Gemeinwohl,

zwei von der Handelskammer zu wählenden Mitgliedern

und

einem von der Polytechnischen Gesellschaft zu wählenden

Mitglied. Dazu kommen die mit Sitz und Stimme im Großen Rat angestellten Lehrer der Akademie und das von der etwa mit der Akademie zu ver- bindenden Gesellschaft bzw. \'erein zu wählende Mitglied 17)-

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Falls das Institut für Gemeinwohl auswärts wohnende Mitglieder wählt, hat es für jedes derselben einen hier wohnhaften Ersatzmann zu wählen, welcher bei Verhinderung des in erster Linie Gewählten zu den Sitzungen einzuladen ist.

Die durch Wahl berufenen Mitglieder des Großen Rats werden auf drei Jahre gewählt.

Die unter 4 und 5 genannten Mitglieder scheiden aus, wenn der Beitrag der sie entsendenden Körperschaft in Wegfall kommen sollte.

Der Große Rat wählt aus seiner Mitte auf 3 Jahre einen Vorsitzen- den und einen Stellvertreter. Er hat das Recht, sich durch Zuwahl um 3 Mitglieder zu verstärken, wobei eine Mehrheit von ^j^ der Stimmenden erforderlich ist. Die Gesamtheit der Mitglieder darf jedoch niemals mehr als 21 betragen.

§ 8. Der Große Rat hat:

1. Abänderungen dieser Satzungen zu beschließen, vorbe- haltlich der Bestimmung in § 18,

2. den Haushaltplan festzustellen imd die Rechnung zu ent- lasten,

3. dem An- und Verkauf von Grundeigentum zuzustimmen,

4. den Verwaltungs-Ausschuß zu wählen 12),

5. Sitz und Stimme im Großen Rat an Lehrer der Akademie zu verleihen,

6. über die Organisation und Besoldung des Lehrkörpers zu beschließen 16),

7. allgemeine Bestimmungen über die Zulassung zum Besuch der Akademie zu erlassen.

§ 9. Der Große Rat versammelt sich, so oft es die Geschäfte erfordern.

Die Zusammenberufung des Großen Rats erfolgt durch den Vor- sitzenden; sie muß erfolgen, sobald es von einem Viertel der Mitglieder oder von dem Verwaltungs-Ausschusse verlangt wird.

Die Art und Weise der Zusammenberufung wird von dem Großen Rat festgestellt. Die Zusammenberufung erfolgt unter Angabe der Gegen- stände der Verhandlung, und zwar mit Ausnahme dringender Fälle wenig- stens zwei freie Tage vorher.

Durch Beschluß des Großen Rats können auch regelmäßige Sitzungs- tage festgesetzt, es müssen jedoch auch dann die Gegenstände der Ver- handlung mit Ausnahme dringender Fälle mindestens zwei freie Tage vorher den Mitgliedern angezeigt werden.

§ 10. Der Große Rat kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder zugegen ist. Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn die Mitglieder des Großen Rats zum zweitenmal zur Verhandlung über denselben Gegenstand zusammenberufen, dennoch nicht in genügen- der Anzahl erschienen sind. Bei der zweiten Zusammenberufung muß auf diese Folge des Ausbleibens ausdrücklich hingewiesen werden.

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Bei Beschlußfassung über die Zuwahl 7) und über Änderungen der Satzungen ist die Anwesenheit von ^U der Mitglieder in allen Fällen erforderlich.

§ II. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden; wer sich der Stimme enthält, wird zwar als anwesend betrachtet, die Stimmen- mehrheit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden berechnet.

Die Beschlußfassung muß auf Antrag zweier Mitglieder ausgesetzt werden, wenn in der Sitzung weniger als ^/^ der Mitglieder anwesend sind.

Ist bei Wahlen die erforderliche Stimmenmehrheit für keinen der Kandidaten vorhanden, so hat eine engere Wahl zwischen denjenigen Kandidaten stattzufinden, die die meisten Stimmen hatten.

§ 12. Der Verwaltungsausschuß besteht aus 8 10 MitgUedern, von denen eines dem Lehrkörper angehören, 3 aus den von städtischen Behörden und 3 aus den vom Institut für Gemeinwohl entsandten Mit- gliedern des Großen Rats entnommen sein müssen. Im übrigen ist die Wahl unbeschränkt.

Den Vorsitz führen die beiden Vorsitzenden des Großen Rats, welche von Amtswegen Mitglieder des Verwaltungs-Ausschusses sind. Die übrigen Mitglieder werden vom Großen Rat, welcher auch ihre Zahl innerhalb der oben angegebenen Grenzen feststellt, auf drei Jahre gewählt.

Falls ein vom Institut für Gemeinwohl gewähltes auswärts wohnendes Mitglied des Großen Rates zum Mitglied des Verwaltungs- Ausschusses gewählt wird, ist für dasselbe zugleich ein hier wohnender Ersatzmann zu wählen, welcher bei Verhinderung des in erster Linie Ge- wählten zu den Sitzungen einzuladen ist.

In jedem Jahre scheiden abwechselnd 2 bzw. 3 Mitglieder aus. Am Ende des ersten bzw. zweiten Jahres werden die Ausscheidenden durch das Los bestimmt.

§ 13. Der Verwaltungs-Ausschuß hat:

1. die Verwaltung nach Maßgabe des Haushaltungsplanes zu führen,

2. die Beschlüsse des Großen Rates vorzubereiten und aus- zuführen,

3. die Lehrkräfte zu berufen und die Dienstverträge mit ihneno abzuschließen,

4. sonstige Beamte der Akademie anzustellen,

5. den Lehr- und Unterrichts-Plan festzustellen (vgl. § 16),

6. dem Großen Rat alljährlich einen zur Mitteilung an die städtischen Behörden, sowie zur Veröffentlichung bestimmten Verwaltungsbericht zu erstatten.

Der Verwaltungs-Ausschuß vertritt die Akademie nach außen. Die Ausfertigungen der LTrkunden werden von dem Vorsitzenden oder seinem Vertreter gültig unterzeichnet; werden in demselben Verpflich-

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tungen der Akademie übernommen, so muß noch die Unterschrift eines anderen MitgUedes des \'erwaltungs-Ausschusses hinzukommen.

§ 14. Der Verwaltungs-Ausschuß versammelt sich so oft es die Geschäfte erfordern. Die Berufung zu den Versammlungen erfolgt durch den Vorsitzenden, sie muß erfolgen auf schriftlichen Antrag der Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-Ausschusses.

Durch Beschluß des Verwaltungs-Ausschusses können regelmäßige Sitzungstage festgesetzt werden.

§ 15. Der Verwaltungs-Ausschuß kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der ^Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden anwesend sind.

Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmen- gleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Die Be- rufung von Lehrkräften erfordert eine Mehrheit von ^j^ der Anwesenden. Im übrigen wird derjenige, der sich der Stimme enthält, zwar als an- wesend betrachtet, die Stimmenmehrheit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden berechnet.

Ist bei den Wahlen die erforderliche Stimmenzahl für keinen der Kandidaten vorhanden, so hat eine engere Wahl zwischen denjenigen Kandidaten stattzufinden, welche die meisten Stimmen hatten.

§ 16. Die Organisation des Lehrkörpers erfolgt auf Antrag des Verwaltungs-Ausschusses durch den Großen Rat. 8-^.) Hierbei ist auch die Älitwirkung des Lehrkörpers bei der Aufstellung des für die Lehrtätig- keit maßgebenden Lehr- und Unterriclrtsplanes (vgl. § 13-^) zu regeln.

§ 17. Es bleibt der Akademie vorbehalten im Einverständnis mit dem Institut für Gemeinwohl eine Gesellschaft oder einen Verein für Sozial- und Handelswissenschaft zu dem Zweck zu begründen, einen weiteren Kreis für die Bestrebungen der Akademie zu interessieren und dieser weitere Älittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben zuzuführen. Die Gesellschaft oder der Verein soll im Großen Rat mit emem IMitglied ver- treten sein.

§ iS. Die vom Großen Rat über Abänderungen der Satzungen 8-^) gefaßten Beschlüsse bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der städtischen Behörden und des Instituts für Gemeinwohl.

Die Bestimmung in § 2 am Ende kann, solange der in § 4 genannte Beitrag der Handelskammer gezahlt wird, nur mit deren Zustimmung abgeändert werden.

Aus dem Statut, das wegen seiner Bedeutung für die spätere Universitätssatzung in seinem vollen Wortlaut hier wiedergegeben ist, folgt, daß man von vorneherein mit einer weiteren Entwicklung der Anstalt rechnete, vor allem aber auch damit, noch weitere Förderer für sie zu finden. Wenn

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ein eingehendes Programm über die Aufgaben der Akademie, das der Große Rat im September igoo veröffentlichte, als Arbeitsgebiet aus dem Bereiche der Staats- und Sozial- wissenschaften Staatslehre, Verwaltungs- und Völkerrecht, Kommunalverwaltung, Finanzwissenschaft, Volkswirtschafts- lehre, Soziologie, Sozialpolitik und Statistik, aus dem der Handelswissenschaften Handelsgeschichte und -geographie, Handelsrecht, Betriebslehre, aus dem der Industriellen Wissenschaften Industrielehre und Gewerberecht aufführt, und nochmals als Leitmotiv ihres Wirkens die Verbindung von Theorie und Praxis mit dem Ziel der praktischen Durch- bildung des Beamten und der theoretischen Förderung des Kaufmanns und Technikers feststellt, so sollte noch vor Eröffnung die Akademie durch Zuführung neuer reicher Mittel sich die Möglichkeit bieten, eine wesentliche Er- weiterung des Lehrplans vorzunehmen. Zu Beginn des Jahres igoi stellte der Bankier Georg Speyer, Teilhaber des Bankhauses Lazard Speyer-EUissen, der schon stets für philanthropische und gemeinnützige Zwecke seine große Frei- gebigkeit tatkräftig bewiesen hatte, der Stadt eine Summe von einer Million Mark zur Verfügung, welche als Kapital einer unter dem Namen ,,Georg-und-Franziska-Speyer- Studien- Stiftung" konstituierten und unter eine selbständige Verwaltung gestellten Stiftung zur Förderung wissenschaft- licher Zwecke dienen sollte. Die Einkünfte wurden bestimmt, Lehrstühle und wissenschaftliche Arbeitsstätten im Rahmen der philosophischen Fakultät auszustatten. Kurze Zeit darauf stifteten zur Feier der dreißigsten Wiederkehr des Tages des Frankfurter Friedens, lo. Mai 1870, die Famihen der Begründer der Höchster Farbwerke Wilhelm von INIeister und Dr. Lucius 500 000 Mark zu gleichen Zwecken.

So konnte im Oktober 1901 die Akademie schon auf erweiterter Grundlage ins Leben treten, und gerade die Lehr- stühle, die von diesen Stiftungen ausgestattet wurden, schlugen eine Brücke nach einem höheren Ziel, als die Akademie es sich in ihrem verlautbarten Programm gesetzt hatte. Wollte man ursprünghch dem Sprachunterricht als elemen-

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taren Lehrgegenstand nur eine sehr untergeordnete Rolle einräumen, so erhob man ihn nunmehr zum wissenschaftlichen Lehrbetrieb, indem man für romanische Philologie und eng- lische Sprache zwei Neuphilologen berief, deren Lehrtätigkeit die Akademie mit rein akademischem Geiste erfüllte^). Der Name Heinrich Morfs, der die romanische Professur bekleidete und zugleich als erster Rektor der jungen Anstalt fungierte, schien dieser schon neue Entwicklungsmöglich- keiten zu weisen. Hatte die Akademie ihr erstes Semester mit acht Dozenten begonnen, so waren nach zwei Jahren beim ersten Rektoratswechsel bereits elf ordentliche Lehr- stühle vorhanden, was durch erhöhte Zuschüsse des Instituts für Gemeinwohl ermöglicht wurde. Die Dozenturen für Handelsgeographie, für romanische Sprachen und für Chemie wurden von der Georg-und-Franziska-Speyer-Stiftung, für englische Sprachen und eine Dozentur für Volkswirtschaft aus der Dr. Lucius-Meisterschen Stiftung dotiert, während eine dritte Dozentur für Volkswirtschaft vom Institut für Ge- meinwohl bestritten wurde. Hatte das erste Winter- Semester 1901/02 an Besuchern 36, an Hospitanten 425 und an Hörern 88 aufzuweisen, so betrugen diese Zahlen im Wintersemester 1903/04 133, 304 und 215. Eine erste Verbindung mit den übrigen wissenschaftlichen Instituten Frankfurts wurde insofern geschaffen, als der Physikalische Verein dem neben- amtlichen Dozenten der Akademie für angewandte Chemie eine Arbeitsstätte zur Verfügung stellte, und bereits nach Ablauf des ersten Jahres der Dozent für Chemie am Physi- kalischen Verein in das Dozentenkollegium der Akademie eintrat. Eine Erweiterung von grundsätzlicher Bedeutung brachte alsbald die Errichtung der Jügelschen Stiftung.

^) Andreas Voigt, Die Gründung der Universität Frankfurt a. äI. S. 9.

Die Carl-Christian-Jügel- Stiftung

In der Sitzung vom 23. April 1901 konnte Oberbürger- meister Adickes ^) der Stadtverordneten-Versammlung mit- teilen, daß die Brüder Friedrich Martin August Jügel und Karl Franz Jügel der Stadt ihr Vermögen mit der Bestim- mung vererbt hätten, daß zum Andenken an ihren Vater eine Stiftung unter dem Namen Carl-Christian-Jügel- Stiftung errichtet werden solle. Das hinteriassene Ver- mögen betrug etwa zwei Millionen Mark. Der Vater Carl Jügel war geboren am. i. Mai 1783 zu Düren bei Aachen. Nachdem er die Jugendzeit in Berlin verlebt, kam er nach dem Zusammenbruch des Jahres '1806 nach Frankfurt, das ihm zur zweiten Vaterstadt wurde. Er trat in die Brönner- sche Buchihamdlung ein und erwarb das Frankfurter Bürger- recht. Kurz nach seiner Verheiratung mit Mimi Schöne- mann, einer Nichte von Goethes Lilh, gründete er die von ihm zu großer Blüte geführte, bekannte Carl Jügelsche Buch- und Kunsthandlung, die er 1849 seinen Söhnen über- trug, um von da ab sich seinen künstlerischen Liebhabereien zu widmen. Pietätvoll hing er an den Überlieferungen der alten Reichsstadt. Erinnerungen aus seinem Leben hat er in seinem 75. Lebensjahre unter dem Titel ,,Das Puppen- haus, ein Erbstück in der Gontardschen Familie" heraus- gegeben. Sie geben ein lebensfrisches Bild vor allem der Primatischen Zeit und der Umwälzung des Jahres 1815. Mit Vorliebe folgt Jügel den Beziehungen Goethes zu Frank- furt. Die Schilderung von Goethes Aufenthalt im Jahre 1814,

1) Adickes, Rede bei Einweihung des Jügelliauses in ,,Das Jügel- haus" S. iS ff. Jena, S. Fischer, 1907.

Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. 3

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die sich der oben wiedergegebenen Darstellung des Dichters anschließt, und seiner Hoffnungen für die wissenschaft- lichen Anstalten der Stadt gedenkt, khngt in Anschluß an Goethes Wort, daß Frankfurt gezieme, nach allen Seiten zu glänzen, in dem elegischen Satze aus: ,, Könnte er heute wieder unter uns treten, würde er ohne Zweifel mit großer Befriedigung die überall sichtbaren Fortschritte bemerken, die wir in materieller Beziehung seitdem nach diesem Ziele hin gemacht haben. Ob wir uns aber auch auf dem geistigen Gebiete einer gleichen Anerkennung zu erfreuen haben würden, das dürfte sich freilich mehr oder weniger nach dem be- stimmen, was aus seinen Lieblingsideen geworden ist, deren glänzende Entwicklung er damals als vollkommen gesichert betrachtete." Wie sich in diesen Denkwürdigkeiten eine lebendige Liebe für Wissenschaft und Kunst zeigt, nahm Jügel auch während seines ganzen Lebens ein tatkräftiges Interesse an allen Bestrebungen zu ihrer Förderung in Frank- furt. Das Verhältnis, in dem er als Mäzen und Freund zu den Künstlern Frankfurts stand, verewigt charakteristisch eine derb-humoristische Medaille, die diese ihm widmeten. Dem vaterstädtischen und idealen Sinn Jügels ein dauerndes Gedächtnis zu setzen, ward für die Söhne ein Vermächtnis. Kurz nach dem Tode des Vaters, der 86 jährig am 8. April i86g verschied, errichteten sie am 24. x^ugust 1870 ihr Testament, an dessen grundlegenden Bestimmungen sie während einer noch langen Lebensdauer nichts änderten. In den §§ 2 und 3 setzten sie sich gegenseitig die Stadt als Nacherben ein und bestimmten hierüber im einzelnen:

§ 4.

,,Es soll nämlich das . . Erbvermögen nicht etwa in die städtische Kasse fließen, sondern zur Erinnerung an unseren geliebten Vater Herrn Carl Christian Jügel, welcher während seines Lebens und bis zu seiner letzten Stunde dem städtischen Gemeinw-esen ein so reges Interesse be- wahrte, als Carl Christian Jügelsche Stiftung in gesondert und für sich abgeschlossene Verwaltung genommen und nach Maßgabe der deshalb von uns getroffenen näheren Bestimmungen zu gemeinnützigen Zwecken verwendet w-erden.

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§ 5. Die Verwaltung dieser Stiftung übertragen wir

1. dem jeweiligen ersten Herrn Bürgermeister hiesiger Stadt, .

2. dem jeweiligen Herrn Vorsitzenden der Stadtverordneten- Ver- sammlung und

3. den dreien von uns ernannten Herren Testaments-Exekutoren. Sollte einer unserer Herren Testamentsexekutoren aus irgendwelchem

Grunde abgehalten sein, diese Administration zu übernehmen oder dieselbe fortzuführen, also auch im Falle des Ablebens eines dieser Herren, so ersuchen wir den Magistrat hiesiger Stadt um Ernennung geeigneter Substituten, und zwar wünschen wir, daß nur angesehene und unabhängige INIänner aus hiesiger Bürgerschaft zur Wahl gelangen und daß unter den drei sub 3 genannten Administrationsmitgliedern immer ein Rechtsgelehrter sich befinde.

§ 6.

Indem wir dieses Stiftungsvermögen dem Gemeinsinn hiesiger Stadt widmen und hiermit den Wünschen unseres unvergeßlichen Vaters entsprechen, so wollen wir doch nicht, daß dasselbe in verschiedenen Rich- tungen zersplittert werde, sondern damit durch vereinte Mittel um so Größeres erreicht werden könne, soll diese Stiftung mit dem Charakter einer pia causa einen einzigen Zweck verfolgen, und zwar sei es im Gebiete der öffent- lichen Armen- und Krankenpflege, sei es im Gebiete des Schul- und Unter- richtswesens, zur Errichtung entweder eines allgemeinen städtischen Krankenhauses oder einer allgemeinen öffentlichen höheren Unterrichts- anstalt dienen.

Wir behalten uns beiden und auch nur dem Überlebenden vor, bis zu seiner letzten Stunde Entscheidung zu treffen, welcher dieser beiden Zwecke und unter welch näheren Bestimmungen zur Ausführung ge- langen soll.

Sollte indessen eine derartige Entscheidung von uns nicht getroffen worden sein, so ersuchen wir die in § 5 eingesetzte Verwaltung nach reif- licher Erwägung aller Verhältnisse und mit Rücksicht auf vorliegendes Bedürfnis die den städtischen Interessen dienlichste Zweckbestimmung festzusetzen und die zu deren unverzögerter Ausführung erforderlichen \'orlagen den städtischen Behörden zur Genehmigung zu unterbreiten."

In einem Kodizill vom i. Oktober 1877 äußern sich die Testatoren über die zu errichtende Stiftung:

,,Wir haben in § 6 unseres Testaments zunächst dem Überlebenden von uns beiden, eventuell der in § 5 eingesetzten Verwaltung der von uns letztwillig angeordneten Carl Christian JügelschenStiftung überlassen, seiner- zeit festzusetzen, welcher Zweckbestimmung diese Stiftung gewidmet werden soll, mit Rücksicht darauf, ob das vorwiegende Bedürfnis des hiesigen städtischen Gemeinwesens eine Verwendung des Stiftungsvermögens im

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Gebiete der öffentlichen Armen- und Krankenpflege oder im Gebiete des öffentlichen Schul- und Unterrichtswesens empfiehlt.

Ohne der seinerzeit zu treffenden Entscheidung hiermit vorgreifen und dieselbe hiermit irgendwie beschränken zu wollen, wünschen wir doch einen Gedanken auszusprechen, welcher bei der Entscheidung in Erwägung gebracht werden möge und falls er sich als zeitgemäß und ausführbar er- weist, um so eher berücksichtigt werden soll, als wir der Überzeugung leben, daß derselbe in dem Sinne unseres seligen Vaters ist, dessen geliebtes An- denken wir mit der beabsichtigten Stiftung zu ehren uns verpflichtet fühlen.

Der Kölner Bürger, Herr Karl Joest, hat daselbst eine Wohltätigkeits- anstalt für die Aufnahme und Versorgung altersschwacher, hilfloser und unheilbar kranker Personen gegründet unter dem Namen ,, Klara-Elisen- Stift". (Es folgt nähere Beschreibung des Anstaltszweckes.) Obwohl dahier bereits einige Stiftungen und Anstalten mit ähnlichen Zwecken be- stehen, so unterliegen dieselben doch Beschränkungen teils in den Vor- bedingungen für die Aufnahme, teils in der Aufnahmefähigkeit, welche uns einem wahren und sich in der Zukunft vermehrenden Bedürfnis entgegen- zukommen glauben lassen, wenn mit den Mitteln der von uns beabsichtigten Stiftung ein Siechenhaus mit gleicher Zweckbestimmung wie das Klara- Elisen-Stift errichtet wird, eventuell in Verbindung damit eine Verpflegungs- Anstalt für blödsinnige Kinder, in der Art wie die von der jetzigen Groß- herzogin von Hessen in Darrastadt ins Leben gerufene Idioten-Anstalt ,, Alicen-Stift".

Aus diesem Testament-Kodizill erhellt unzweideutig, daß die endgültige Zweckbestimmung der Stiftung mit der Einschränkung, sie entweder Zwecken der Armen- und Krankenpflege oder solchen des Unterrichtswesens zu widmen, der eingesetzten Administration vorbehalten blieb, wenn auch nach dem Wortlaut des Kodizills die Erblasser vorzugs- weise die Errichtung eines Altersheimes empfahlen. Bei dieser Sachlage war natürlich, daß unter den Testaments- exekutoren die Meinung vertreten wurde, in erster Linie habe der zuletzt von den Erblassern ausgesprochene Wunsch Berücksichtigung zu finden. Dies entsprach auch der über- wiegenden Stimmung der Bürgerschaft, wie selbstverständlich die Forderung nach Errichtung einer Wohltätigkeitsanstalt in großem Stile die populäre war. Um so größer war das Verdienst von Oberbürgermeister Adickes, der hier die Möglichkeit sah, einen neuen Baustein für ein Werk zu ge-

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winnen, das erst begonnen war und nun einer erstrebten Entwicklung um eine große Strecke näher gebracht werden konnte. Die Stiftung sollte nach seiner Absicht dazu dienen, einmal die philosophische Fakultät bei der Akademie, deren Anfänge durch die Unterstützung der Speyer- Stiftung ge- bildet waren, fortzuentwickeln und andererseits den natur- wissenschaftlichen Instituten, die wie wir sahen vor die Notwendigkeit der Errichtung von Institutsgebäuden gestellt waren, hierzu zu verhelfen, auch gleichzeitig der Akademie, die sich bisher in den ermieteten Lokalitäten des Instituts für Gemeinwohl an der Börsenstraße notdürftig behalf, in einem eigenen Akademiegebäude eine würdige, künftiger Ausgestaltung fähige Heimstätte zu verschaffen. Adickes hat in seiner Rede zur Eröffnung des Jügelhauses darauf hingewiesen, daß ein solch großer, neugestaltender Plan durchaus im Sinne Karl Jügels gelegen hätte, und er berief sich dabei auf ein Schreiben, das Jügel im Oktober 1866, der schweren Zeit nach dem Verlust der staatlichen Selbständigkeit Frankfurts, an den"Begründer des Deutschen Freien Hochstifts richtete und in dem er warm dafür eintrat, zum Ersatz für das Verlorene einen geistigen Mittelpunkt in Frankfurt 'zu schaffen und die Übersiedlung der Marburger Universität nach Frankfurt zu erstreben^). Noch ein zweites Belegstück hätte man anziehen können : eine Streit- schrift Jügels aus dem Jahre 1849 ,,Das Städelsche Institut". Hier sagt Jügel in seiner Einleitung: ,,Zwei großartige Denk- male acht vaterländischer Gesinnung, verbunden mit dem reinsten Gefühle für wahre Humanität, bestehen hier in Frankfurt a. M. die Senckenbergische Stiftung und das Städelsche Institut. Das eine unterstützt die physischen, das andere fördert die geistigen Kräfte, und solange sich beide erhalten werden . ., wird man das Andenken an ihre Begründer ehren und deren Namen mit Achtung und Liebe nennen. Sie geben Zeugnis von dem reinen und gediegenen Bürgersinn unserer Vorfahren, und wenngleich die neueren

^) Jung, Frankfurter Hochschulpläne, S. 59.

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Zeiten bis zu der gegenwärtigen Katastrophe nicht minder Gelegenheit darboten, ähnhche GKicksgüter zu erwerben, wie die, welcher beide Stifter jener Institute sich zu erfreuen hatten . . , einen edleren, schöneren Gebrauch hat bisher hier niemand mehr von dem Reichtum gemacht, womit das Glück ihn begünstigte." So hätte es Jügel mit unendlichem Stolze erfüllt, hätte er ahnen können, daß es der Tatkraft eines Bürgermeisters seines Frankfurt einmal gelingen werde, seinen Namen, in einem dritten den beiden großen Stiftungen ebenbürtigen Institute zu verewigen.

Die Konstituierung der Stiftung in diesem Sinne vollzog sich nicht ohne heftige Kämpfe im Schöße der Ver- waltung, doch gelangte im Januar 1902 das vom Ober- bürgermeister als Vorsitzenden der Verwaltung ausgearbeitete Statut zur Annahme. Als Zweck der Stiftung wurde danach in § I festgestellt:

Die Carl Christian Jügelsche Stiftung, gegründet in Erinnerung an tlen Vater der beiden Stifter August und Franz Jügel, welche die Stadt Frankfurt a. M. zu ihren Universalerben ernannten, bezweckt die Errichtung und Unterhaltung einer allgemeinen öffentlichen akade- mischen Unterrichtsanstalt für die Gebiete der Geschichte, der Philo- sophie und der deutschen Sprache sowie der Literatur.

Neben der Errichtung der genannten Lehrstühle war vor allem die Errichtung eines Akademiegebäudes ins Auge gefaßt, das den Zwecken der Akademie dienen und auch Hörsäle für populäre Vorlesungen des Ausschusses für Volks- vorlesungen und des Hochstiftes enthalten sollte. Zugleich sollte durch das Bauprojekt dem Physikalischen Verein und der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft die Möghchkeit zu Neubauten geboten werden, indem die Jügel- Stiftung die Kosten einer Verlegung des Bürger- spitals übernahm. Das Bürgerspital selbst sohte für Unter- richtszwecke umgebaut und auf dem Gelände an der Sencken- bergstraße sollten Neubauten errichtet werden. Nachdem eine vorläufige Vereinbarung zwischen der Verwaltung der Jügel- Stiftung, dem Physikalischen Verein und der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesellschaft getroffen worden

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war, legte der Magistrat im April das Statut der Jügel- Stiftung zur Genehmigung vor und beantragte zugleich die Zustimmung zum Ankauf des Bürgerspitals zum Kaufpreis von I 400 000 Ji und zur Aufführung eines Stiftungsgebäudes im Herstellungswerte von i 100 000 Ji seitens der Jügel- Stiftung. In Anrechnung auf den Kaufpreis sollte für den Neubau des Bürgerspitals ein städtisches Grundstück an der Nibelungen-Allee im Werte von 558 000 M übereignet werden, welcher Betrag der Stadt von der Stiftung in 43 jährlichen Amortisationsraten von 5580 M erstattet werden sollte. Verwaltung, Heizung und Unterhaltung des Stiftungs- gebäudes sollte die Stadt gegen die Verpflichtung der Stiftung übernehmen, dem Ausschuß für Volksvorlesungen geeignete Hörsäle zur Verfügung zu stellen.

Die Vorlage stieß auf den heftigsten Widerstand in der Versammlung, nachdem schon vorher das dissentierende Mitglied der Verwaltung in der Presse gegen die Satzung Einspruch erhoben und nach erfolgter Abstimmung im Kuratorium sein Amt niedergelegt" hatte. Der Wortführer der demokratischen Partei, Georg Wedel, bezeichnete den von der Verwaltung festgesetzten Zweck der Stiftung als den Absichten der Stifter zuwiderlaufend, die ein Altersheim gewollt hätten. Die vorgeschlagene Unterrichtsanstalt diene nur Zwecken dilettantischer Halbheit, ihr praktisches Be- dürfnis sei zu verneinen. Von Seiten des Führers der Frei- sinnigen Volkspartei, Justizrat Geiger, wurde darauf hin- gewiesen, daß die Zwecksatzung ausschließlich Sache der Verwaltung sei; die Bildung einer freien Universität sei zu begrüßen. Die Ablehnung der Vorlage verursache unter Umständen der Stadt später größere Kosten. Der Befür- wortung durch Bürgermeister Varrentrapp setzte der Frak- tionsredner der sozialdemokratischen Partei Dr. Quarck entgegen, von Errichtung einer freien Universität könne nicht die Rede sein; die Stiftung entspräche nicht den Wünschen der Stifter. Die Nationalliberale Partei trat für die Vorlage ein. Die Versammlung würdigte die Vorlage nicht einmal der beantragten Ausschußberatung, sie lehnte sie rundweg

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ab. Dieser Beschluß darf heute jedenfalls in seinen Kon- sequenzen für die städtischen Finanzen als überaus nach- teilig bezeichnet werden. Die Vorlage hätte bewirkt, daß die akademischen Gebäude, organisch auf historischem Boden erwachsend, sich den alten angeschlossen hätten, daß das lateinische Viertel Frankfurts sich im Herzen der Stadt entwickelt und einem vernachlässigten Stadtteil neuen Verkehr und neues Leben zugeführt hätte. Wenn auch der 'Raum beschränkter, enger und kärglicher als in der späteren Ausgestaltung sich dargestellt hätte, der ge- schichtliche Reiz einer hundertjährigen Entwicklung hätte über dem Ganzen gelegen. Der Stadt vor allem aber wäre ein Opfer von vielen Millionen erspart geblieben, das die späteren Beschlüsse erforderten.

Oberbürgermeister Adickes war nicht der Mann, diesem Beschlüsse gegenüber das Statut der Stiftung ohne weiteres zu opfern. In einer Vorlage vom 6. Juni 1902 erklärte er namens der Stiftungs- Administration, daß diese nochmals, und zwar nunmehr einstimmig die Statuten gutgeheißen habe; die Administration könne nicht annehmen, daß die Stadtverordneten- Versammlung durch ihren Beschluß in die durch § 6 des Testaments festgesetzte Bestimmungs- befugnis der Verwaltung habe eingreifen wollen. Es werde daher der Antrag wiederholt, den Satzungen, welche die Verwaltung behufs Ausführung der von ihr festgesetzten Zweckbestimmung den städtischen Behörden zur Genehmi- gung nach § 6 des Testaments vorzulegen habe, die Zu- stimmung zu erteilen. Wiederum traten in der Versammlung die alten Gegnerschaften zutage, wenn auch von einigen der Opponenten nunmehr zugegeben wurde, daß der Ver- waltung das Recht der alleinigen Bestimmung des Stiftungs- zwecks nicht bestritten werden könne. Nach heftiger Debatte gelangte schließlich der Antrag auf Genehmigung der Satzungen mit Stimmengleichheit durch Stichentscheid des Vorsitzenden, Dr. Heinrich Rößler, zur Annahme. Dr. Rößler hatte bereits in der vorangegangenen Sitzung unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Neubauten für die Weiter-

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entwicklung der Senckenbergischen Gesellschaft und des Physikalischen Vereins beantragt, die Stadtverordneten- Versammlung möge erklären, daß sie durch ihren früheren ablehnenden Beschluß keineswegs die Unterstützung der wissenschaftlichen Institute habe von sich weisen wollen und den Magistrat daher ersuche, die Verlegung des Bürger- spitals und Beschaffung eines Bauplatzes einzuleiten. Dieser Antrag deckte sich im wesentlichen mit einer Eingabe der Senckenbergischen Gesellschaft und des Physikalischen Ver- eins, die in der gleichen Sitzung vom. lo. Juni 1902 zur Ver- handlung gelangte. Die Versammlung trat dem Antrag Rößler seinem Inhalte nach bei, indem derselbe nach einem Vorschlag Leopold Sonnemanns dahin formuliert wurde, die Eingaben der beiden Vereine dem Magistrat zu wohlwollender Berücksichtigung zu überweisen.

Durch diesen letzten Beschluß, der nicht gerade als folgerichtig bezeichnet werden kann, war immerhin die Möglichkeit geboten, die begonnenen Pläne fortzuspinnen, ohne einen abermaligen Konflikt zwischen den beiden Ver- waltungskörpern der Stadt hervorzurufen. Vor der Öffent- lichkeit wurde gegenüber den starken Angriffen der Presse die Stellung des Magistrats in einer Broschüre ,,Die Jügelsche Stiftung und die Gründung akademischer Lehranstalten in Frankfurt a. M." verteidigt, die der Verfasser Ende 1902 unter dem Pseudonym Academicus erscheinen ließ. Wurde in dieser Schrift die Berechtigung der Stiftungsverwaltung bejaht, die Stiftungsmittel für Hochschulzwecke zu ver- wenden, so wurde andererseits Ziel und Zweck der neuen Organisation einer kritischen Betrachtung unterzogen. Die Meinung war schon damals zum Durchbruch gelangt, daß die hochgespannten Erwartungen, die man auf die Handels- hochschulen gesetzt hatte, in der Praxis nicht durchaus erfüllt würden. Die Handelspraxis erfordert eine frühzeitige praktische Ausbildung, die für rein theoretischen Unterricht im Sinne einer akademischen Durchbildung kaum Zeit läßt. Wenn ein Bedürfnis besteht, den Personen, die durch Tüchtig- keit und Intelligenz sich eine führende Stellung in Industrie

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und Handel erworben haben, Gelegenheit zur Fortbildung in theoretischer Richtung zu geben, so ist der Kreis dieser Personen nicht groß genug, um eine kostspielige Organisation von Akademien dafür einzurichten. Nicht viel anders ver- hält es sich mit Fortbildungsakademien für gelehrte Berufe. Die deutsche Universität hat sich, so führte der Verfasser aus, den Fachschulen des Auslands gegenüber nach jeder Richtung für Wissenschaft und Ausbildung überlegen ge- zeigt. Für gelehrte Anstalten, die sich außerhalb des Rahmens der Organisation des deutschen Hochschulwesens stellen, kann ein Bedürfnis nicht anerkannt werden. Dagegen liegt ein solches der Vermehrung der Universitäten und ihres Ausbaus in der Richtung der für Frankfurt angestrebten Ziele vor. Warum sollte man also nicht sofort dieses höchste Ziel durch Errichtung einer Universität erstreben ? Indem damit erstmals auf Grund der tatsächlichen Entwicklungs- möglichkeiten und der dem wissenschaftlichen Leben Frank- furts latenten Bestrebungen das Projekt der Universitäts- gründung vor der Öffentlichkeit aufgerollt wurde, wurde zugleich der Plan einer Zusammenfassung aller wissen- schaftlichen Institute Frankfurts zu diesem einheitlichen Ziel vertreten. ,,Es gilt," schloß der Verfasser, ,, einen Schritt zu tun, der neue Lebenskraft in unsere Stadt bringen und geistiges Leben wecken wird. Frankfurt . . . soll und muß wieder eine Kulturstätte deutscher Geistesbildung werden." Adickes meinte in einem Briefe an den Verfasser: ,,Es sind mehr Steine im Wege, als man zunächst glaubt." Die Zu- kunft sollte zeigen, daß es Berge waren, die den Weg ver- sperrten, aber der Baumeister war da, auch sie zu versetzen.

Die Verlegung der Senckenbergischen Stiftshäuser und die Errichtung des Jügelhauses

Der Beschluß der Stadtverordneten- Versammlung, die Eingaben der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell- schaft und des Physikalischen Vereins wegen Förderung ihrer Neubauten dem Magistrat zur wohlwollenden Berücksich- tigung zu überweisen, mußte diesen zu erneuten Verhand- lungen mit den beiden Korporationen veranlassen. Diese Verhandlungen führten zu einem Plane, der auf einer breiteren Grundlage als der frühere aufgebaut war und eine völlige Verlegung der Gebäude der Senckenbergischen Stiftung, der Naturforschenden Gesellschaft und des Physikalischen Vereins ins Auge faßte. Die Voraussetzung hierfür war, daß die Stadt den gesamten Grundbesitz erwarb und dadurch die Mittel für die Neubauten gewährte. Das Ergebnis der geführten Verhandlungen ist in der Vorlage enthalten, die der Magistrat der Stadtverordneten-Versammlung im Februar 1903 überreichte. Danach sollte die Senckenbergische Stiftung ihren gesamten Besitz zwischen Stiftstraße, Sencken- bergstraße, Brönnerstraße und Bleichstraße im Flächen- gehalt von 18 260 qm veräußern und an dem von der Stadt zur Verfügung gestellten Platz an der Nibelungen-Allee einen Neubau für Bürgerspital und Pfründnerhaus errichten. Für die Senckenbergsche Bibliothek, für das Museum der Naturforschenden Gesellschaft und das Laboratorium und Vorlesungsgebäude des Physikalischen Vereins wurden Neu- bauten an der Viktoria- Allee vorgesehen. Der Botanische Garten sollte in die Nähe des Palmengartens verlegt werden, während der Neubau eines anatomischen Instituts gemein-

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sam von der Dr. Senckenbergischen Stiftung und der Stadt auf dem Grundstück des Städtischen Krankenhauses auf- geführt werden solle. Die Mittel, die für diese weitgreifenden Projekte erforderlich waren und die

1. bezüglich der Senckenbergischen Stiftung

a) für Neubau des Bürgerspitals und Pfründnerhaus auf loooooo M

b) für verstärkte Betriebskosten dieser Anstalten auf 400000 Ji

c) für Neubau und Betrieb der Biblio- thek auf 450000 ,M

d) für Neubau und Betrieb der Ana- tomie auf 500000 M

e) für das botanische Institut auf . 700000 M

f) für Vermehrung des Stiftungskapitals

der Senckenbergischen Stiftung auf 650 000 Ji,

3700000 M

2. bezüglich der Senckenbergischen Gesell- schaft als Zuschuß zum Museumsbau auf 800000 Jl

3. bezüglich des Physikalischen Vereins

als Zuschuß zu dessen Neubau auf . 15 1000 JA

festgesetzt wurden, sollten dadurch aufgebracht werden, daß die Stadt den Verkaufserlös für das Senckenbergische Gelände mit 6 230 000 Ji gewährleistete. Die Berichtigung dieser Summe sollte durch Verrechnung der Werte der zu übereignenden Bauplätze an der Viktoria- Allee mit i 530 000 und an der Miquelstraße für den botanischen Garten mit 50 000 Jt erfolgen ; der Restbetrag von 4 650 000 Ji sollte in bar gezahlt werden, während der Wert des Bauplatzes an der Nibelungen-Allee mit 558 000 Ji> seitens der Stiftung mit einer 43 Jahre lang zahlbaren jährlichen Rente von 5580 Ji getilgt werden sollte. Die Stadtkämmerei schätzte nach der Vorlage den Wert des Senckenbergischen Geländes auf 5 756 000 J(> ; nach Abzug der zur Straße zuziehenden Parzellen wurden als verkäuflich 16295 qm bezeichnet, deren Verkauf 5 079 000 Ji ergeben sollte. Ein Betrag von

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474 000 Ji , der Unterschied zwischen dem geschätzten Wert und der gewährleisteten Summe stellte also unter allen Umständen eine Subvention dar. Dieser Zuschuß müßte weniger bedenklich erscheinen, als der Umstand, daß das gesamte Risiko der Verwertung des Areals der Stadt auf- erlegt wurde und dieser nicht nur eine gewisse Unterstützung der Baupläne durch Zuschußleistungen als vielmehr Zahlungen zugemutet wurden, die über den Baubedarf hinaus auf Vermehrung der Stiftungskapitalien hinausliefen.

Man hätte nach der Stellung der Stadtverordneten- Versammlung zu der Vorlage von 1902, die der Stadt kaum nennenswerte Opfer auferlegen wollte, annehmen sollen, daß diese Vorschläge völlig unannehmbar erschienen. Aller- dings wurde durch sie erreicht, vollständig neue, allen An- forderungen entsprechende, der Erweiterung fähige Insti- tute zu erhalten. Aber unbedenklich war neben dem. außer- ordentlichen finanziellen Risiko vor allem nicht, mit solch durchgreifenden Umgestaltungen das historisch Gewordene, die Stiftsgebäude in ihrer hundertjährigen Entwicklung völlig zu beseitigen, ein Wahrzeichen wissenschaftlichen Wirkens aus dem Herzen der Stadt zu nehmen, statt zu versuchen, der geschichtlichen Stätte durch Fortentwick- lung neue Lebenskräfte zuzuführen. Indes diese Bedenken wurden bei der Mehrheit, die das vorige Projekt zu Falle gebracht hatte, kaum laut. Es schien zu genügen, daß in der Vorlage selbst alle Beziehungen zu der bekämpften Jügelstiftung ausgeschaltet waren. Auch die Ausschüsse, denen die Vorlage zur Vorberatung überwiesen wurde, äußerten sich zustimmend. Nach dem erstatteten Bericht wurde zwar der Wert des für städtische Rechnung zu ver- wertenden Geländes, das sich späterhin als fast unverwert- bar erwies, um 300 000 JC niedriger geschätzt, auch der zu erwartende Zinsverlust in Rechnung gestellt, doch wies man demgegenüber auf die Vorteile hin, die der Stadt er- wüchsen und die man hauptsächHch in der Errichtung eines großen modernen Krankenhauses im Nordend und einer Verbesserung der Straßenverhältnisse sah. Als Abänderung

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in dem abzuschließenden Vertrag wurde nur vorgeschlagen, daß bei günstiger Verwertung auch ein Mehrbetrag, der über den Schätzungswert von 6 230 000 M für das Gelände erzielt werde, der Stadt zugute kommen müsse. In der Plenarverhandlung wurden die Anträge der Ausschüsse mit starker Mehrheit angenommen. Auf der Grundlage dieser Beschlüsse konnten nunmehr die endgültigen Verträge zum Abschluß gelangen, die am 30. Juni 1903 der Versammlung zur Genehmigung vorgelegt wurden und die den früheren Vorschlägen entsprachen. Der gewährleistete Verkaufs- erlös für das Senckenberg- Gelände war danach bis 15. Mai 1907 von der Stadt zu zahlen. Hervorzuheben ist hier noch hauptsächlich die Bestimmung, nach der die Senckenberg- sche Stiftung sich verpflichtete für den Bau eines patho- logisch-anatomischen Instituts 500 000 M aufzuwenden und dieses nach einem Gebäude zu verlegen, welches in An- schluß an die von der Stadt herzustellenden Räume für ein Leichenhaus, eine normale Anatomie, gerichtsärztliche Bildungszwecke u. a. m. auf dem Gelände des städtischen Krankenhauses errichtet werden sollte. Zu den Baukosten sollte die Stiftung 150 000 Ji beitragen. Die Ernennung des Dozenten sollte durch die Stiftungsadministration nach näherer Angabe der unter ihrer Mitwirkung für die Aka- demie über die Berufung von Dozenten zu erlassenden Bestimmungen erfolgen. Damit war zugleich der Ausbau der wissenschaftlichen Institute aus dem Gebiete einer medizinischen Fakultät in Angriff genommen und eine erste Verbindung zwischen Senckenbergscher Stiftung und Aka- demie geschaffen. Gleichzeitig wurde bekannt, daß auf dem Gelände der Viktoria-Allee und in unmittelbarem Anschluß an das Bibliotheksgebäude aus Mitteln der Jügel- Stiftung ein Auditoriengebäude errichtet werden sollte. Fast schien es, als ob dies wieder zur Khppe werden sollte, an der die Vorlage scheitern konnte. Man wies darauf hin, daß dies als mittelbare Subventionierung der Jügel-Stiftung erscheinen könne, was wiederum eine Erregung der Bürgerschaft ver- anlassen würde. Der Rechtsausschuß, dem die Vorlage

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zur Prüfung überwiesen wurde, beschränkte sich indes dar- auf, eine Reihe formell-juristischer Abänderungen in Vor- schlag zu bringen und mit diesen Zusätzen gelangte der Vertrag am ii. August 1903 zur Annahme. Der Magistrat konnte am 14. August 1903 der Versammlung mitteilen, daß die endgültige Vereinbarung mit der Senckenbergschen Stiftung entsprechend den gefaßten Beschlüssen getroffen sei. So war nach langen, schwierigen, mit großer Geschick- lichkeit geführten Verhandlungen die Bahn frei für die Ent- wicklung der Institute der Senckenbergschen Stiftung, der Naturforschenden Gesellschaft und des Physikalischen Vereins, wie aber vor allem auch für die Nutzbarmachung der Mittel der Jügelstiftung zugunsten des Ausbaues der Akademie. Mochten die Opfer für die Stadt auch sehr er- hebliche sein, weit erheblichere als die gefallene Vorlage des Jahres 1902 sie vorzuschlagen wagte, mochte man sich viel- leicht der Bedenken historischer und künstlerischer Pietät nicht hinreichend bewußt gewesen sein, es war die Möglich- keit gegeben, allein mit Rücksicht auf die Forderungen wissenschaftlicher Arbeit, die sich große neue Ziele geschaffen hatte, tatkräftig zur Neugestaltung der wissenschaftlichen Institute zu schreiten.

Zur Grundlage für die Neuordnung der Verhältnisse der Akademie konnte nunmehr auch die Jügel- Stiftung ge- nommen werden. Es wurde zwischen ihr und der Akade- mie eine vertragliche Bindung herbeigeführt, wonach sie die Mittel zur Ausbildung einer philosophischen Fakultät durch Dotierung der Lehrstühle für Germanistik, Deutsche Geschichte und Philosophie und Leistung von Beiträgen für die wissenschaftlichen Institute zur Verfügung stellte und weiterhin auf dem von der Senckenbergschen Stiftung in Erbbau übernommenen Grundstück den Bau des Akademie- gebäudes übernahm. Die wechselseitigen Verpflichtungen über die Benutzung dieses Baues wurden nicht ganz unge- künstelt geregelt, indem die Akademie auf der einen Seite eine erhebliche Miete zahlte, auf der andern Seite aber fast den gleichen Betrag als Entschädigung für Verwaltungsaus-

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gaben zurückerhielt. Der Bau fügte sich der mächtigen Gruppe, die auf dem eingetauschten Gelände an der Vik- toria-Allee errichtet wurde, einheitlich an: um die Mitte, die das Museum der Senckenbergischen Naturforschenden Geseilschaft bildete, reihten sich am Kettenhof weg das In- stitut des Physikalischen Vereins, an der Jordanstraße ver- bunden durch den Eckbau der Senckenbergischen Bibliothek das Akademiegebäude, das am 21. Oktober 1906 feierlich eingeweihte Jügel-Haus, an. Es war damit ein Vorlesungs- gebäude mit Hörsälen, Seminaren, Bibliotheksräumen und Aula geschaffen, das wohl bereits über den für die Bedürf- nisse einer Handelsakademie angemessenen Rahmen hinaus- griff und weitere Möglichkeiten der Entwicklung Raum zu bieten schien. An der Front des Mittelbaues geschmückt mit den Reliefs dreier Träger des Deutschen Bildungs- Ideals, des kritischen, des künstlerisch gestaltenden, des zur wissenschaftlichen Forschung und Lehre führenden Meisters, Kants, Goethes und Wilhelm von Humboldts, zeigte der Bau symbolisch als Ziel zur Arbeitsstätte höchster Geistes- kultur zu dienen.

Hinter der prunkvollen Ausgestaltung nach außen blieb die innere Entwicklung der Akademie nicht zurück. Die führende Persönlichkeit Morfs hatte die philologischen Studien in den Vordergrund des akademischen Wirkens gestellt und ihm auf diesem. Gebiete eine gewisse Eben- bürtigkeit mit dem Universitätsunterricht erkämpft, was auch dadurch zum Ausdruck kam, daß die Regierung 1906 den Studierenden der neueren Sprachen eine Anrechnung von zwei an der Akademie verbrachten Semestern auf die vor- geschriebene Studienzeit zubilHgte. Ein Gleiches wurde späterhin bezüglich der Oberlehrerinnen für das Studium der neueren Sprachen verfügt. So war der Akademie ein Sondergebiet gewonnen, das ihr Schüler, die sonst den Studien an den Universitäten oblagen, zuführte. Eine wei- tere Ausgestaltung wurde dadurch ermöglicht, daß die Stadt- verwaltung und das Institut für Gemeinwohl 1907 ihre jährlichen Zuschüsse auf je 75 000 M erhöhten. Die Vor-

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läge des Magistrats, die diesen Antrag brachte, sah die Not- wendigkeit hierfür in dem Bedürfnis, den Unterricht sowohl nach der Seite des handelstechnischen und sprachlichen Unterrichts, als auch nach der naturwissenschaftlich-tech- nologischen und Staats- und rechtswissenschaftlichen Seite weiter auszubilden. Die Forderung blieb zunächst nicht ohne Widerspruch. Abgesehen von prinzipieilen Einwendun- gen, die von sozialdemokratischer Seite gegen den Unter- richtsbetrieb der Akademie erhoben wurden, wurde im Be- richt des Schulausschusses zur Vorlage vor allem bemän- gelt, die Entwicklung habe einen universitären Charakter angenommen und die gesetzte Beschränkung einer Fortbil- dungsakademie überschritten. Der Ausschuß erklärte, zwar wolle er Stiftungsgelder für Universitätszwecke nicht fern- halten, doch sollten städtische Zuschüsse nur für Zwecke der beruflichen Fortbildung Verwendung finden dürfen. Er beantragte zwar Zustimmung zum Magistratsantrag auf Erhöhung der Subvention, fügte jedoch die Einschränkung bei, daß die städtischen Zuschüsse in erster Linie zur Er- haltung und Fortentwicklung des Charakters der Akademie als eines Fortbildungs-Institutes zu verwenden seien. Mit dieser Maßgabe fand der Antrag Annahme.

Dieser Erhöhung des Jahreshaushaltes traten verstär- kend in den nächsten Jahren eine Reihe von Stiftungen hinzu, die namentlich dem Ausbau des Lehrbetriebs auf dem Gebiete der exakten Naturwissenschaften dienstbar gemacht werden konnten. 1908 verstanden sich die Erben des zu Frankfurt verstorbenen Eugen Tornow, eines bekannten Unternehmers auf dem Baumarkt, der selbst naturwissen- schaftliche Neigungen gepflegt hatte, eine Stiftung in Höhe von 470 000 Ji für den naturwissenschaftlichen Unterricht zu errichten. Der in gleichem Jahre in Wirksamkeit tre- tenden Georg-Speyer-Stiftung, auf die noch näher einzu- gehen ist, folgte 1910 eine Stiftung von 300 000 Ji durch Dr. Arthur von Weinberg. So konnte, nachdem neben der Dozentur für Chemie bereits seit 1906 ein physikalischer und ein elektrotechnischer Lehrstuhl am Physikalischen

Die GründunsT der Universität Frankfurt a. M. 4

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Verein von der Akademie unterhalten wurde, ein vierter Lehrstuhl für physikahsche Chemie und Metallurgie begrün- det werden. Faßt man die endgültige Entwicklung der Akademie vor ihrer Überführung in die Universität ins Auge, so weist der Bericht für das Verwaltungsjahr 1912/13 zwan- zig ordentliche Dozenturen auf, davon 3 für Volkswirt- schaft, 2 für Jurisprudenz, 6 für Mathematik und Natur- wissenschaften, 6 für Philologie, Philosophie und Geschichte, 3 für Handels Wissenschaften. 2 Lehrstühle für Rechtswissen- schaft waren unbesetzt. Daneben nennt das Vorlesungs- verzeichnis IG Privatdozenten und eine Reihe von Assisten- ten und Lehraufträgen, die nebenamtHch ausgeübt wurden. An Seminaren war ein volkswirtschaftliches, ein geographi- sches, ein öffentlich-rechtliches, ein privatrechtliches, ein versicherungswissenschaftliches, ein statistisches, ein handels- wissenschaftliches vorhanden, weiter ein Seminar für Handels- lehrer, eines für Philosophie und Pädagogik, ein histo- risches, ein germanistisches, ein romanisches und ein eng- lisches Seminar sowie ein Institut für Psychologie. Eine besonders reiche Ausstattung wies von ihnen namentlich infolge der von Geheimrat Otto Braunfels, in Erinnerung an den durch seine Studien auf dem Gebiete der spanischen Literatur bekannten Frankfurter Anwalt Dr. Braunfels ins Leben gerufenen ,,Dr. Ludwig-Braunfels- Stiftung für ro- manische Philologie" das romanische Seminar auf. Die Zahl der Besucher betrug im Wintersemester 1912/13 an ordentlichen Hörern 416, an Hospitanten 523 und an Hörern, die nur einzelne Stunden belegten, 621. Der Jahresetat balancierte in Einnahme und Ausgabe mit 802 990 M, wo- von auf die ordenthchen Jahreseinnahmen 425 130 Ji ent- fielen.

Die Speyerschen Stiftungen

Von entscheidender Bedeutung für die Weiterent- wicklung wurde, daß mit dem 1910 erfolgten Tode der Witwe des Bankiers Georg Speyer bedeutende neue Stiftungen für wissenschaftliche Zwecke verfügbar wurden. Die Geschichte der wissenschaftlichen Anstalten Deutschlands wird kaum ein zweites Beispiel gleicher Freigebigkeit aufweisen. Die schon erwähnte, mit einem ursprünglichen Stiftungskapital von 1000000,1c ausgestattete ,,Georg-und-Franziska-Speyer- sche-Studien-Stiftung" hatte am 3. März 1902 die landes- herrliche Genehmigung gefunden. Ihr Statut datiert vom 31. Dezember 1901. Nach dieser Satzung sollen ihre Ein- künfte verwandt werden, um Lehrstellen sowie wissen- schaftliche Arbeitsstätten im Anschluß an Frankfurter wissen- schaftliche Instituten zu begründen und zu unterhalten, sowie solchen wissenschaftlichen Instituten Zuwendungen zu machen. Für die Besetzung der Stellen des Vorstandes, in dem neben den beiden Bürgermeistern der Stadt Frank- furt zur Gewährleistung der vorgeschriebenen konfessionellen Gleichberechtigung der Vorstand der Israelitischen Ge- meinde vertreten ist, ist den Vorständen der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaft, des Physikalischen Vereins und der Dr. Senckenbergschen Stiftung ein Wahlrecht gegeben und damit hier eine neue Verbindung dieser Institute ge- schaffen.

Im Jahre 1904 erfolgte eine Erweiterung der Stiftung, indem von Frau Speyer für die Zwecke der Errichtung und Unterhaltung eines ,, Georg- Speyer-Hauses" ein weiteres Kapital von i 000 000 M zugesagt wurde. Anläßlich des Todes von Frau Speyer im November 1909 schenkten die

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Testamentsvollstrecker des Georg Speyerschen Nachlasses der Stiftung aus einem Betrage, der für diesen Fall vom Erblasser für gemeinnützige und wohltätige Zwecke be- stimmt war, ein weiteres Kapital von 2000000 Ji, dessen Erträgnisse zur Hälfte für Zwecke des Georg- Speyer-Hauses verwendet werden sollten. Auch sagten die Testaments- vollstrecker der Akademie als Ersatz für bisherige Leistun- gen von Frau Speyer eine jährliche Rente von 15 000 M zu. In seinem Testament vom 3. April 1900 hatte Georg Speyer sodann die Stadt Frankfurt seinem Sohne zum Nach- erben in Höhe eines Neuntels der Nachlaßmasse eingesetzt. Weiter sollte beim Ableben der Witwe die Stadt bereits V54 des Nachlaßvermögens erhalten und drittens sollte die Stadt von diesem Zeitpunkt mit dem Betrag von V54 an den Nettoeinkünften des Vermögens beteiligt sein. Diese Beträge sind der Stadt mit der Auflage vermacht, eine Stiftung zu milden oder gemeinnützigen Zwecken unter dem Namen ,, Georg Speyersche Stiftung" zu begründen. Bei der Verwaltung wie bei den Leistungen der Stiftung darf kein Unterschied mit Rücksicht auf das Glaubensbekenntnis ge- macht werden. Bei der Verwaltung sind eine bestimmte Anzahl von Sitzen jüdischen Mitghedern vorzubehalten. Bereits zu Lebzeiten der Witwe des Erblassers wurde die Stiftung vom Magistrat der Stadt begründet, dem Frau Speyer zu diesem Zwecke ein Gründungskapital von 100 000 Ji zur Verfügung stellte. Nach der vom 25. Juni 1907 datierten Satzung, die durch Erlaß vom 10. März 1908 die landes- herrliche Genehmigung erhielt, setzt sich das Stiftungsver- mögen entsprechend den testamentarischen Bestimmungen neben dem Gründungskapital aus der später anfallenden Nacherbschaft von einem Neuntel des Nachlasses und aus dem beim Tode der Witwe anfallenden V.54 desselben zu- sammen. Weiter fließt ihr der Anteil an den Erträgnissen des Nachlasses zu. Zweck der Stiftung ist die Förderung der Wissenschaft und des höheren wissenschaftlichen Unter- richts durch Vermittlung der. Akademie oder der später etwa an ihre Stelle tretenden Anstalt. Die Erträgnisse sind

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demgemäß jährlich der Akademie, beziehungsweise der an ihre Stelle tretenden Anstalt zu zahlen. Die Überweisun- gen sind dadurch bedingt, daß bei der Verwendung der Stif- tungsbeiträge kein Unterschied in Bezug auf Religion oder Konfession gemacht wird, und daß jederzeit mindestens zwei Mitglieder des Stiftungsvorstandes dem obersten Ver- waltungsorgan der Anstalt angehören. Der Vorstand besteht aus 6 Mitgliedern. Die Stiftung besitzt keine eigne Rechts- persönlichkeit; ihre Verwaltung und Rechnungsführung wird vom Rechneiamt der Stadt besorgt.

Mit dem Tode der Witwe des Erblassers 1909 gelangte die Stiftung gemäß den testamentarischen Bestimmungen in den Genuß eines Teiles des Nachlaß Vermögens, indem ihr das zu diesem Zeitpunkt fällige ^^ermächtnis mit 575 244,1c überwiesen wurde.

Die Stiftungsbestimmungen zeigen deutlich die Ziele, die verfolgt wurden, die Neugestaltung der Frankfurter wissenschaftlichen Anstalten und ihre Zusammenfassung. Mit den Mitteln, die nunmehr vor allem aus der Georg- Speyer-Stiftung flössen, war die Möglichkeit dazu gegeben.

Die Ausgestaltung der Naturwissenschaftlichen Institute

Der Einweihung des Jügelhauses folgte in der großen Neubaugruppe am 28. Februar 1907, dem zweihundert] ähri- gen Geburtstage des Stifters, zunächst die der Senckenberg- schen Bibhothek, die im Laufe des Sommers der öffent- hchen Benutzung übergeben wurde. Im Herbste des gleichen Jahres fand die feierliche Eröffnung des Museums der Naturforschenden Gesellschaft statt. Die Bezeichnung Mu- seum erschöpft die Zweckbestimmung des umfassenden Ge- bäudes nicht, das neben den Schausammlungen aus den Gebieten der Mineralogie, Geologie, Paläontologie, Zoologie und Botanik reiche systematische Sammlungen als Studien- material wissenschaftlicher Arbeiten, Laboratorien und Hör- säle enthält, sodaß es ein Institut für die gesamten be- schreibenden Naturwissenschaften darstellt. An Baukosten wurden i 200 000 M aufgewendet, wovon durch die Grund- stücksveräußerung 800 000 zur Verfügung standen, wäh- rend 400 000 M von Mitgliedern und Freunden der Gesell- schaft gestiftet wurden. Auch für die innere Einrichtung wurde ein erheblicher Betrag freiwillig gespendet. Es kann hier die reiche wissenschafthche Arbeit der Gesellschaft nicht wiedergegeben werden. Von Bedeutung ist im Zusammen- hang dieser Darstellung wesentlich die Organisation des Lehrbetriebs. Die Gesellschaft unterhielt zu Ende 1913 fünf hauptamtliche Dozenturen für Botanik, Zoologie, Mine- ralogie, Geologie und Paläontologie. Den Dozenten standen zahlreiche Sektionäre zur Seite. So war auch hier eine wissenschaftliche Organisation für das Gebiet der beschrei- benden Naturwissenschaften gegeben, die materiell mit allen

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Arbeitsmitteln ausgerüstet einer universitas litterarum ein- gegliedert zu werden würdig war.

Als letzter der großen wissenschaftlichen Bauten schloß mit seiner Vollendung im Januar 1908 das Institutgebäude des Physikalischen Vereins den Reigen. Das Gebäude am Kettenhofweg, das einen Gesamtaufwand von runi I 500 000 Jl, erforderte, umfaßte bei seiner Eröffnung fünf Institute, das chemische, das elektrotechnische, das physi- kalische, das meteorologische Institut und die Sternwarte. In diesen neuen Räumen konnte bald reiches wissenschaft- liches Leben und Streben zur Entwicklung gelangen. Die meteorologische Abteilung, die den staatlichen Wetterdienst versieht, konnte durch Angliederung einer aerologischen Station und eines seismographischen Observatoriums bereits 1908 zu einem geophysikalischen Insitut erweitert werden. Ein sechstes Institut wurde für physikalische Chemie und Metallurgie geschaffen, dessen Dozentur von der Akademie mit Hilfe der Stiftung von Dr. Arthur von Weinberg unter- halten werden konnte. Im Vereins] ahr 1910/11 wurde die Er- bauung eines geophysikalischen Instituts auf dem Kleinen Feldberg in Angriff genommen. Auch konnte ein unter die selbständige Leitung eines Privatdozenten gestelltes Labora- torium für wissenschaftliche Photographie dem physikali- schen Institut angegliedert werden. Die Zahl der beitragen- den Mitglieder betrug im Vereinsjahr 1912/13 über 1000. Die Jahresrechnung belief sich auf rund 190000 Ji, wäh- rend die Bilanz einen Vermögensbestand von i 156 000 M aufwies. Im Physikalischen Institut arbeiteten an Prak- tikanten 35, im chemischen Institut 135, im elektrotech- nischen 10. An der Sternwarte konnte 1912 ein Planeten- Institut zur Beobachtung der Bewegungen der kleinen Planeten gegründet werden, für das die Georg-und-Fran- ziska-Speyer- Stiftung und die Kgl. Gesellschaft der Wissen- schaften in Göttingen Beiträge leisteten. So erstreckt sich die Arbeit des Vereins über das weite Gebiet der Forschung des Unterrichts und der Praxis aus den Gebieten der exak- ten Naturwissenschaften von der F()rderung des Klein-

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gewerbes im Blitzableiterbau und der Unterweisung des gewerblichen Elektrotechnikers an bis zu den Forschungen über die letzten Fragen der neueren Physik und reinen Mathematik. Auch hier waren alle Voraussetzungen ge- geben, Forschung und Lehre auf dem rein wissenschaftlichen Gebiete in die Organisation überzuführen, wie sie sonst in Deutschland gegeben ist.

Die medizinischen Institute

Das erste Forschungsinstitut auf dem Gebiete der Medizin, das der Senckenbergischen Anatomie zur Seite trat, war das Institut für experimentelle Therapie, das für Frank- furt insbesondere dadurch von Bedeutung war, daß es Paul Ehrlich hierher führte ^) . Infolge der Entdeckung des Diphtherieserums durch Behring war es 1895 erforderlich ge- worden zur Überwachung der in den Handel gebrachten Serumpräparate eine staatliche Kontrollstation zu errich- ten. Ursprünglich dem Kgl. Institut für Infektionskrank- heiten angeschlossen, wurde das Institut als selbständige Anstalt (Institut für Serumforschung und Serumprüfung) nach Steglitz bei Berlin verlegt. Als durch die zunehmenden Arbeiten eine Vergrößerung erforderlich wurde, nahm Ober- bürgermeister Adickes, wohl angeregt durch den Anatomen der Senckenbergischen Stiftung, Weigert, Gelegenheit, mit dem Ministerialdirektor im Kultusministerium Althoff in Verhandlungen wegen Verlegung des Instituts nach Frank- furt zu treten. Als Ergebnis dieser Verhandlungen konnte der Magistrat im März 1897 der Stadtverordneten- Versamm- lung eine Vorlage unterbreiten, die den Ausbau zu einem Institut für experimentelle Therapie und dessen Verlegung nach Frankfurt vorsah. Die Stadt sollte einen Bauplatz kostenlos zur Verfügung stellen, die Baukosten im Anschlage von 80 000 Ji tragen und einen jährlichen Zuschuß von IG 000 M zu den Betriebskosten leisten. Als Gegenleistung sollte das Institut die bakteriologischen Untersuchungen an den städtischen Krankenhäusern übernehmen. Auch war

*) Ehrlich, Das Kgl. Institut für experimentelle Therapie und das Georg-Speyer-Haus. Frankf. Zeitung vom .25. Okt. 1914.

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die Abhaltung wissenschaftlicher Kurse für Ärzte in Aus- sicht gestellt. Zur Begründung für die Übernahme der nicht unerheblichen Opfer für ein staatliches Institut wurde auf die Bedeutung hingewiesen, die das unter die Leitung eines hervorragenden Gelehrten zu stellende Institut und da- mit war auf die Person Ehrlichs hingewiesen für die Entwicklung der ärzthchen Praxis und Wissenschaft haben werde. In wirkungsvoller Weise trat Weigert in einem Vortrag im ärztlichen Verein für die Vorlage ein. Die Stadt- verordneten-Versammlung gab auf einen vom Bankier Theodor Stern für den Finanz- Ausschuß erstatteten Bericht, der vorzüglich auf die Einwirkung auf das wissenschaft- liche Leben Frankfurts hinwies, am 6. April 1897 ihre Er- mächtigung zu dem Abschluß eines Vertrages auf der Grund- lage des Magistratsvertrags. Die endgültige Aufstellung der Baupläne machte eine Erhöhung der zu bewilligenden Bau- summe um fast 45 000 Ji erforderlich, was im Mai des fol- genden Jahres gleichfalls die Zustimmung der städtischen Behörden fand. So konnte 1899 das ,,Kgl. Institut für experimentelle Therapie" unter der Leitung von Ehrlich er- öffnet werden. In erster Linie war es bestimmt zur Kon- trolle der Serumpräparate. Daneben wurde bei Eröffnung des Instituts eine bakteriologisch-hygienische Abteilung an- geghedert, die der Leitung Neissers unterstellt und den öffent- lich-hygienischen Aufgaben dienend mit Gründung des städti- schen Hygienischen Instituts zur Auflösung kam. Die wesentliche Bedeutung des Instituts lag indessen in der rein wissenschaftlichen Forschungstätigkeit auf dem Gebiete der Immunitätslehre, der Ehrlich die Richtung gegeben hatte. Diese Arbeiten leiteten über zu solchen auf dem Gebiete der Chemotherapie, für das erweiterte Arbeitsmög- lichkeiten zu finden das Streben Ehrlichs ging. Solche wur- den dem großen Forscher 1906 mit der Gründung des Georg Speyer-Hauses geschaffen, auf dessen Entstehung im Zu- sammenhang mit den übrigen wissenschaftlichen Instituten noch einzugehen ist und durch das ihm die Stätte bereitet wurde, in der er mit der Umsetzung seiner theoretisch-experimen-

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teilen Forschungen in die Praxis die Krönung seiner Ar- beit finden durfte.

Bei Einleitung der Verhandlungen über die Verlegung des Seruminstitutes nach Frankfurt ging der Leiter der Stadtverwaltung wohl schon von dem Gedanken aus, daß das Institut nicht isoliert für sich bestehen bleiben, daß es vielmehr nur der Vorläufer für neue Forschungsstätten auf dem Gebiete der Medizin sein w^rde. Das städtische Kran- kenhaus befand sich im Stadium der Neuorganisation. Es ergab sich die Notwendigkeit, die spezialistische Behand- lung, wie sie sich an den Universitätskliniken gebildet hatte, zur Durchführung zu bringen, wenn anders die städtischen Einrichtungen, die die Bevölkerung der wachsenden Groß- stadt versorgen sollten, in ihrer Leistungsfähigkeit nicht hinter den Behandlungsmöglichkeiten der Universität zu- rückbleiben sollten^). Es galt daher planmäßig ein Pro- gramm für die Einrichtung von Spezialkliniken aufzustellen. Hand in Hand ging damit der Gedanke, der bei Gründung der Akademie für die Gebiete der Staatswissenschaften im Vordergrund stand: die Fortbildung bereits im Berufe stehender Praktiker. Die Umgestaltung des Krankenhauses sollte zugleich zum Anlaß der Bildung einer Akademie für praktische Medizin genommen werden. In einer Mitteilung vom 29. Juli 1902 teilte der Magistrat der Stadtverordneten- Versammlung mit, daß von privater Seite erhebliche Geld- mittel für eine planmäßige Fortentwicklung der Frankfurter medizinischer Anstalten unter der Bedingung in Aussicht gestellt seien, daß die betreffenden wissenschaftlichen In- stitute mit den städtischen Krankenanstalten zusammen zu einer ,, Akademie für praktische Medizin" vereinigt würden. Der Magistrat sah indes davon ab, seinerseits sofort mit Vorschlägen an die Versammlung heranzutreten, sondern schlug vor, zur Vorberatung über die Ausgestaltung der me- dizinischen Anstalten eine aus Mitgliedern des Magistrats und

') Woell, Die Frankfurter Universitätskliniken und die mit ihnen verbundenen städtischen Institute. Frankf. Zeitung v. 25. Okt. 1914.

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der Stadtverordneten-Versammlung bestehende Kommission einzusetzen, der hiernach die Aufstelkmg eines Programmes für die künftige Organisation obliegen solle. Die Versamm- lung stimmte der Einsetzung einer solchen Kommission zu, die zu Ende des Jahres ihren Bericht erstattete. Dieser Bericht führte in seiner Einleitung aus, daß nach allseitig im Ausschuß geteilter Überzeugung die Errichtung einer Akademie für praktische Medizin sowohl im Interesse der Ausbildung der jüngeren Ärzte und der Förderung und He- bung des wissenschaftlichen Lebens auf dem Gebiete der Medizin liege, als auch infolge der in Aussicht gestellten Zuwendungen ohne erhebliche Belastungen für die Stadt durchgeführt werden könne. Der Bericht sucht das bestehende Bedürfnis für Fortbildungsakademien zur wissenschaft- lichen Förderung der in der Praxis stehenden Arzte eingehend darzutun und verweist namentlich auf entsprechende Ein- richtungen des Auslands. Es wird auf die bereits bestehenden Anstalten , das Senckenbergische pathologisch - anatomi- sche Institut, das Institut für experimentelle Therapie, das städtische Krankenhaus mit seinen drei Stationen, medizi- nische, chirurgische und Hautkranken- Station, Siechenhaus und Anstalt für Irre und Epileptische hingewiesen. Dazu sei die Ausbildung einer Reihe von Spezial-Kliniken erfor- derlich, wie insbesondere einer Frauenklinik mit einer ge- burtshilflichen und einer gynäkologischen Abteilung, einer Augenklinik, einer Hals- und "Ohren- und Nasenklinik und einer Kinderklinik. Zur Vervollständigung für den Lehr- betrieb fehlten einige wissenschaftliche Anstalten, ein phy- siologisch-chemisches, ein pharmakologisches und ein hygi- enisches Institut. Für die beiden ersteren Institute wird in Aussicht genommen, sie aus den Mitteln der Stiftung zu unterhalten, die 1901 in Erinnerung an den verstorbenen Bankier und Stadtverordneten Theodor Stern dessen Gattin mit einem Stiftungskapital von 500000 M als ,, Theodor Stern 'sehe Stiftung" für medizinische Zwecke begründet hatte. Das hygienische Institut sollte mit dem bereits früher in Aussicht genommenen städtischen Lebensmittel-Unter-

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suchungsamt verbunden werden und daher auf städtische Kosten übernommen werden. Ein Zentralgebäude für die Akademie selbst sollte aus einer Zuwendung, die die Witwe des Bankiers Georg Speyer in Höhe von i ooo ooo M in Aussicht gestellt habe, erbaut werden. Der Bericht stellt dann für die eigentlichen Krankenhausbauten ein Programm auf, unter denen auch eine für die modernen Heilmethoden der Therapie (Licht, Wasser, Gymnastik etc.) bestimmte, aus Zuwendungen von Charles Hallgarten zu errichtende Anstalt aufgeführt wird. Der Antrag, der gestellt wird, lau- tet dahin:

Die städtischen Behörden mögen sich damit einverstanden erklären, daß

1. mit einem städtischen Gesamtaufwand von 2 250 ooo J(o

a) das städtische Krankenhaus durch den Bau weiterer Kranken- räume und Anlagen um 450 Betten vergrößert,

b) ein städtisches hygienisches Institut errichtet,

c) wegen gemeinsamer Errichtung einer Anatomie mit der Dr. Senckenbergischen Stiftung eine Vereinbarung getroffen und

2. durch Zusammenwirken von Staa't, Stadt und den im Bericht ge- genannten Stiftungen eine ..Akademie für praktische Medizin" begründet werden.

In der Debatte vom 16. Dezember 1902 wurden wohl eine Reihe von Einwendungen erhoben, doch wurde kein prinzipieller Widerspruch gegen die Vorlage vorgebracht. Die Abstimmung ergab ihre Annahme, und der eingesetzte Ausschuß wurde mit der weiteren Ausarbeitung im Ein- vernehmen mit der Anstalts-Deputation beauftragt.

Auf Grund dieses vorbereitenden Beschlusses konnte nunmehr in Verhandlungen mit den beteiligten Stiftungen und in eine Ausarbeitung der Baupläne eingetreten wer- den. Diese Arbeiten beanspruchten einen längeren Zeit- raum. Ihr Ergebnis ist niedergelegt in dem Bericht des Ausschusses, den dieser am 6. Juli 1904 erstattete. Danach war die Georg-und-Franziska- Speyer- Stiftung bereit, die Errichtung und Unterhaltung eines Akademiegebäudes zu übernehmen, das die Rektorats- und Verwaltungsräume, BibHothek, Aula und Nebenräume enthalten sollte. An dieses

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den Namen ,, Georg Speyer - Haus" tragende Gebäude sollte sich ein Gemeinschaftsbau zur Aufnahme des hygieni- schen, des chemisch-physiologischen und des pharmakolo- gischen Instituts anschließen. Das pharmakologische Insti- tut zu unterhalten, war die Th. Sternsche Stiftung bereit, das chemisch-physiologische Institut sollte mit städtischem Zuschuß für das Nahrungsmittel-Prüfungsamt die Speyer'- sche Stiftung unterhalten. Die Senckenbergsche Stiftung war bereit, gemeinsam mit der Stadt ein Anatomiege- bäude für das pathologisch-anatomische und das neurologi- sche Institut, Seziersäle, Hörsaal und Leichenhaus zu er- richten. Mit der von dem 1892 verstorbenen Freifräulein Louise von Rothschild begründeten Stiftung ,,Carolinum", die in einem Hause der Bürgerstraße eine Zahnklinik betrieb, war eine Vereinbarung in Aussicht genommen, wonach die Stiftung auf dem Krankenhausgelände gegen Übernahme ihres Hauses durch die Stadt ein Gebäude errichten sollte, das für ihre Zahnklinik, sowie für die beiden städtischen Kliniken für Ohrenkrankheiten und für Hals- und Nasen- krankheiten bestimmt war. Eine weitere Vereinbarung war mit der 1845 von den Frankfurter Ärzten Dr. Appia, Dr. G. Paßavant und Dr. W. Stricker gegründeten Augenheil- anstalt, die Allerheiligenstraße 19 a ein kleines Kranken- haus für Augenkrankheiten unterhielt, in Aussicht genom- men. Die Anstalt sollte der Stadt ihr Gebäude überlassen, die Stadt ihre stationäre Khnik übernehmen. Eine Poli- klinik sollte die Anstalt weiter in dem bisherigen, durch Er- richtung einer Frauenklinik freiwerdenden städtischen Ent- bindungshaus betreiben.

An Bauten zur Erweiterung des städtischen Kranken- hauses waren vorgesehen

a) Ausbau der inneren Khnik

b) Krankenhaus für Gynäkologie und Geburtshilfe

c) Krankenhaus für Kinder der inneren Station

d) Krankenhaus für hautkranke Kinder

e) Krankenhaus für Privatkranke

f) Epidemiebaracke

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g) Krankenhaus für Prostituierte

h) Aufnahme-Abteilung und therapeutische Anstalt,

i) Saalgebäude mit Kapelle und Schwesternwohnhaus

k) verschiedene Verwaltungsgebäude.

Für das Kinderkrankenhaus der inneren Station stand eine Stiftung des Bankiers Otto Braunfels in Höhe von 150000 ./{. , für die therapeutische Anstalt eine Stiftung von Charles Hallgarten in Höhe von 200 000 Ji zur Verfügung. Der vorläufige Kostenanschlag für die Errichtung der Ge- bäude belief sich auf 5 352 000 M wovon aus Stiftungs- mitteln 1600000 Ji aufgebracht werden sollten.

Die \'orschläge wurden von der Stadtverordnetenver- sammlung zunächst zur Prüfung der Bauskizzen dem Hoch- bau-Ausschuß überwiesen, der in Gemeinschaft mit dem gemischten Ausschuß in eine nochmalige Beratung eintrat und mit unbedeutenden bautechnischen Abänderungen die Annahme der Vorlage empfahl.

Die Vorlage verriet die Meisterhand eines Organisators, der verstand einerseits die Reihe -kleiner, in ihrem Wirkungs- kreis beschränkter Anstalten zu einer großen bedeutenden Einheit zusammenzufassen, andrerseits eine übermäßige Be- lastung der öffentlichen Finanzen durch die neuen Anstalten dadurch zu mildern, daß man wiederun opferfreudige Geber zu großartigen Zuwendungen zu bewegen verstanden hatte. Da das Programm in seinen beiden Zielpunkten, der Ent- wicklung von Spezialkliniken und der Akademie, bereits 1902 von der städtischen Vertretung gebilligt worden war, hätte man die Zustimmung zu den Anträgen der Ausschüsse er- warten sollen. In der Stadtverordneten-Versammlung stießen sie indes jetzt auf heftigen Widerspruch. Es wurden sei- tens des Wortführers der demokratischen Partei vor Allem finanzielle Bedenken erhoben, auch das Akademieprojekt einer prinzipiellen Kritik unterzogen, die auf den Einwand begründet wurde, daß hier eine dem Staat auf seine Kosten obliegende Aufgabe gegeben sei. Die Sozialdemokratie forderte an Stelle des Ausbaus eines Zentralkrankenhauses eine Dezentralisation und die Errichtung kleiner Bezirks-

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krankenhäuser. Die Versammlung kam schließlich zu einem aufschiebenden Beschluß, indem sie die Vorlage nochmals an den Ausschuß mit der Auflage zurückverwies, sie in einer die städtischen Zuschüsse verringernden Form im Rahmen des am ii. Dezember 1902 gefaßten Beschlusses wieder vorzulegen ; zugleich wurde eine Reihe statistischer Unterlagen und finanzieller Berechnungen verlangt.

Auf diesen Beschluß war nicht ohne Einfluß geblie- ben, daß mittlerweile eine ziemlich starke Bewegung gegen das Akademieprojekt zutage getreten war, die namentlich von der Ärzteschaft ausging. In Verfolg dieser Bewegung faßte der Ärztliche Verein am 26. September 1904 eine Resolution, in der er die Forderung des ärztlichen Fort- bildungswesens durch die Stadt auf der Grundlage der bis- herigen Fortbildungskurse für dankenswert bezeichnet, sich aber gegen die Errichtung einer Akademie ausspricht, weil eine Verschmelzung der Akademie mit einem einzelnen Krankenhause ohne Berücksichtigung der übrigen bedenk- lich erscheine, die der Akademie vorgezeichnete Aufgabe der Ausbildung junger Ärzte während des praktischen Jahres und der Fortbildung praktischer Ärzte durch die bestehen- den Krankenhäuser besser erfüllt werden könnte, auch Er- fahrungen über Fortbildungsakademien zur Zeit nicht vor- lägen. Die Resolution sieht endlich das Wohl der Patien- ten in dezentralisierten, gleichwertigen Hospitälern besser gewahrt als in einem Krankenhaus mit Spezialkliniken. Die Motive zu dieser Resolution weisen darauf hin, daß die Zen- tralisierung der Lehrmittel in dem vorgesehenen Umfang die Gefahr einschließe, die Krankenbehandlung dem Lehrzwecke unterzuordnen, daß die Bildung eines Zentralkrankenhauses die übrigen Krankenanstalten in ihrem Rang herabdrücke, und die individuelle Behandlung bei wachsendem Umfange der Krankenhäuser beeinträchtigt werde. Dem Vorgehen der Ärzte schlössen sich die Krankenkassen der Stadt an, die in einer von 41 Krankenkassen unterzeichneten, an die städtischen Behörden am 28. September 1904 gerichteten Eingabe gleichfalls ersuchten, von der Vergrößerung des

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städtischen Krankenhauses abzusehen und einen Ausbau von Bezirkskrankenhäusern forderten. Auch diese Eingabe wird hauptsächhch damit begründet, daß kleinere Anstalten besser eine individuelle Behandlung ermöghchten.

Zur Klarlegung seines Standpunktes erließ darauf am 4. Oktober 1904 der gemischte Ausschuß von Magistrat vmd Stadtverordnetenversammlung, der mittlerweile seine Arbeiten fortgesetzt hatte, eine Erklärung in den Zeitungen. Diese stellt gegenüber einer Bemerkung in den Motiven zu dem Beschluß des Ärzthchen Vereins zunächst fest, daß der Vor- sitzende des Arztetags in Rostock sich nicht gegen Akade- mieen ausgesprochen habe, daß die Befürchtung der Fol- gen einer Verschmelzung der x\kademie mit einem Kran- kenhause grundlos sei. daß ein Antrag über Errichtung einer Akademie zur Zeit nicht vorliege, deren Errichtung vielmehr bereits 1902 grundsätzhch beschlossen worden sei. Sie führt schließlich in eingehender Darlegung aus, daß die finanziellen Aufwendungen seitens der Stadt durch das Akademie-Projekt nur unwesentlich beeinflußt würden, und verweist auf das dringende Bedürfnis der Errichtung der Spezial-Krankenanstalten. Die Eingaben führten zu noch- maligen eingehenden Debatten in der Stadtverordneten- versammlung am II. und 20. Oktober, ohne daß indes eine Beschlußfassung erfolgte. Die Öffentlichkeit -beschäftigte sich weiter lebhaft mit der Angelegenheit. Ein in der Frank- furter Zeitung am 26. Oktober 1904 anonym von einem Arzte veröffentlichter Aufsatz sucht den Eindruck, den der Widerspruch des Ärztlichen Vereins gegen die Errichtung wissenschaftlicher Institute weithin hervorgerufen hatte, abzuschwächen und dieses Votum zu erklären. Der Ein- sender scheint zwar die Errichtung einer Universität zu be- fürworten, sieht hierin aber eine Verpflichtung des Staates, der sich zu unterziehen die Stadt keine Veranlassung habe. Er betont im übrigen stark die materiellen Interessen des Arztestands. Die Schaffung von Akademieprofessuren habe eine Degradation der übrigen xÄ.rzte zur Folge und gebe den Inhabern der Dozenturen im Auge des Publikums eine un-

Die Gründung der üniveisität Frankfurt a. M. 5

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gerechtfertigte Vorzugsstellung. Dies sei in Universitäts- städten bezüglich der Professoren von geringerer Einwir- kung, da diese durch stärkere Lehrtätigkeit und wissenschaft- liche Arbeit der Privatpraxis in höherem Grade entrückt seien. Der Einsender befüi^wortet schließlich das Akademie- projekt, aber nur unter der Voraussetzung, daß den Dozen- ten die Ausübung nichtamtlicher Tätigkeit verschlossen werde. Eine scharfe Kritik übte auch der ärztliche Referent in einer Ende Oktober vom Demokratischen Verein einbe- rufenen öffentlichen Versammlung. Das Bedürfnis einer Akademie wurde verneint, in den Vordergrund wurde aber vor Allem die zu erwartende Einmischung und Beaufsich- tigung des Staates gestellt, die das Verfügungsrecht der Stadt an ihren eignen Anstalten in Frage stelle. Die Dis- kussionsredner, unter denen vorwiegend Ärzte zu Worte kamen, stellten sich fast durchweg auf einen ablehnenden Standpunkt. Im Gegensatz hierzu suchte der Verfasser in einem eingehenden Vortrag die öffentHchkeit für die ge- planten wissenschaftlichen Institute zu gewinnen. Er ver- suchte durch eine Darstellung der gesamten bisherigen Be- strebungen zur Fortbildung der wissenschaftlichen Anstalten deren Bedeutung für die Entwicklung der Stadt darzulegen, er lehnte zwar eine Neuorganisation im Sinne der Bildung von gelehrten Fachschulen ab, sondern bezeichnete wie in seiner früheren Broschüre über die Jügelstiftung als End- ziel der zu errichtenden wissenschaftlichen Institute die Aus- bildung zur Universität, für die die Voraussetzung in weitem Umfange bereits gegeben seien. Auch die materiellen Auf- wendungen der Stadt könnten nur durch diese letzte Ent- wicklung, zu der man den Mut finden müsse, ausgeglichen werden. Gegenüber diesen Ausführungen wurde von Ärzten, die in der Versammlung anwesend waren, heftiger Wider- spruch erhoben, während von andrer Seite politische Ein- wendungen, die sich gegen die Tendenzen der Preußi- schen Unterrichtsverwaltung richteten, hervorgehoben wur- den. Die Stimmung, die in alledem, Presseäußerungen, Versammlungen, Resolutionen interessierter Korporationen

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zum Ausdruck kam, konnte nicht ohne Bedeutung für die Behandlung der vorHegenden Fragen bleiben, und sie war namentlich von Einfluß für die Aufnahme, die die späteren weitergehenden Vorschläge bei der Bürgerschaft fanden.

Auch der Ausschuß zur Vorberatung der Ausgestaltung der medizinischen Anstalten Frankfurts, der mittlerweile seine Arbeiten fortsetzte, konnte sich diesen Einflüssen nicht entziehen. Seine Beratungen, die zu einstimmigen Beschlüssen nicht führten, nahmen geraume Zeit in x-Yn- spruch. Sie brachten erst im Frühjahr des folgenden Jahres ein Endergebnis, das in dem vom 30. August 1905 datierten Mehrheitsbericht niedergelegt ist. Der Bericht, der ein- gangs darauf hinweist, daß schon bei der Konsolidation des Geländes an der Forsthausstraße die Grundfläche zwischen Garten-, Eschenbach- und Sandhofstraße der Erweiterung des Krankenhauses vorbehalten und ein Streifen an Sandhof- und Eschenbachstraße bis 50 m Tiefe für Errichtung wissen- schaftlicher Institute und Kliniken bestimmt wurde, gibt zunächst eine geschichthche Darstellung der Behandlung der Vorlage seit 1902. Er beschäftigt sich dann mit den Ein- wendungen gegen die Akademiegründung. Als Endergebnis der Beratungen wird festgestellt, daß auch die Freunde des Akademiegedankens darüber einig seien, daß die bisher in Düsseldorf und Köln getroffene Organisation der Akade- mieen und das weitgehende Bestimmungsrecht der Regierung für die Frankfurter Verhältnisse nicht geeignet sei, daß des- halb zur Zeit eine abwartende Stellung geboten sei und man von der Stellung von Anträgen wegen Errichtung einer Akademie und Bildung eines akademischen Lehrkörpers absehe.

Dagegen wurde neben der Weiterentwicklung der ärzt- lichen Fortbildungskurse die Errichtung einer Reihe der geplanten wissenschaftlichen Institute in Vorschlag gebracht, und zwar außer dem pathologischen Institut der Sencken- bergischen Stiftung ein von der Georg-und-Franziska-Speyer- Stiftung zu errichtendes selbständiges Institut sowie ein hygienisches Institut. Unter erheblicher Einschränkung

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gegenüber dem früheren Bauprogramm wurde an dem Plane der Errichtung von Spezialkhniken festgehalten und neben der Errichtung einer therapeutischen Anstalt, eines Auf- nahmegebäudes, eines Schwesternhauses und Nebenbauten die Errichtung einer Kinderkhnik der medizinischen Station auf Kosten der hierfür errichteten Stiftung und einer Frauen- klinik sowie eines Krankenhauses für hautkranke Kinder auf städtische Kosten vorgeschlagen; weiter ging der Vor- schlag der Mehrheit auf Errichtung eines Erweiterungsbaues der medizinischen Station, des Prostituiertenhauses, einer Zahnklinik für die Stiftung Carolinum, und von Spezial- khniken für Augen-, für Ohren-, für Nasen- und Halskrank- heiten. Die Gesamtkosten der Bauten wurden auf 3 710 000 M veranschlagt, wovon auf Stiftungen i 150 000 M entfielen. Die Vereinbarungen mit den*Stiftungen sollten folgen- dermaßen getroffen werden: Die Spe versehe Stiftung erhält zur Errichtung ihres Instituts einen Bauplatz auf dem Krankenhaus-Gelände überwiesen. Der S e n k - k e n b ergischen Stiftung wird für das patho- logische Institut ein Bauplatz in Erbpacht unentgeltHch über- tragen; sie vergütet für die Baukosten 140000 M. Die Stiftung übernimmt die Einrichtung des Instituts und trägt bis auf gewisse Leistungen der Stadt die Kosten des Betriebs. Das Institut übernimmt die Leichenöffnungen des Kranken- hauses und erhält dafür eine jährliche Pausch Vergütung von 7 000 M. Von der Stiftung Carolinum übernimmt die Stadt deren bisheriges Anstaltsgebäude für 220 000 M ; die Stiftung läßt auf einem Gelände, das sie unentgeltlich in Erbpacht erhält, ein Haupt- und Seitengebäude auf ihre Kosten errichten. Das Hauptgebäude nimmt im Erdgeschoß die Zahnklinik auf, die oberen Stockwerke werden der Stadt zur Unterbringung der Ohrenklinik und der Klinik für Nasen- und Halskranke überlassen ; ebenso wird das Seitengebäude der Stadt für ihre Augenklinik überlassen. Die Baukosten werden auf 650000 festgesetzt, die Stadt vergütet für Überlassung der Kliniken unter der . Voraussetzung der Aufwendung der genannten Baukosten jährlich 20000 Ji-

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Die Frankfurter Augen heilrAn stall über- trägt der Stadt das ihr gehörige Gebäude AherheiHgenstr. ig a ohne Entgelt. Die Stadt betreibt die i^ugenklinik auf ihre Kosten. Nach deren Eröffnung stellt die Stadt der Stiftung Räume für eine Poliklinik, die die Stiftung auf ihre Kosten betreibt, zur Verfügung.

Die Anträge des Ausschusses gingen hiernach dahin, die Ermächtigung zum Abschluß entsprechender Verträge mit den genannten Stiftungen zu erteilen und das Hochbau- amt mit den Vorarbeiten für die aufgeführten Kliniken und Verwaltungsgebäude zu beauftragen. Ein Minderheitsbericht von zwei Ausschußmitgliedern erklärte sich nur mit Errich- tung der wissenschaftlichen Anstalten und Stiftungsbauten, der Frauenkhnik, der therapeutischen Anstalt und der Kinderstationen auf dem Krankenhausgelände einverstanden, sprach sich aber gegen Errichtung der Spezialkhniken aus und forderte neue Krankenhausbauten für Bockenheim und den Nordosten.

In einer sich über zwei Sitzungen erstreckenden De- batte der Stadtverordnetenversammlung, in dei seitens der Vertreter der Minderheitsanträge namentlich aie For- derung der Dezentralisation des Krankenhausbetriebes ver- treten wurde, auch die alte Abneigung gegen das Akademie- projekt stark zur Äußerung kam, wurden schließhch mit unerheblichen Zusätzen die Mehrheitsanträge am 20. April 1905 angenommen, Damit war die Errichtung der wissen- schaftlichen Institute und der Ausbau der Spezialkliniken gesichert. Vielleicht war es mehr ein strategischer Rück- zug, daß man das Projekt der Akademie hatte fallen lassen. Jedenfalls war es ein Akt der Klugheit, den Hauptangriffs- punkt nicht weiter aufrecht zu erhalten, um das Wichtigere, die Entwicklung der Institute und die Ausbildung der Spezial- kliniken, die die Voraussetzung einer wissenschaftlichen Spezialbehandlung war, zu retten. Daß man auf einen späteren Ausbau der wissenschaftlichen Forschungsstätten nicht endgültig verzichten wollte, beweist namentlich der Umstand, daß man bezüglich der Stern'schen Stiftung keine

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Vorschläge machte. Man beschränkte das Programm, um desto sicherer das Erreichbare durchsetzen zu können und um nicht durch eine zu große Häufung in den Forderungen auf Errichtung rein wissenschafthcher Institute die alten Widerstände wieder neu zu wecken.

Die Durchführung dieser umfassenden Pläne nahm fast fünf Jahre in Anspruch und kam 1910 zu ihrem Ab- schluß. Die von der Georg-und-Franziska-Speyer-Stiftung ins Leben gerufene Anstalt, das ,, Georg- Speyer-Haus", wurde zu einem Institut für Chemotherapie ausgestaltet, um, unter die Leitung Ehrlichs gestellt, vorzüglich dessen Forschungen zu dienen. In zwei Abteilungen, eine chemische und eine biologische geghedert, diente das Institut mit seinen reichen Mitteln zu einer wesentlichen Förderung auf dem neuen Forschungsgebiet, das in den weltbekannten Ergebnissen auch bald praktische Bedeutung für die Seu- chenbekämpfung erlangte. 1907 wurde das pathologisch- anatomische Institut der Senckenbergschen Stiftung voll- endet und in Betrieb genommen. Räumhch ward ihm das Neurologische Institut angegliedert, das aus einer kleinen Arbeitsstätte am Senckenbergschen Institut hervorgegangen, von Prof. Ludwig Edinger zu einem selbständigen Institut mit einer Abteilung für Erforschung des normalen und einer Abteilung für die Erforschung des erkrankten Nerven- systems ausgebildet, als solches unterhalten und geleitet wurde. Das gleiche Jahr brachte die Vollendung des Er- weiterungsbaues der Medizinischen Khnik und der Haut- kliniken. Im folgenden Jahre konnten die Kinderkliniken und die Frauenkliniken in Betrieb genommen werden. Das hygienische Institut gelangte 1909 zum Ausbau, mit ihm ein chemisch-physiologisches Institut, das seine Entwicklung aus einer kleineren Untersuchungsstätte am Krankenhaus herleitete. Auch die Zahnklinik konnte im gleichen Jahre ihre Arbeit beginnen. Endlich brachte das Jahr 1910 mit der Vollendung der Klinik für Hals- und Nasenkrankheiten, der Klinik für Ohrenkrankheiten und der Augenklinik, sowie der für das Therapeutikum bestimmten Räume den Abschluß

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der Entwicklung. So waren damit aus dem Gesamtgebiete der Medizin die hauptsächlichsten Forschungsinstitute und Kliniken, wie sie auch die Einrichtungen erster Universitäts- anstalten kaum in besserer Ausstattung und Ausgestaltung aufweisen konnten, in zentraler Zusammenfassung zur Voll- endung geführt.

Die Bibliotheken

Hatte so das letzte Jahrzehnt eine systematische Ent- wicklung der wissenschaftlichen Anstalten auf allen For- schungsgebieten gebracht, so hatte demgegenüber der Aus- bau des Bibliothekswesens nicht vöUig gleichen Schritt ge- halten. Dem Mangel einer großen öffentlichen Zentral- bibliothek hatte man allerdings dadurch teilweise zu begeg- nen gesucht, daß die drei öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken, die Stadtbibhothek, die Senckenbergische Bi- bliothek und die Freiherrlich Carl von Rothschildsche öffent- Hche Bibliothek unter teilweisem Austausch ihrer Bestände ihr Arbeitsgebiet gegeneinander abgrenzten und die An- schaffungen nach bestimmten Plane regelten.

Die Stadtbibliothek^) stellt die älteste und bedeu- tendste Sammlung dar. Ihre Begründung geht auf das Jahr 1668 zurück, wo sie durch Vereinigung der Ratsbibliothek mit der Bibliothek des Barfüßerklosters entstand. Den ersten Anlaß zur Errichtung des jetzigen Bibliothekbaues gab eine Zuwendung von 25 000 fl., die der Buchhändler Johann Karl Brönner 1802 zusagte. Erst die Zeit der wieder- erlangten staatlichen Selbständigkeit, die ein Aufblühen des geistigen Lebens der Stadt heraufführte, brachte die Bau- pläne nach jahrzehntelangen Vorbereitungen zur Reife. 1825 gelangte der Bau nach den Plänen Johann Friedrich Heß' zur Vollendung, in wirkungsvoller Ausgestaltung über die einfachen Bauformen der damahgen Zeit sich erhebend,

1) Die Darstellung folgt dem Frankfurter Bibliothekenführer von Dr. O. Schiff, in ,,Die Freih. Carl von Rothschildsche öffentliche Bi- bliothek" von Dr. C. W. Berghceffer, Frankfurt a. M. 191;^.

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wenn auch wenig den praktischen Anforderungen seiner Zweckbestimmung genügend. Auch auf die Bestände waren die geschichthchen Ereignisse, die sich in Frankfurt wäh- rend des 19. Jahrhunderts abspielten, von Bedeutung. Die Säkularisation der 1803 aufgehobenen Klöster und Stifte brachte ihnen als Zuwachs die Bücher und Manuskripte des Karmeliter- und Dominikanerklosters, des Leonhards- und Bartholomäus- Stifts. 1867 wurden die Bibhothek und das Archiv des Deutschen Bundes sowie die Archive der Deut- schen Nationalversammlung überwiesen. Das Sammelgebiet umfaßt vorzugsweise Rechts- und Staatswissenschaft, Ge- schichte, Länderkunde, Theologie, Hebraica und Judaica, Archäologie, Pädagogik, Mathematik, American a (hierunter eine hervorragende Sammlung der rechts- und staatswis- senschaftlichen Literatur) und Frankofurtensien. Die Be- stände belaufen sich auf rund 365000 Bände. Der Anschaf- fungsetat beziffert sich auf 45 000 M.

Die F r e i h e r r 1 i c h C a r 1 v o n Rothschild- sche öffentliche Bibliothek, die 1887 von Freiin Louise von Rothschild zum Gedächtnis an ihren Vater mit einem ursprünglichen, späterhin erhöhten Stiftungskapital von I 000 000 J[n begründet wurde, bearbeitet das Gebiet der Kunstwissenschaft (mit Ausschluß der klassischen Archäo- logie), Musikwissenschaft, neuere Philosophie, Volkskunde und vergleichende Sprachwissenschaft. Ihre Bestände umfassea rund 75 000 Bände. Ihr Vermehrungsetat beläuft sich auf II 000 Ji.

Die Sencken bergische Bibliothek führt ihren Ursprung auf den Bücherbestand des Nachlasses von Senckenberg zurück. Ihr haben sich im Laufe des 19. Jahr- hunderts eine Reihe naturwissenschafthcher und medizini- scher Bibhotheken angegliedert, so 1824 die Bibliothek der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, 1840 die des Physikalischen Vereins, 1850 die des Vereins für Geo- graphie und Statistik, sowie die des Arzthchen Vereins. Das Sammelgebiet erstreckt sich auf Naturwissenschaften, Medizin und Geographie. Sie umfaßt rund 90 ooo Bände.

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Ihr Vermehrungsetat, zu dem die Stadt ebenso wie zur Rothschild-Bibhothek einen Zuschuß leistet, beträgt etwa i8 000 Ji.

Von Bedeutung für das Gebiet der Kunstgeschichte ist weiter die BibHothek des Städelschen Kunstinstituts mit 5000 Bänden sowie dessen Kupferstich-Kabinett, für Volks- wirtschaft die Bibliothek des Sozialen Museums mit 7000 Bänden. Eine hervorragende Sammlung für das Gebiet der klassischen deutschen Literaturperiode bietet die vom Freien Deutschen Hochstift unterhaltene Bibliothek des Frankfurter Goethemuseums mit fast 45 000 Bänden und 5500 Handschriften, unter denen namentlich die Sammlung der Goethe-Publikationen sowie die Faustbibliothek eine bemerkenswerte Bedeutung haben. Zu erwähnen wären in diesem Zusammenhang die Seminar- und Institutsbibliothe- ken der Akademie, von denen die Zentralbibliothek des Staats- und handelswissenschaftlichen Seminars allein einen Bestand von 25 000 Bänden aufweist.

Ein Sammelkatalog über die hauptsächlichsten Bestände der Frankfurter Bibliotheken wird von der Rothschid- schen Bibhothek geführt.

Die Vorlage über Begründung einer Stiftungsuniversität

Mit den großen Zuwendungen der Speyerschen Stif- tungen war der Anlaß gegeben, über Zweck und Ziel des Ausbaues der wissenschaftlichen Institute zu einem endgül- tigen Ergebnis zu gelangen. Sollten die über fast alle Ge- biete des gelehrten Studiums sich erstreckenden Anstalten und Einrichtungen zur vollen Entfaltung für Forschung und Unterricht gebracht werden und sollten sie im Hin- blick auf die großen Opfer, die auch die Allgemeinheit aus öffentlichen Mitteln für sie geleistet hatte, auch materiell nutzbar gemacht werden, so konnte nicht zweifelhaft sein, daß dies Ziel nur durch die' Ausbildung zur Universität erreicht werden konnte. Man kannte bisher in Deutschland Universitäten nur als Staatsanstalten, vom Staate begrün- det und von ihm unterhalten. Die Anerkennung als Uni- versität in ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung, mit ihren Privilegien und Berechtigungen war Sache des Staates, und es war selbstverständlich, daß man Verhandlungen über eine aus dem Entschlüsse einer Stadtgemeinde hervorgehende, bis dahin noch nicht gesehene Gründung einer Univer- sität nicht begann, ohne vorher Fühlung mit den staat- lichen Behörden genommen zu haben. In einer Denkschrift vom Dezember 1909, in der Adickes dem Unterrichts- minister seine Gedanken darlegte, waren es in erster Linie rein kommunale Interessen, die er als Begründung gab. Er führt hier aus, daß schon 1866 die Absicht ausgesprochen worden sei, es sei ein Ersatz für den Verlust der politischen Stellung der Stadt in der Bcgründurg einer Hochschule zu suchen. Weniger als damals könne heute Frankfurt seine alte Stellung unter den deutschen Städten aufrecht

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erhalten, nachdem auch die Bedeutung als Finanzplatz stark beeinträchtigt sei. Gerade in kultureller Hinsicht sei Frank- furt gegenüber den benachbarten Residenzstädten, in denen Theater, Museen, Bibliotheken, Kunstschulen aus staatlichen oder landesherrlichen Mitteln unterhalten würden, in beson- ders schwieriger Lage. Alles dies dränge dazu, in Frank- furt wiederum einen Mittelpunkt geistiger Arbeit durch Errichtung einer Hochschule, einer Staatsanstalt zu schaffen, die indes auf staatliche Mittel verzichten könne ^). Wie Adickes schon früher bei Althoff Verständnis für seine Pläne gefunden hatte, waren auch jetzt die maßgebenden Personen im preußischen Kultusministerium, neben dem Kultusminister von Trott zu Solz vor allem Ministerial- direktor Naumann, der Dezernent des Universitätswesens, dem großen Gedanken geneigt, so daß 1910 die Verhand- lungen zwischen den einzelnen Stiftungen und Organisationen eingeleitet werden konnten. Am 5. März 1910 berief Adickes die Vertreter der wissenschaftlichen Gesellschaften und Institute zu einer Besprechung, in der er den Gedanken eines Ausbaues einer staatlichen Universität durch Zusam- menfassung aller Korporationen unter Wahrung ihres Fort- bestands und ihrer Selbständigkeit entwickelte. Trotz zahl- reicher Einwürfe wußte er Verständnis für den Plan zu wecken, so daß weitere Verhandlungen einen günstigen Verlauf nahmen. Ihr Ergebnis ist in der vom Februar 1910 datierten Denkschrift ,,Über die Begründung einer Stiftungs- Universität in Frankfurt a. M." niedergelegt, welche die Unterschriften des Magistrats, des Verwaltungs-Ausschusses der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, der Vorstände der Georg und Franziska Speyerschen Studien- Stiftung, der C.-Chr.-Jügel-Stiftung, des Th. Stern'schen Medizinischen Instituts, des Neurologischen Instituts, des Instituts für Gemeinwohl, des Rektors der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, der Administration der Dr. Senckenbergischen Stiftung, der Direktion der Sencken-

1) Vgl. Freudenthal, Franz Adickes, Rede bei der Gedächnisfeier tier Universität. S. i i fl.

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bergischen Naturforschenden Gesellschaft, des Vorstandes und Vorstandsrates des Physikalischen Vereins und endlich der Stiftung Carolinum trägt. Es war so zum ersten Male gelungen und damit war schon viel erreicht , die Ge- samtheit aller dieser nach geschichtlicher Entwicklung, Einrichtungen, wissenschaftlicher und administrativer Lei- tung, wissenschaftlichen Zielen auseinanderstrebenden Kör- perschaften und Institute zu dem einheitlichen Entschlüsse gemeinsamer Arbeit und Organisation zusammenzufassen, der sich in dieser für Frankfurt so bedeutsamen Urkunde darstellt.

Die Denkschrift will nach ihren einleitenden Worten der Öffentlichkeit den Beweis bringen, daß der Gedanken einer Universität Frankfurt nicht willkürlich ent- standen, sondern das Ergebnis der Fortentwicklung der wissenschaftlichen Anstalten ist, daß die zum Ausbau als Universität notwendigen Ergänzungen gegenüber dem bereits Bestehenden verhältnismäßig nicht umfangreich sind und daß die großen geistigen und' materiellen Interessen, die sich für Frankfurt mit dem Universitätsgedanken verbinden, in Einklang mit den allgemeinen Bedürfnissen des deut- schen Universitäts-Unterrichts stehen. Die Denkschrift gibt sodann eine geschichtliche Darlegung der wissenschaft- lichen Anstalten Frankfurts, streift dabei auch die wirt- schafthche und kulturelle Entwicklung der Stadt, die nach mancherlei Rückschlägen im 19. Jahrhundert, verursacht durch den Verlust ihrer politischen Bedeutung und die Ein- schränkung ihrer Rolle als ausschlaggebender Finanzmarkt, zwar wirtschaftlich und industriell nach der Reichsgründung einen erheblichen Aufschwung genommen, aber gerade darum einer Förderung der geistigen Interessen und ihrer alten Stellung im deutschen Kulturleben bedürfe. Es folgt eine Zusammenstellung der an den sämtlichen Instituten vor- handenen Stellen für hauptamtliche Dozenten, der Seminare, Institute und KMniken. Der Gesamtaufwand für diese Dozenten, Direktoren, Institute einschließlich Verwaltungs- kosten wird auf jährlich i 750 000 jfi beziffert. Eine Gegen-

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überstellung der Etats mittlerer Universitäten zeigt, daß deren jährliche Ausgaben erheblich geringere sind. Die Not- wendigkeit einer Weiterentwicklung der wissenschafthchen Anstalten vorausgesetzt, verwirft die Denkschrift den Aus- bau zu einer Forschungsuniversität wie zu einer bloßen Fortbildungsuniversität, ersteren namentlich, weil dadurch eine Reihe auf Lehrzwecke gerichteter Anstalten in ihrer Entwicklung gehemmt, auch die so fruchtbare Verbindung von Forschung und Lehre zerschnitten würde, letzteren, weil der Kreis von Fortbildungshörern im Verhältnis zum Umfang der gebotenen . Bildungsmöglichkeiten zu klein sei, was die bisherigen Erfahrungen erwiesen hätten. Das ein- zig mögliche Ziel ist hiernach die Universität. Die Begründung einer neuen Hochschule entspricht auch der allgemeinen Ent- wicklung der deutschen Universitätsverhältnisse. Während die Zahl der Studenten an den preußischen Hochschulen sich in den letzten dreißig Jahren mehr als verdoppelt hat, ist nur eine neue Universität, die in Münster begründet worden. Namentlich die Verhältnisse an den großstädtischen Universitäten erfordern eine Entlastung, die nur durch eine neue großstädtische Universität geboten werden kann. Frank- furt erscheint nach seiner Lage, seiner Ausstattung mit Museen, Theatern, musikalischen Veranstaltungen, seinen Hilfsmitteln für sozialwissenschaftliche Fortbildung beson- ders geeignet zu dieser Aufgabe. Die ideellen und mate- riellen Interessen, die aus der Universität sich der Bevöl- kerung bieten, werden dargelegt. Die bisherigen Aufgaben der Handelshochschule können weiter gepflegt werden. Auch mit dem schon früher in der Öffentlichkeit vertretenen Plan einer ,, freien" Universität setzt sich die Denkschrift auseinander. Wenn auch die neue Universität eine moderne sein und den neuen Bedürfnissen Rechnung tragen soll, ist eine ,, freie" Universität unmöglich. Die preußische Universität ist Staatsanstalt. Prüfungs- und Berechtigungs- wesen sind eng mit ihr verbunden. Ohne das Privileg der Universität finden sich keine Schüler. Die Anerkennung als Universität im Sinne des Staatsrechts erscheint daher gerade

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als die wichtigste Frage. Die Gliederung der Fakultäts- verfassung angehend, so wird darauf hingewiesen, daß von der Bildung einer theologischen Fakultät abgesehen werden soll, da ein Bedürfnis für neue Dozenturen bei der sinken- den Zahl der Studenten nicht besteht, auch die Konsisto- rialverfassung der Provinz einer Neugründung in Frankfurt entgegensteht. Es wird daher die Errichtung einer juristi- schen, philosophischen und medizinischen Fakultät, vorbe- haltlich einer Teilung der philosophischen Fakultät und einer Einordnung der Handelshochschule in Aussicht gestellt.

Die erforderlichen finanziellen Aufwendungen werden folgendermaßen festgesetzt.

I. Einmalige Ausgaben: A. Medizinische Fakultät

a) Vergrößerung und Neu- einrichtung von Hörsälen

usw. ' Ji qo 000

b) Einrichtung eines p h y- siologischen In- stituts in dem von der Stadt zur Verfü- gung zu stellenden Haut- krankenhaus ,, 80000

c) Einrichtung einer chirur- gischen und medizini- schen Poliklinik ,, 63 000

d) Neubau einer n o r m a -

len Anatomie ,, 420000

e) Umbauten im Georg- Speyer-Haus für ein phar- makologisches Institut ,, 50 000

703 000

B. Für naturwissenschaftHche Fächer

a) Chemisches Institut M 500 000

8o

b) Bauten u. Einrichtungen

f. Geologie u. Mineralogie Ji 65 000

c) desgl. f. Chemie u. Physik ,, 200 000

C. für philosophisch-historische Fächer : Austattung von Se- minaren

D. außerordentliche Dotierung der Bibliotheken:

II. Dauernde jährliche Mehrausgaben: A. Juristische Fakultät (bei 4 be- stehenden Ordinariaten) Ge- hälter für weitere 2 Ordi- narien und 3 Extraordina- rien zuzüglich 10 Proz. Pen- sionsrückstellung ,, 35 200 Seminare ,, i 000

B. Philosophisch-historische Fächer

Gehälter für 7 Ordinarien (i Orientahst, i Gräzist, i Latinist, i Archäologie und alte Geschichte, i mittelal- terlicher Historiker, i Kunst- historiker, I Qermanist und ein Extraordinarius für Geo- graphie) Seminare

C. Errichtung eines Erweite-

rungsbaues für Auditorien im Kostenbetrag von 800000 J4, , deren Verzinsung u. Tilgung Betrieb und Unterhaltimg

74 900 4 000

40 000 26 400

765 000

30 000 80 000

I 578 000

\6 200

78 900

66 400

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D. Mathematisch - naturwissen- schafthche Fächer: 2 Ordinariate (Mineralogie u. theoretische Physik), 5 Ex- traordinariate (Mathematik, Geophysik, Astronomie, Zoo- logie, Paläontologie und Geo- logie) M 49 500 Mehraufwand anUnterrichts- mitteln für Zoologie und Mineralogie ,, 32 300 Mehraufwand a. Unterrichts- mitteln f. Physik u. Chemie ,, 45 000

M 126 800

;. Medizinische Fakultät:

Anatomie

,, 32 500

Physiologisches Institut

,. 24 500

Mehrkosten des Pharmako-

logischen Instituts

,, 12 000

Pohklinik

,, 5 000

Verschiedene Ausgaben

4500

78 500

. Unvorhergesehenes

20 000

insgesamt M 40 680

Mit den bisherigen jährlichen Ausgaben wird der künf- tige Jahresetat somit auf 2 100 000 Ji beziffert.

Die Deckung der einmaligen Ausgaben von 1 578 000 Ji u. der laufenden v. 406 800 M wird wie folgt in Aussicht genommen : I. Einmalige Ausgaben Ji 1 578 000

I. Die Dr. Senckenbergische Stiftung übernimmt, so- fern die Stadt die patholo- gische Anatomie ihr ab- kauft, den Bau der nor- malen Anatomie mit J(, 420 000

Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. fi

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2. Das Georg- Speyer-Haus trägt die Umbauten des pharmakologischen In- stituts mit M 50 000,

3. Die Theodor Sternsche Stiftung trägt Bau- und Einrichtungskosten für das physiologische Insti- tut mit ,, 80 000,

4. Die Speyerschen Stiftun- gen tragen die Kosten für

Seminare ,, 30 000,

sowie von den Aufwen- dungen für Chemie, Phy- sik, Zoologie und Minera- logie ,, 180 000,

5. während auflaufende Zin- sen aus Stiftungsmitteln

den Rest hiefür mit ,, 71 000,

weiter den Aufwand für Hörsäle, Bauten mit ,, 90 000,

sowie die Bibliothekdo- tierung mit ,, 80 000, decken.

6. Die Stadt trägt die Ein- richtung der Polikliniken ,, 63 000

I 064 000

Es fehlen sonach noch in erster Linie die Baukosten für das Chemische Institut mit 500 000 Ji, deren Beschaf- fung noch erforderlich ist.

IL Laufende Ausgaben Ji 406 800

I. Die Dr. Senckenbergische Stiftung übernimmt als Anteil für die Kosten der Anatomie Ji 15 500

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2. Die Theodor Sternsche Stiftung die des physio- logischen Instituts M 24 500

3. Die Stadt die der Poh-

kliniken ,, 5 000

4. Die Spe3^erschen Stiftun- gen und der Nachlaß Speyer ,, 64 000

5. Das Georg -Speyer -Haus an Kosten des pharmako- logischen Instituts ,, 12 000

6. Zinsen aus Stiftungskapi- talien von I 975 000 M ,, 79 000

7. Zinsen aus Stiftungskapi- talien von 600 000 Ji mit späterem Zinsgenuß ,, 24000

8. Eigener Erwerb der Uni- versität aus Immatrikula- tionsgebühren, Auditorien- geldern usw. (bei Annahme

von 1300 Studenten) ,, 36 000

Ji 260 000

Es fehlen sonach noch rund 146 800 M jährlicher Einnahmen, wegen deren Beschaffung Erörterungen schweben.

Zur Deckung künftigen Mehrbedarfs wird darauf hin- gewiesen, daß aus zugedachten und vollzogenen Stiftungen und Zuwendungen mit künftigen jährlichen Mehreinnahmen von ,1i 226 700 gerechnet werden kann.

Organisation.

Die Denkschrift betont, daß die Universität als Ver- anstaltung des Staats im Sinne des preußischen Landrechts der staatlichen Genehmigung bedarf. Die Grundlage des der Genehmigung unterliegenden Statuts ist ein Vertrag, den die Unterzeichner der Denkschrift abzuschheßen haben. Dieser Vertrag wird davon ausgehen, daß die beteiligten Stiftungen und Gesellschaften unabhängig wie bisher be-

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stehen bleiben und daß sie alle ihre bisherigen Aufgaben weiter erfüllen, nur die Akademie für Sozial- und Handels- wissenschaften wird in der Universität aufgehen. Die Organisation der Universität wird die gleiche wie die der übrigen preußischen Universitäten sein, soweit nicht da- durch, daß sie nicht aus staatlichen Mitteln unterhalten wird, Ausnahmen bedingt sind. Der von der Verfassung gewährleistete Grundsatz voraussetzungsloser freier Lehre und Forschung, unabhängig von konfessionellen und politi- schen Richtungen, wird vor allem festzulegen sein.

Die öffentlich-rechtliche Stellung der Dozenten wird die gleiche wie bei den anderen preußischen Universitäten sein. Die Berufung der ordentlichen Professoren erfolgt 'durch den König, die der außerordentlichen durch den Minister. Für die Besetzung erledigter Ordinariate würde die Fakultät nach Üblichkeit einen Vorschlag mit drei Namen einzureichen haben. Über die Vorschlagsliste ist eine Einigung mit dem Verwaltungs-Ausschuß herbeizuführen, der die Liste dem Minister überreicht. Erscheint diesem keiner der Vorgeschlagenen geeignet, so könnte er die Auf- stellung einer anderen Liste einfordern. Soll der zu Be- rufende zugleich Direktor, Dozent oder Beamter an einem von dem Stifter zur Verfügung gestellten Listitut oder Krankenhaus sein, oder ist er auf die Benutzung eines sol- chen angewiesen, so wäre das Einverständnis der betreffenden Verwaltung zur Vorschlagsliste einzuholen. Die Berufung der außerordentlichen Professoren soll auf Vorschlag des Verwaltungs- Ausschusses erfolgen, vorbehaltlich der Einwil- ligung der Stiftungsverwaltungen in den vorgedachten Fällen.

Die Universität als Lehranstalt untersteht der Selbst- verwaltung durch Senat, Rektor, Fakultäten und Dekane. Für die Verwaltung der Universität als Stiftung wird ein Großer Rat und ein Verwaltungs-Ausschuß eingesetzt. Dem Großen Rat sollen Abgeordnete der Stadt und der übrigen Stifter-Organisationen angehören. Seine Zuständigkeit um- faßt im wesentlichen die Vermögensverwaltung. Der von ihm gewählte Verwaltungs-Ausschuß hat die laufende Ver-

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waltung zu führen und die Universität als Vermögenssub- jekt zu vertreten.

Die Denkschrift sagt in ihrer Schlußbetrachtung: ,,Die zu begründende Stiftungs-Universität stellt ein neues Ge- bilde im deutschen Universitätswesen dar. Der Staat schei- det als Geldgeber aus, behält aber die Rechte und den Ein- fluß, die ihm auf dem Gebiete des Unterrichtswesens ge- bühren. . . Die staatliche Anerkennung und Förderung dieser Stiftungs-Universität wird dem Bürgersinn und der begeisterten Hingabe an die Wissenschaft, die schon so Großes in hiesiger Stadt geschaffen haben, neuen Antrieb geben und alle Bestrebungen auf Erweiterung und Ausbau des schon Geschaffenen neu beleben. Eine Versagung dieser Anerkennung würde wie ein eisiger Reif auf alle des Auf- brechens harrenden Blüten fallen, unzählige kostbare Le- benskeime vernichten und als schwerer Schlag für die wei- tere gedeihliche Entwicklung der Stadt Frankfurt a. M. empfunden werden!"

Diese Denkschrift gründet sich noch nicht auf einen förmlichen Vertrag, der die Beziehung der verschiedenen Organisationen zueinander regelt, sie verbrieft nur ein Einverständnis über den Grundgedanken und gewisse lei- tende Grundsätze. Das mochte äußerlich vielleicht ebenso als Fehler erscheinen, wie daß auch formelle Zusagen des Staates über seine Zustimmung und die endliche Regelung der in Betracht kommenden öffentlich-rechtlichen Fragen noch nicht vorlagen, oder daß ein endgültiger Finanzplan noch nicht vorgelegt werden konnte. Nach dem Gange der späteren Verhandlungen, die die außerordentliche Schwierig- keit der Regelung der Einzelfragen dartaten, muß indes als äußerst geschickt angesehen werden, daß man sich zunächst nur über die Grundzüge der Organisation einigte. Hätte man sofort zur vertraglichen Regelung schreiten wollen, so wäre, wie man heute mit Sicherheit annehmen kann, der gesamte Plan gescheitert. So war zunächst ein großer Schritt zum Ziele schon zurückgelegt, indem man den Ent- schluß zur Gründung vor der öffentlichtkeit festlegte, den

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wieder aufzugeben späterhin keiner der Beteiligten auf sich nehmen durfte. Die Gründung einer Universität durch kommunale und private Organisationen stellte ein voll- ständiges Novum dar. Die Durchführung der Ausgestaltung bot dementsprechend außerordentliche Schwierigkeiten. Es galt dem traditionellen Recht der Selbstverwaltung der Universität Rechnung zu tragen. Es galt die auf dem Verfassungsrecht beruhenden Staatshoheitrechte zu wah- ren. Es mußte der Einfluß der Gemeinde in Bezug auf die Verwaltungsrechte über ihre Anstalten und ihr Finanzrecht vor Beeinträchtigung und Verkürzung durch die neuen Kompetenzen geschützt werden. Es war das Selbstbestimmungsrecht alter um das Gemeinwohl verdien- ter, auf ihre Prärogativen eifrig bedachter Stiftungen, die ihren Ursprung in dem selbstbewußten Bürgertum der Frei- stadt gefunden hatten, zu berücksichtigen. Es war natür- lich, daß eine Organisation, die nur ein Kompromiß zwischen allen diesen Interessen darstellen konnte, nach allen Seiten hin Angriffspunkte bieten mußte. Aus den Kreisen der städtischen Selbstverwaltung fürchtete man eine Auslieferung kommunaler Anstalten an die Staatsgewalt. Vom Stand- punkt der Universität aus wies man den Gedanken der , .kommunalen" Universität zurück, die die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr brachte und die Fakultäten in die Abhängigkeit pohtischer Koterien zu bringen drohte. Von den politischen Parteien sahen die der Rechten einen Ein- griff in die Vorrechte des Staates und der Krone, die der Linken befürchteten zum Teil das Eindringen rückschritt- licher Einflüsse in bisher liberal geleitete Verwaltungen. Diese politischen Momente kamen zumal in der Erörterung der Regelung der Berufungen zum Ausdruck. Es war natür- lich, daß die Verwaltungsgrundsätze des Preußischen Kultus- ministeriums, deren Einfluß auf die künftige Verwaltungs- pohtik der Universität man befürchtete, und vor allem die Praxis der Fakultäten, die in der Besetzung der Lehr- stühle geeignete Bewerber aus konfessionellen Gründen zu übersehen sich nicht scheute, in der vorwiegend liberal ge-

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richteten Bürgerschaft Anlaß zu lebhaften Erörterungen und scharfer Kritik gaben. Man nahm an, daß auch die vorsich- tigste Fassung eines Statuts diesen Tendenzen nicht wirk- sam begegnen könnte, wenn diese sich schon über die in der Verfassung verbrieften Grundsätze hinwegzusetzen vermöch- ten. Besorgnis erweckte auch die Finanzfrage. Wenn selbst der augenblickliche Bedarf noch nicht voll gedeckt war, wie sollte Vorsorge getroffen werden, die rasch steigenden Be- dürfnisse der Zukunft zu befriedigen ? Da der Staat grund- sätzlich einen Beitrag zu den Kosten ablehnte, war nicht zu befürchten, daß die finanziell stark in Anspruch genom- mene Stadtgemeinde das volle Risiko zu übernehmen hatte, wollte sie nicht das unter ihrer Mitwirkung begonnene Werk ruhmlos zugrunde gehen lassen ? All diesen Anwürfen, Zweifeln und Einwendungen gesellten sich endlich Angriffe hinzu, die in materiellen Interessen wurzelten, wenn sie sich auch äußerlich den Anschein der Verfechtung idealer Momente zu geben suchten. So wurden auf dem Kommunal- landtag des Regierungsbezirks- Kassel die Befürchtungen, die man in Marburg wegen Verminderung der Frequenz der dortigen Universität durch die Neugründung hegte, laut zum Ausdruck gebracht, und es gelangte eine Entschließung zur Annahme, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die Errichtung einer Universität in Frankfurt am Main wegen Mangel an Bedürfnis und wegen der schweren Schä- digung, welche dadurch der Universität Marburg und den Interessen des ganzen Bezirks erwachsen würde, zu ver- hindern. Im hessischen Landtag wurde im Interesse der Universität Gießen die Regierung zur Stellungnahme gegen die neue Konkurrentin aufgerufen, und der Minister des Innern stand nicht an, zu erklären, daß die Gefahr für die Landesuniversität und ihre Bevölkerung vollauf von der Regierung gewürdigt werde und diese ihre Bedenken an geeigneter Stelle auf diplomatischem Wege zur Geltung brin- gen werde. Eine diplomatische Mobilmachung des Nachbar- staates! Deren Seltsamkeit wurde vielleicht nur durch die Aktion des Bürgermeisters von Rinteln übertroffen, der die

Prioritätsrechte der 1809 erloschenen Universität dieser Stadt auf eine Neubegründung vor der öffenthchkeit wahrte.

Gefährhcher konnte der parlamentarische Feldzug wer- den, den die Parteien der Nationalliberalen, Konservativen und Freikonservativen im Preußischen Abgeordnetenhaus eröffneten, und der in dem Antrag der Abgeordneten Prof. Dr. Friedberg, Prof. Clairon d'Haussonville und Rewaldt zum Ausdruck kam, die Königliche Staatsregierung zu er- suchen, die Errichtung einer nichtstaatlichen | Univer- sität Frankfurt nicht anders als auf Grund der Gesetz- gebung zu genehmigen. Der Antrag, der bei der Etatberatung der Universitäten im Abgeordnetenhaus am 16. März 1911 zur Verhandlung kam, entstammte bei diesen Parteien ver- schiedenen Beweggründen. Bereits in der Budgetkommission war an den Minister die Anfrage gestellt worden, wie es sich mit der Universitätsgründung verhalte und welche Stellung die Staatsregierung zu ihr nehme. Der Minister hatte im wesentlichen ausweichend geantwortet, indem er darauf hin- wies, daß ein amtlicher Antrag bisher nicht an ihn heran- getreten sei. Der im Plenum gestellte Antrag sollte offen- bar den Minister zu einer Stellungnahme veranlassen und die Möglichkeit einer Einwirkung der parlamentarischen Organe im Sinne der Antragsteller herbeiführen. Der Ver- treter der konservativen Partei, Graf Clairon d'Haussonville, begründete den Antrag mit dem Hinweis auf die Gefahr, die der staatlichen Kompetenz durch die Gründung einer ,, freien" Universität erwachse. Auch der konservative Ver- treter der Stadt Marburg glaubte in der Gründung eine Durchbrechung des Prinzips der Staatsuniversität zu sehen, er verneinte ein Bedürfnis einer neuen Universität, glaubte ikre Ursache vornehmlich in einem ungesunden Ehrgeiz einer Stadtverwaltung zu finden und betonte offen die materielle Einbuße, die Marburg zu befürchten habe. Von einem höheren Gesichtspunkt aus behandelte der Vertreter der nationalliberalen Partei Dr. Friedberg die Frage. Seine Bedenken entbehrten an sich nicht der Berechtigung, waren aber nach der Form der geplanten Gründung nicht zutreffend.

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Dr. Friedberg sah hier den ersten Fall einer kommunalen Universität, die zu einer freien Universitätsgründung über- haupt führen und damit das Universitätswesen dem Spiel politischer und konfessioneller Bestrebungen, wie es Belgien zeige, ausliefern könne. Diese Gefahr berechtige zu dem Verlangen, eine gesetzliche Regelung der Frage vorzu- nehmen. Der Vertreter der Stadt Frankfurt, Abgeordneter Funck, versuchte gegenüber allen diesen grundsätzlichen, parteipolitischen oder lokalen Einwendungen die tatsäch- lichen Verhältnisse an der Hand der Ausführungen der Denkschrift klarzulegen und vor allem Verständnis für das historische Werden und Wachsen des Gedankens zu wecken. Geschickt wies er auf frühere Ausführungen des Kultus- ministers hin, der zur Unterstützung und Ausgestaltung wissenschaftlicher Anstalten private Beihilfe aufgerufen und auf das Beispiel Amerikas hingewiesen hatte. Indem er die Einwürfe gegen die Eignung Frankfurts als Universitäts- stadt und die aus politischen Beweggründen erfolgenden An- griffe gegen die Stadt zurückwies, legte er klar, daß es sich um die Gründung einer freien, sich vom Staat emanzipierenden Universität überhaupt nicht handle, sondern die Errichtung einer Staatsanstalt in Frage stehe. Gegenüber dem Ruf nach einer Regelung durch die Organe der Gesetzgebung glaubte er daran erinnern zu dürfen, daß die Errichtung einer Universität wohl stets als Ausfluß des Kronrechts angesehen worden sei und daß es seltsam berühre, daß gerade Parteien der Rechten dessen Beschränkung forderten. Er erinnerte schließlich an die eindrucksvollen Schlußworte der Denk- schrift. Die Debatte veranlaßte den Minister D. von Trott zu Solz nicht, eine endgültige Stellungnahme der Regierung zum Ausdruck zu bringen. Er wies wie in der Budget- kommission darauf hin, daß förmliche Anträge der Regierung bisher nicht vorgelegt worden seien. Gegenüber dem gestell- ten Antrag legte er dar, daß nach geltendem Recht Univer- sitäten Veranstaltungen des Staates seien und daß sie nur mit Genehmigung des Staates errichtet werden können. ,,Wenn also an mich der Antrag von Frankfurt herantritt,"

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führte der Minister aus, ,,in dieser Stadt eine Universität zu gründen, so würde ich prüfen müssen, ob die Voraus- setzungen, die Modahtäten, gegeben sind, die die Universität zu einer staatlichen machen. Sind sie gegeben, so würde die Genehmigung erteilt werden können. Sind sie nicht gegeben, so wird sie versagt werden müssen, und es würde dann die Begründung der Universität nur möglich sein auf Grund eines besonderen Gesetzes, das dann zu erlassen wäre. Insofern habe ich gegen den Antrag nichts einzuwenden. Ich halte ihn aller- dings für überflüssig. Die Rechtslage ist, wie mir scheint, nach dieser Richtung hin nicht zweifelhaft." Nachdem noch von dem Redner der Zentrumspartei Dr. Bell und dem Ver- treter von Cassel Dr. Schröder die Bedürfnisfrage verneint worden war, erkannte im Gegensatz hierzu der sozialdemo- kratische Redner für nützlich an, wenn der freien Initiative der Selbstverwaltungskörper möglichst weiter Spielraum gelassen werde. Nach Feststellung des Präsidenten gelangte schließlich der Antrag der drei Parteien

die Königliche Regierung zu ersuchen, die Errich- tung einer nichtstaatlichen Universität in Frank- furt a. M. nicht anders als auf Grund eines Gesetzes zu genehmigen ohne Widerspruch zur x^nnahme.

In der Beratung des Kultusetats im Herrnhause kamen vor allem die Anschauuungen der Hochschulkreise zum Ausdruck. Während ein Aufsatz in der Märznummer der ,,Hochschul-Nachrichten" sich scharf gegen alle Angriffe und Treibereien wendete und erklärte, daß für die deut- schen Universitäten keine sachlichen Gründe vorlägen, sich einem Projekte gegenüber ablehnend zu verhalten, bei dem alle Grundfaktoren gegeben seien, um deutscher Wissen- schaft und Forschung unter glänzendsten Auspizien eine neue Hochburg kraft der Munifizenz aufgeklärten und opferwilligen Bürgersinnes zu erbauen, hatte die im Früh- jahr 1911 tagende Konferenz der Rektoren der preußischen Universitäten auf Antrag der Marburger Universität beschlos-

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sen, eine Petition um Versagung der Genehmigung der Neu- gründung an den Minister zu richten. Auch in der Herrn- hausdebatte vom 7. April war es der Vertreter der Univer- sität Marburg, der den Angriff eröffnete. Er bemängelte in erster Linie die finanziellen Grundlagen des Frankfurter Planes, die bei steigendem Bedarf notwendig die Stützung durch den Staat nötig machten. Das Bedürfnis nach neuen Universitäten wurde gegenüber diesen Ausführungen von Geheimrat Waldeyer nicht in Abrede gestellt, so daß Ober- bürgermeister Adickes in seiner Erwiderung sich darauf beschränken konnte, den besonderen Beruf Frankfurts zu seinem Vorhaben darzustellen. Nach einer eingehenden Ausführung über die geschichtliche Entwicklung der Frank- furter wissenschaftlichen Anstalten glaubte er gegenüber den Befürchtungen politischer und akademischer Kreise noch- mals feststellen zu sollen, daß es sich nicht um eine kom- munale Universität handle. ,,Wir wollen," führte er aus, ,, keine freie Universität, sondern wir wollen, daß sie dem Kultusministerium unterstellt werde, und daß die Profes- soren so gestellt werden, wie an anderen Universitäten. Es ist auch selbstverständlich, daß die Freiheit der Forschung und der Lehre genau so sicher gestellt wird wie an den an- deren Universitäten. Wenn gesagt wird, daß wir nur Partei- interessen folgen, so ist das absolut unrichtig. In den Satzungen der Akademie für Sozial- und Handelswissen- schaften steht, daß diese Akademie, unbekümmert um Interessen und Parteien und deren Anschauungen, nur im Dienste der Wahrheit zu stehen hat. Genau das Gleiche würde für die Universität zu gelten haben. Es ist notwendig das zu sagen. Ebenso selbstverständlich ist, daß die finan- zielle Grundlage der Universität einwandfrei sein muß. Es ist auch klar, daß nichts vorkommen darf, was auf den Gedanken einer kommunalen Universität hinführen dürfte. Das ist uns allen klar, eine kommunale Universität ist nicht verträghch mit dem, was wir unter Universitäten in Preußen verstehen. Das ist auch gar nicht beabsichtigt. Auch gründliche Beurteiler der Frage konnten zu einem kleinen

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Mißverständnis geführt werden dadurch, daß der Magistrat der Stadtverordnetenversammlung eine Vorlage gemacht hat, sich damit einverstanden zu erklären, daß die Frank- furter Krankenanstalten der Frankfurter Universität zur Verfügung gestellt werden sollen. Aber das ist doch nichts Neues. So gut die Provinzialregierungen Universitäten Krankenhäuser zur Verfügung stellen, so gut in Straßburg und München Stiftungen für Krankenhäuser den Universi- tätszwecken und Universitäten zugute gekommen sind, ebensogut können auch kommunale Anstalten der neuen Universität zur Verfügung gestellt w^erden. Im einzelnen wird es sich darum handeln, daß Kautelen geschaffen wer- den, um störende Einflüsse zu vermeiden und das staat- liche Aufsichtsrecht sicherzustellen. Das ist eine Aufgabe, und ich zweifle nicht an der Möglichkeit, sie günstig zu lösen. Zum Schlüsse lassen Sie mich noch eine Bitte aus- sprechen", endete der Redner, ,,nach der Erklärung des Herrn Kultusministers glaube ich zwar nicht, daß es nötig sein wird, unter allen Umständen ein Gesetz zur Schaffung der neuen Universität zu machen. Vielleicht ist aber ein Ge- setz nötig. Diejenigen aber, die mit dieser Sache zu tun haben, mögen vorurteilsfrei diese neue Schöpfung prüfen und mögen sie nach Möglichkeit wohlwollend prüfen." Einen warmherzigen Fürsprecher fand Frankfurt in dem Vertreter der Universität Halle, Professor Loening. Er legte Verwahrung dagegen ein, daß die Petition der Rektoren- konferenz die allgemeine Meinung der deutschen Hoch- schulen wiedergebe. Vor allem bejahte er das Bedürfnis nach neuen Universitäten. Es werde stets davon gesprochen, daß die Bürger selbst tätig sein sollten für das Gemein- wohl, zur Förderung der Wissenschaft und Pflege des Idealis- mus. Hier habe man eine Stadt, die die notwendigen Summen aufbringen wolle. Köime man so kleinlich sein, ihr entgegenzutreten ? Auch der frühere Kultusminister von Zedlitz, durch seine frühere Wirksamkeit in der Pro- vinz Hessen-Nassau mit den Frankfurter Verhältnissen ver- traut, wies darauf hin, daß der Staat bei der Förderung

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kultureller Aufgaben fürder nicht die Unterstützung lei- stungsfähiger Koramunen entbehren könne und gab der Meinung Ausdruck, daß bei Wahrung der staatlichen In- teressen eine ablehnende Haltung nicht richtig sei. Der A'ertreter der Breslauer Universität Professor Hillebrandt hob nochmals die finanziellen Bedenken hervor, die man in Frankfurt nicht zu kennen scheine, während Geheimrat Wagner bei aller Würdigung der idealen Momente, die der Frankfurter Plan zeige, seine Befürchtung über den Ein- fluß aussprach, den die Interessen des großen modernen beweglichen Kapitals auf die Pflege der Wissenschaft aus- üben können; das könne namentlich bei der Besetzung der nationalökonomischen Professuren von Bedeutung sein. Die weitere Entwicklung großstädtischer Universitäten berge soziale und sittliche Gefahren. Wagner erklärte, gleichwohl bei der bisherigen unzureichenden Kenntnis der Einzel- heiten sich nicht gegen das Projekt aussprechen zu wollen, aber die Regelung durch ein Gesetz für erforderlich zu er- achten, das Garantien für die Wahrung des Staatshoheits- rechtes schaffe. Von einer Beschlußfassung sah die Herren- hausberatung ab, bei der im wesentlichen sachliche Momente vorgebracht wurden, ohne daß parteipolitischer Vorein- genommenheit Raum gegeben wurde.

Zeitlich zwischen diese Verhandlungen der parlamen- tarischen Körperschaften fiel die Beratung der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung über das Projekt. Die Vor- lage des Magistrats, mit der zugleich die Denkschrift über- reicht wurde, datiert vom 28. Februar 1911. Sie fordert die Zustimmung zu den Maßnahmen und Leistungen, die die Stadt nach den vorläufigen Vereinbarungen entsprechend der Denkschrift auf sich zu nehmen habe. Die Vorlage erläutert im einzelnen den Umfang dieser Leistungen, indem sie zu- gleich in ilirem Eingang feststellt, daß bei der Finanzlage der Stadt größere, aus städtischen Steuern zu deckende Opfer ausgeschlossen seien und die Beitragslcistungen sich außer der Bereitstellung der Krankenhäuser und Institute für Unterrichtszwecke im wesentlichen auf die Überlassung

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von Bauplätzen oder vorhandenen Gebäude zu beschränken hätte. Zur Erweiterung des Hörsaalgebäudes der Jügel- stiftung und des Chemischen Instituts sollen angrenzend an die bestehenden Bauten Grundstücke im Flächen- gehalt von 4170 qm unentgeltlich in. Erbbau übertragen werden. Der bisherige Beitrag von 75 000 M an die Akademie soll unverändert künftig der Universität gezahlt werden. Zu der Benutzung der Krankenanstalten für Unterrichts- zwecke bemerkt der Bericht, daß diese keine Beeinträchtigung oder Störung der städtischen Verwaltung zur Folge habe. Der Krankenhausbetrieb und die Hausordnung bleibe Sache dieser Verwaltung; wenn die Organisation des Dienstes, namentlich in Zahl und Stellung des ärztlichen Personals, Änderungen bedinge, könnten auch diese nur im Einver- nehmen mit den städtischen erfolgen und ergäben im End- ergebnis keine Mehrausgaben. Die für die Berufungen vorgesehenen Modalitäten wahrten die städtischen Interessen durchaus.

Aufwendungen von selten der Stadt erforderten für die medizinische Fakultät hauptsächlich zwei Maßnahmen, die aber nicht erst durch die Universität hervorgerufen seien, sondern vorwiegend im Interesse des Krankenhauses lägen, nämlich

a) die Errichtung einer medizinischen und einer chirur- gischen Poliklinik,

b) die Übernahme der pathologischen Anatomie auf die Stadt.

Die Einrichtung der Pohkhniken bringe eine Ent- lastung der stationären Abteilungen, die auf jährhch 26 000 ,11 zu schätzen sei. Zur räumlichen Unterbringung wird die Hautklinik an der Gartenstraße zum Vorschlag gebracht, die nach Umwandlung des Kohlenhafenviertels in ein Wohn- viertel doch verlegt werden müsse. Für die Übernahme des pathologischen Instituts wird ein Betrag von 220000 Ji gefordert, der an die Senckenbergische Stiftung als Ersatz der Selbstkosten zu zahlen sei.

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Insgesamt werden die Kosten, die der Stadt jährlich entstehen, berechnet:

persönliche Kosten sachliche

8500 ,, 16 100 ,,

I,

für unterrichthche Er- gänzung der Kliniken,

Institute und

21 200 Ji

2.

durch die Polikliniken

9300

0

0-

durch den Betrieb des

pathologischen Instituts

20 300 ,,

50 800 M 24 600 M

Durch Änderungen der Bezüge der Hilfsärzte und Medizinalpraktikanten würden dagegen erspart an persön- lichen Ausgaben 55 000 JC, durch Einrichtung der Poli- kliniken 26 000 ,ii.

Für die von der Senckenbergischen Stiftung zu errich- tende normale Anatomie soll von der Stadt unentgeltlich an- schließend an das Krankenhausareal ein Bauplatz in Erbpacht gegeben werden. Dem physiologischen Institut sollen Räume in der bisherigen Hautklinik zur Verfügung gestellt werden.

Sollte die Frequenz späterhin 300 Medizinstudenten übersteigen, so würden voraussichtlich für Unterrichtszwecke Neubauten, insbesondere ein Hörsaal der medizinschen Klinik, weiter Mikroskopieräume, Lesesaal, erforderlich. Die Kosten hiefür in Höhe von 220 000 müßten aus den Universitätseinnahmen gedeckt werden.

Der Vortrag begründet endhch die Einbringung der Vorlage zu einem Zeitpunkt, in dem die Geldmittel für die Gründung noch nicht vollständig aufgebracht seien, damit, daß die weitere Förderung der so wichtigen Universitäts- frage nur dann gelingen könne, wenn die Bürgerschaft vollen Einblick in alle Seiten der Frage nehmen könne und die Bereitwilligkeit der Stadtverordneten-Versammlung zur Mitwirkung feststehe.

Die Anträge des Magistrats gingen hiernach dahin zuzustimmen:

I. daß die städtischen Krankenhäuser in Sachsenhausen, das Siechen -

haus, sowie die Anstalt für Irre und Epileptische, das hygienische,

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das chemisch-physiologische und das pathologische Institut zur Mitbenutzung für Universitätszwecke dauernd zur Verfügung gestellt werden, und zwar unter der Bedingung, daß die für die Universitäts- zwecke notwendigen Bauten und Einrichtungen mit Ausnahme der unter 4 genannten Polikliniken auf Universitätskosten im Einverständnis mit der städtischen Verwaltung hergestellt werden, daß ferner die städtische Verwaltung bei den Berufungen der Direktoren der gedachten Anstalten und Institute in der in der Denkschrift vorgesehenen Weise mitzuwirken hat, und daß die Regelung der Hausordnungen sowie des Krankenhausbetriebes der städtischen Verwaltung verbleibt;

2. daß die gegenwärtigen städtischen Aufwendungen für Gehalts- und sonstige Bezüge der an den unter i und 4 genannten Anstalten und Instituten angestellten oder beschäftigten Arzte, auch bei einer im Einverständnis mit der städtischen Verwaltung vorzunehmenden anderweiten Ordnung des ärztlichen Dienstes, dauernd zur Verfügung gestellt und im Fall einer Erhöhung der städtischen Gehälter oder einer Ausdehnung des ärztlichen Dienstes, insbesondere bei Erhöhung der Bettenzahl, entsprechend erhöht werden, wobei jedoch der Zeitpunkt und das Maß der Erhöhung und alle sonstigen Einzel- bestimmungen der Beschlußfassung den städtischen Behörden allein überlassen bleiben;

3. daß das pathologische Institut gegen Zahlung von 220 000 Jl an die Dr. Senckenbergische Stiftung von der Stadt in alleiniges Eigen- tum und alleinigen Betrieb unter der Bedingung übernommen wird, daß dem neurologischen Institut die ihm zur Zeit überlassenen Räume auch ferner in der seitherigen Weise übergeben bleiben, und zwar gegen eine Jahresmiete von i Ji ;

4. daß auf städtische Kosten in dem jetzigen Hautkrankenhaus an der Gartenstraße eine chirurgische und eine medizinische Poli- klinik als Universitätsinstitute eingerichtet vmd betrieben werden;

5. daß die übrigen Räume des eben genannten Hautkrankenhauses der Th. Stern 'sehen medizinischen Stiftung unentgeltlich dauernd übergeben werden, um darin auf ihre Kosten ein physiologisches Institut als Universitätsinstitut einzurichten und zu betreiben;

6. daß der Dr. Senckenbergischen Stiftung auf dem Gelände des städti- schen Krankenhauses ein Bauplatz für die Erbauung einer Anatomie in Erbbau unentgeltlich und dauernd übertragen wird ;

7. daß der Universität für einen etwa zu errichtenden größeren Hör- saal und einen Neubau für M'ikroskopiersäle und Bibliothek gleich- falls auf dem Gelände des städtischen Krankenhauses Bauplätze in Erbbau unentgeltlich und dauernd übertragen werden;

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8. daß der C.-Chr.- Jügel-Stiftung das westlich vom Jügelhause gelegene städtische Grundstück in Größe von 1793 qm zum Bau eines neuen Auditoriengebäudes unentgeltlich und dauernd übergeben wird ;

9. daß der Universität oder dem Physikalischen Verein das westlich von seinem Institutsgebäude belegene städtische Grundstück in Größe von 2377 qm zum Bau eines neuen Institutsgebäudes unent- geltlich und dauernd in Erbbau übertragen wird;

10. daß der der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften dauernd zugesicherte Betrag von 75 000 J(, ebenso wie die zur Zeit der Akademie gewährte- Zulassung der Professoren, Dozenten und Beamten zur Pensions- und Hinterbliebenenversicherung auf die Universität übertragen werden;

11. daß die Stadtbibliothek sowie die städtische Sammlung von Nach- bildungen von Kunstwerken zur Mitbenutzung für Universitäts- zwecke dauernd zur Verfügung gestellt werden und

12. daß die Stadt Frankfurt a. M. sich bereit erklärt, einem auf der Grundlage der Denkschrift aufgebauten, die Errichtung einer Stif- tungsuniversität in hiesiger Stadt betreffenden Vertrage beizutreten.

Die Vorlage gelangte am 23. März 191 1 in der Stadt- verordnetenversammlung zur Verhandlung. Die Debatte wurde durch den Verfasser eröffnet, der für die Fraktion der fortschrittlichen Volkspartei sprach und sich in eingehen- den Ausführungen auf den Boden der Vorlage stellte. Er suchte zunächst an der Hand der Entwicklung der deutschen Hochschulen das Bedürfnis für die Neugründung nachzu- weisen, die für Frankfurt die besondere Bedeutung gewinne, altem Kulturboden neues Leben einzupflanzen, und die nur der natürliche Abschluß einer ein Jahrhundert alten Ent- wicklungsei. Die Allgemeinheit habe durch die Aufwendungen des letzten Jahrzehnts für wissenschaftliche Institute solch bedeutende Opfer gebracht, daß die Bürgerschaft auch den Anspruch auf gewisse materielle Vorteile habe, die nur die Umwandlung zur Universität bringe. Der Staat, dem eigne Aufwendungen nicht zugemutet würden, könne seine Zu- stimmung zu diesem Kulturwerk nicht versagen. Eine Be- einträchtigung anderer Universitäten sei weder die Absicht noch die Folge dieser neuen Universität, wie auch die Ein- sprüche der politischen Parteien der Berechtigung entbehrten. Die Einwendungen, die gegen eine ,, freie" Universität erhoben wurden, seien wohl zutreffend, da Universitäten vor. Ab-

Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. 7

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hängigkeit von parteipolitischen oder konfessionellen Ein- flüssen bewahrt bleiben müßten, aber um eine solche ,, freie" Universität handle es sich nicht und könne es sich nicht han- deln, da eine solche der Berechtigungen und Privilegien der staatlichen Universitäten entbehren würde und mithin auch der Schüler entbehren müsse. Daraus werde allerdings sich ein Verzicht auf einen Teil des Selbstbestimmungsrechtes der Stadt an ihren Anstalten ergeben. Demgegenüber genüge eine bloße Bezugnahme auf papierne Bestimmungen der Verfassung nicht, um eine freiheitliche Verwaltung zu gewährleisten. Hiezu sei erforderlich eine feste Abgrenzung der Zuständigkeiten und die Sicherstellung vohkommener staatsbürgerhcher Parität. Von größter Bedeutung sei dann vor allem für die Organe der Stadtverwaltung die Finanz- frage, deren eingehendste Prüfung geboten sei und die nach der Vorlage noch nicht hinreichend klar liege. Auch sei zu prüfen, ob die Ausstattung an Lehrmitteln, Baulichkeiten und Dozenturen für steigende Frequenzen hinreichend Vor- sorge. Indem der Redner schheßhch der Bürger, die solche außerordenthche Opfer für die Förderung der Wissenschaft und das Ansehen der Stadt gebracht, gedachte, beantragte er namens seiner Fraktion die Vorlage zur Vorberatung an einen Sonderausschuß von 15 Mitgliedern zu verweisen.

Auch der Redner der nationalliberalen Fraktion, Dr. med. Scholz, trat warm für die Magistratsanträge ein. Die Förderung einer solchen Kulturaufgabe, führte er aus, sei Aufgabe hberaler Weltanschauung. Sie sei zugleich ein Gebot der nationalen Kultur im Interesse deutscher Ent- wicklung. Die Ausgestaltung der Krankenanstalten sei auch der Behandlung der Patienten förderlich, die wie er gegenüber erhobenen Einwendungen bemerke an Universi- täten in nicht höherem Grade Versuchsobjekte seien, als an anderen wissenschaftlich geleiteten Anstalten. Der Charakter der Universitätsanstalt gewährleiste, daß man die leitenden Stellen mit den ersten Ärzten dauernd besetzen könne. Ebenso bessere sich die wissenschafthche Qualität der Hilfsärzte. Die finanzielle Seite erfordere eingehende

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Prüfung zumal bei dem sonnigen Optimismus, der die Vor- lage durchglänze.

In scharfen Gegensatz zu diesen Ausführungen stellte sich die sozialdemokratische Fraktion. Ihr Redner, Dr. Quarck, ging davon aus, daß mit der wirtschaftlichen Um- schichtung sich auch die geistigen Bildungsbedürfnisse ver- schoben hätten. Für die Arbeiterschaft käme die Bildung der Universität nicht in Betracht. Die materiellen Erwerbs- interessen des kleinen Bürgertums seien in abstoßender Weise hervorgehoben, notwendige Nachteile verschwiegen. Prin- zipielle Bedenken lägen aber vor allem nach drei Richtun- gen vor. Die Gemeinde habe nicht die Aufgabe, dem Staat die Lasten für das Hochschulwesen abzunehmen, darüber müßten notwendige kommunale Bildungsinteressen vernach- lässigt werden. Sodann sei der Finanzplan auf den Bedürf- nissen einer Kleinstadt-Universität aufgebaut, während dem tatsächlichen Bedarf die Stadt künftig nicht gewachsen sein werde. Endlich aber lägen die. stärksten Bedenken auf politischem Gebiete, wobei Redner im einzelnen von seinem Standpunkt aus die Zustände der Unterrichtsverwaltung einer Kritik unterzog. Seine Partei sei zur Mitarbeit im Ausschusse bereit, um einen Weg zur Befreiung von mini- steriellen Einflüssen zu finden und werde Vorschläge für eine gewisse Unabhängigkeit und Bewegungsfreiheit machen. Gerade da hier solch große Summen in Frage ständen, könnte den reaktionären Parteien gegenüber ein Erfolg erzielt werden. Das habe allerdings zur Folge den Verlust aller Examenberechtigungen, aber das Ziel müsse sein eine freie Universität im Sinne Goethe 'scher idealer Bildungs- bestrebungen.

Der zweite Redner der nationalliberalen Fraktion, Rechtsanwalt Dr. Rumpf, suchte vor allem die Stellung seiner Partei im Preußischen Abgeordnetenhause klarzu- stellen und zu verteidigen. Es handle sich in erster Linie um einen Zusammenschluß der bestehenden wissenschaft- lichen Anstalten, ähnlich wie er vor loo Jahren zur Grün- dung der Berliner Universität geführt habe. Wesentlich

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praktische Gesichtspunkte behandelte der Stadtverordnete F u n c k, der für die Vorlage bereits in seiner Eigenschaft als Abgeordneter im Landtage eingetreten war, indem er die beiden Fragen aufwarf, ob die Fürsorge für die Zukunft der Stadt das Projekt rechtfertige und ob die Opfer, die die Stadt zu bringen habe, keine zu große seien. Die letztere Frage eingehend zu prüfen sei Sache der Kommission, die sich mit der Vorlage zu befassen habe, die erste re werde allseitig bejahend beantwortet! Nachdem der Redner so- dann den Verlauf der Verhandlungen im Abgeordnetenhause geschildert, wies er darauf hin, daß der sozialdemokratische Redner im Preußischen Landtag eine durchaus andere Stellung als seine Parteigenossen in der Versammlung eingenonmien habe. Durchaus nicht verwerflich sei es, wenn hier in der Versammlung auch die materiellen Interessen der Bürger- schaft berührt würden. Die Idee einer freien Universität möge schön sein, aber sie sei den Tatsachen gegenüber nicht durchzusetzen. Wenn die heutigen Universitäten manche Auswüchse zeigten, so sei das kein Grund von einer Neu- errichtung überhaupt abzusehen, diese rechtfertige sich aus allgemeinen und lokalen Gründen. ,,Wir haben das höcliste Interesse daran," schloß Funck, ,,daß das viele Gute, was von jeher aus eigner Kraft der Bürgerschaft hier geschaffen ist, was wir keiner andern Seite, keiner Freigebigkeit von oben verdanken, daß wir das so konsoHdieren, daß es unsern Nachkommen erhalten bleibt." In seiner Erwiderung auf die Vorredner verteidigte Oberbürgermeister A d i c k e s zunächst die Zweckverwendung der Jügel- Stiftung gegen Angriffe Dr. Quarcks als durchaus den Absichten des Stif- ters entsprechend. Wenn gesagt sei: die Denkschrift sei optimistisch gehalten, so sei dem entgegenzuhalten, daß eine solche Aufgabe nicht ohne Optimismus gelöst werden könne. Dieser Optimismus sei durch den bisherigen Opfersinn der Bürgerschaft gerechtfertigt. Um Klarheit zu schaffen, sei zu betonen, daß bisher nur der erste Akt der Gründungs- geschichte vorliege, die Genehmigung durch die Staats- regierung werde erst den zweiten Akt bilden dürfen. Bei

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diesem ersten Akte, auf dessen Betrachtung man sich zu- nächst zu beschränken habe, handle es sich um die Beschaf- fung der Unterlagen für die Gründung. Größere Opfer sollten dabei von der Stadt überhaupt nicht gebracht werden. Eijie große Universität brauche nicht sofort begründet zu werden. Das sei Sache der Entwicklung und man brauche nach den bisherigen Erfahrungen an der Möglichkeit solcher Entwicklung nicht zu zweifeln. Aus den Taschen der Steuerzahler solle nichts genommen werden, er bitte um eingehende Prüfung im Ausschuß. ,,Ich bitte aber vor allen Dingen dabei mit dem starken Optimismus, den eine große Sache erfordert, an die ganze Sache heranzutreten," schloß der große Optimist, der bei einer andern nicht minder bedeutsamen Aufgabe einmal sagte, man solle die Zukunft nie unterschätzen. ,,Mit Pessimismus ist jede Behauptung leicht zu widerlegen . . . Das ist sehr bequem, sehr leicht. Deshalb sage ich, meine Herren, gehen Sie an die Sache mit dem Optimismus, der gerechtfertigt ist durch dasjenige, was die Bürgerschaft bisher tatsächlich getan hat."

Nachdem noch ein zweiter sozialdemokratischer Redner namentlich auszuführen versucht hatte, daß die Interessen der Patienten durch den Forschungs- und Unterrichtsbetrieb litten und ihnen hintangesetzt würde, wurde die Vorlage ohne Widerspruch einem Sonderausschuß von 15 Mitghedern zum Bericht überwiesen.

Die Verhandlungen des Ausschusses, der den Verfasser zum Berichterstatter bestimmte, gestalteten sich sehr schwie- rig, da seitens der sozialdemokratischen Vertreter wie auch seitens eines dissentierenden Mitglieds der Fortschrittlichen Volkspartei der Vorlage ein grundsätzlicher Widerstand entgegengesetzt wurde, der anfänglich teilweise den Charak- ter der Obstruktion annahm. Dies mußte dazu führen, daß die Beratung häufig über nebensächliche Punkte sich in weitschweifige Diskussionen verlor und darüber eine gründhche Aufklärung der Vorlage vielleicht in manchen Punkten zu kurz kam. Der Bericht sucht aus der Wirrnis der Verhandlungen, die sich fast in jeder Sitzung wieder auf

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alle Einzelheiten erstreckten, eine systematische Darstellung über die Hauptgesichtspunkte zu geben, die er wie folgt hervorhebt :

A. Charakter der Stiftung als Universität.

Gegen die Begründung der Anstalt als Staatsuniver- sität richteten sich naturgemäß wiederum die Hauptangriffe. Der Gedanken einer freien Universität wurde wieder aufge- nommen und kam in dem Antrag zum Ausdruck, die Ver- einigung der in der Vorlage benannten Institute und Stif- tungen solle zu dem Ziele herbeigeführt werden, eine For- schungsgemeinschaft für Ärzte, Naturforscher, Verwaltungs- beamte, Richter, Lehrer, freie Berufs- und Gewerbetreibende vielleicht unter dem Namen Goethe-Stiftung zusammen- zuführen, mit städtischer Unterstützung eine Verwaltungs- zentrale für diese Goethe-Stiftung zu schaffen und ihr die städtischen Krankenanstalten und die Stadtbibliothek für ihre Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen, mit dem ,, Freien Deutschen Hochstift" wegen seines Anschlusses zu verhandeln und eine entsprechende Vorlage wegen Grün- dung dieser Stiftung mit städtischer Unterstützung zu machen. Gegenüber diesem Antrag wurde darauf hinge- wiesen, daß mit einer solchen Gründung nichts für die För- derung der wissenschaftlichen Anstalten gewonnen sei, daß sie eine Wiederholung undurchführbarer Pläne darstelle, wie sie Dr. Volger bei der Gründung des Freien Deutschen Hochstifts verfolgt habe, und daß sie sich vor allem mit der Organisation der Akademie in Widerspruch setzte, indem sie sogar das für diese Gewonnene wieder aufhebe. Der Antrag erledigte sich schließlich durch die Annahme der Grundlagen der Magistrats vorläge.

B. Allgemeine Organisation und Fakultäts-

verfassung.

Bei der Frage der Gliederung der Fakultäten kam in erster Linie zur Sprache, wie man beim Verzicht auf die theologische Fakultät den Rücksichten auf die Kandidaten

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des höheren Lehramts, die eine Prüfung in Theologie als Nebenfach ablegen wollten, entsprechen könne. Zum Er- satz wurden Vorlesungen religions-philosophischer und -ge- schichtlicher Art in Anregung gebracht. Weiter wurde be- antragt und beschlossen, der neueren Organisation durch Trennung der philosophischen Fakultät zu folgen und in Erwägung zu ziehen, neben der medizinischen eine juris tisch- staatswissenschafthche, eine philosophische und eine natur- wissenschaftlich-mathematische Fakultät zu bilden. Ebenso wurde für wünschenswert erklärt, entsprechend den neuen Bestrebungen an der deutschen Universität die außerordent- lichen Professoren in ihrer Rechtsstellung zu heben und ihnen Sitz und Stimme in der Fakultät zu verleihen.

Einig war der Ausschuß darin, den Einfluß der Stadt- verwaltung gegenüber der staatlichen Oberaufsicht nach Möglichkeit zu wahren und dementsprechend der Stadt- verordnetenversammlung eine angemessene Vertretung auch im Verwaltungsausschusse zu sichern.

C. Die Beruf ungsfrage und dasVerhältnis der städtischen Anstalten zum Staat. Die Berufungsfrage stand bei den Verhandlungen naturgemäß im Vordergrund, da hier vorzugsweise auch das Interesse der politischen Parteien ins Spiel kam und die Praxis der Universitäten Anlaß zu lebhafter Kritik bot. Der Magistrat wies darauf hin, daß die Ordnung, wie sie die Denkschrift ins Auge faßt, bei den mit Dozenturen verbundenen Anstalten der Frankfurter Universität weitere Rechte einräume, als sie eine andere preußische Universität habe. Demgegenüber wurde eine allgemeine Garantie für Wahrung der verfassungsgemäßen Grundrechte verlangt. Der weitestgehende Antrag in dieser Richtung forderte,

in den Vertrag die Bestimmung aufzunehmen : Die Stadt, die beteiligten Stiftungen und Gesellschaften werden Leistungen für die Universiätt nur solange übernehmen und fortsetzen, als die Zulassung und das Verbleiben im Lehramte nicht von den religiösen, wissenschaftlichen oder politischen Überzeugungen des Lehrers abhängig gemacht wird, sowie als die Dozenten volle Lehrfreiheit

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genießen und in der Ausübung staatsbürgerlicher und persönlicher Rechte nicht beschränkt werden.

Die Mehrheit war sich klar, daß die Annahme dieses Antrages ein Scheitern der Vorlage zur Folge haben müßte. Die Grundlagen und die Existenzmöglichkeit der Universit.ät wären auch durchaus in Frage gestellt worden, wenn jede einzelne Stiftung ihre Leistvmgen von ihrer subjektiven Ansicht über die Einhaltung aller jener die Grenzen poli- tischer und religiöser Streitfragen berührenden Grundsätze sollte abhängig machen dürfen. Man glaubte aber eine Garantie in der Richtung dieses nicht zur Annahme ge- langenden Antrags in einer schärferen Umgrenzung des Vorschlagsrechts finden zu können und ein verstärktes Vorschlagsrecht durch Präsentation eines einzigen Namens statt des Dreiervorschlags fordern zu sollen. Dieses Recht, das weiter als bei den übrigen Universitäten gehe, sei begrün- det durch die ausschließhche Unterhaltung der Universität durch Kommvme und Stiftungen und sei geschichthch auch dadurch gegeben, da es bei der Akademie in dieser Form bestehe. Es wurde daher der Antrag angenommen

bei Abfassung der Verträge mit den Stiftungen und den Verhand- lungen mit dem Staat soll, sofern durchführbar, darauf hingewirkt werden, daß das Vorschlagsrecht in der Form, wie es bei der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften gegeben ist, beibehalten wird.

Gegen die Bereitstellung der städtischen Kranken- anstalten für Universitätszwecke wurde das Bedenken er- hoben, daß Eingriffe der Regierung in die Verwaltung und sogar eine Zwangsetatisierung für neue Aufwendungen zu befürchten seien. Von selten der Opposition wurde bean- tragt, ein öffentlich-rechtliches Gutachten über die Frage einzuholen, ob aus der geplanten Ordnung staatliche Rechte auf die Krankenhaus-Verwaltung erwachsen könnten. Von Seiten der Mehrheit wurde angeführt, daß diese Frage ausschließlich nach der Fassung des abzuschließenden Ver- trags sich regeln werde und diese hinreichende Schutzmaß- nahmen vorsehen könne. Der Antrag wurde daher abge- lehnt. Dagegen wurde bei der Schlußberatung ein An-

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trag angenommen, daß in dem abzuschließenden Vertrage eine noch schärfere Betonung des Selbst vervvaltungs- und Bestimmungsrechtes der Stadt an ihren Anstalten zum Ausdrucke kommen solle, insbesondere sollte aus- drücklich bestimmt werden, daß es ausschließlich Sache der Stadt sei, ob sie eine Erweiterung der der Universität zur Verfügung zu stellenden Anstalten vornehmen wolle, und daß die Festlegung aller Verwaltungsgrundsätze, wie insbesondere die der Verpflegungssätze, auch die Bestimmung einzuführender sozialer Einrichtungen ausschließlich der Stadtverwaltung vorbehalten bleibe. Ebenso solle festgelegt werden, daß die Erteilung des Unterrichts alle Rücksichten auf berechtigte Interessen und Empfindungen der Patienten zu nehmen habe und eine Vorstellung der Patienten zu Demonstrationszwecken nicht ohne ihre Einwilligung oder die ihrer Angehörigen erfolgen dürfe.

Die vorläufige Bindung der Korporationen, die die Denkschrift unterzeichnet hatten, wurde angezweifelt, auch bestritten, daß diese Korporationen finanziell in der Lage seien, den durch die Universitäts-Gründung an sie heran- tretenden neuen Anforderungen zu genügen. Es wurde nach dieser Richtung die Vorlage weiterer Unterlagen und die Beiziehung fachmännischer Gutachten verlangt, doch erklärte der Ausschuß nach Vorlage eines vertraulich behandelten Gutachtens eines früheren Universitätsdozenten die Sach- lage für hinreichend aufgeklärt. Nachdrückhcher Wert wurde im Ausschuß darauf gelegt, daß die wissenschaftlichen Insti- tute über ihrer neuen Bestimmung nicht ihre alten und im Interesse der Gesamtbürgerschaft gepflegten Aufgaben ver- nachlässigten, daß also namentlich die wissenschaftliche Fortbildung seitens der Akademie, die Zulassung der Lehrer und Schüler bei den Vorlesungen und Kursen des Physi- kalischen Vereins und der Senckenbergischen Naturforschen- den Gesellschaft weiter erfolgen, auch die Volksbildungs- bestrebungen im bisherigen Umfange gepflegt werden sollten. Diese Wünsche fanden in entsprechenden Anträgen allseitige Zustimmung.

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D. D i e Fi n a n z f r a g e. Zur Beurteilung, inwieweit die Stadt späterhin für erhöhte Ausgaben herangezogen werden könne, wurde in erster Linie festgestellt, daß es sich nicht um Errichtung einer städtischen Universität handle, sondern daß der Träger aller Rechte und Pflichten eine selbständige Stiftung sei, der gegenüber sich die Stadt nur zu bestimmten,' fest um- grenzten Leistungen verpflichte. Gleichwohl mußte geprüft werden, ob die finanziellen Unterlagen, die nach der Vor- lage in Aussicht genommen werden sollten, eine Gewähr für die Unterhaltung und Fortentwicklung böten. Zum Vergleich wurde eine Reihe von Haushaltsplänen anderer LIniversitäten, so von Heidelberg, Gießen, Tübüigen und Straßburg herangezogen. Diese Vergleichung ergab, daß die für Frankfurt vorgesehene Summe den Haushalt dieser sämtlichen Universitäten erheblich übersteigt. Entsprechende Vergleichssummen wurden auch für die Kliniken und Insti- tute großer Universitäten, wie Berlin, Königsberg, Bres- lau u. a. vorgelegt. Im einzelnen wurden die Aufwendungen für die zu beschaffenden Einrichtungen und die Belastung der Stadt hierbei nachgeprüft. Eine Kritik fand nament- lich die Berechnung der Vorlage, daß ein Teil dieser Belastung durch Ersparnisse bei Neuordnung der ärztlichen Bezüge und durch Einrichtung der Polikliniken ausgeglichen werde. Die Berechtigung der Herabsetzimg der Bezüge der Sekundär- ärzte, Hilfsärzte und Praktikanten wurde für den Fall der Universitätsgründung vom Ausschuß anerkannt, dagegen wurden die Ersparnisse, die durch Einschränkung der sta- tionären Behandlung infolge Errichtung der Polikliniken erwüchsen, nur zum Teil in Rechnung gestellt. Die Schät- zung der eigenen Einnahmen der Universität wurde als vor- sichtig anerkannt, wobei man trotz Einwendungen gegen die Beteiligung der Dozenten an Kolleggeld und Promo- tionsgebühren an der (Grundlage des für die preußischen Uni- versitäten bestehenden Systems festhielt, da es historisch gegeben und mit der Deutschen Universitätsverfassung eng verbunden sei. Bezüglich der finanziellen Leistungsfähig-

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keit der Vereine und Stiftungen wurde eine Prüfung an Hand der vorgelegten Jahresberichte vorgenommen, die Bedenken nicht ergab. Wenn hiernach der Ausschuß zu dem Ergebnis kam, daß die finanziellen Berechnungen nach den Ausführungen der Denkschrift im wesentlichen als zutreffend angenommen werden konnten, bestand doch Übereinstimmung dahin, es solle im Vertrage mit möglichster Schärfe zum Ausdruck gebracht werden, daß die Leistungen der Stadt mit den vertraglichen Zuwendungen ein für alle- mal festgelegt seien und daß alle künftigen Aufwendungen für Universitätszwecke, seien es Bauten, seien es solche andrer Art, ausschließlich Sache der Universität seien; ebenso war die einstimmige Meinung, daß für den aufzustellenden Finanzplan nicht genüge, wenn er nur die augenblicklichen Bedürfnisse berücksichtige, sondern daß erforderlich sei, durch hinreichende Reserven für die künftige Entwicklung und ihren Bedarf Vorsorge zu treffen. Entsprechende An- träge gelangten zur Annahme. Angenommen wurden weiter Anträge, die auf eine Trennung der Pensionslasten von den städtischen Einrichtungen und ihre Sicherstellung abzielten. Der Sonderausschuß kam hiernach bei seiner Schluß- abstimmung zu dem Beschluß, die Magistratsanträge zu 2 9 und II der Vorlage mit lediglich unwesentlichen re- daktionellen Änderungen, sowie die Anträge i, lo und 12 in folgender Fassung der Stadtverordnetenversammlung zur Genehmigung vorzuschlagen:

I. zuzustimmen, daß die städtischen Krankenhäuser in Sachsen- hausen, das Siechenhaus sowie die Anstalt für Irre und Epileptische, das hygienische, das chemisch-physiologische und das pathologische Institut zur Mitbenutzung für Universitätszwecke dauernd zur Verfügung gestellt werden, und zwar unter der Bedingung, daß die für die Universitätszwecke notwendigen Bauten und Einrichtungen mit Ausnahme der unter 4 genannten Polikliniken auf Univer- sitätskosten im Einverständnis mit den zuständigen städtischen Behörden hergestellt werden, daß ferner die städtische Verwaltung bei den Berufungen der Direktoren der gedachten Anstalten und Institute in der in der Denkschrift Seite 27 29 angegebenen Weise, jedoch mit der durch die Abänderung zu Antrag 12 vorgesehenen Maßgabe mitzuwirken hat,

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luid (laß die Regelung der Hausordnung, sowie des Krankenhaus- betriebes, insbesondere auch die Bestimmung über die Erweiterung des Umfangs der der Universi- tät zur Mitbenutzung zu g e w ä h r e n d e n A n s t a 1 - ten, die Festsetzung der Verpflegungssätze, wie die Durchführung für erforderlich erach- teter sozialer Einrichtungen den zuständigen städti- schen Behörden verbleibt, wobei vorzusehen ist, daß die Erfüllung der Lehraufgaben mit aller erfor- derlichen Rücksicht auf die Kranken durch- geführt wird, insbesondere eine Vorstellung der Kranken zu Demonstrationszwecken nicht gegen ihren oder ihrer Angehörigen Willen vorgenommen werden darf;

lo. a) daß der der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften dauernd zugesicherte Betrag von jährlich 75 000 M mit der Maßgabe der Universität übertragen wird, daß Vorsorge dafür zu treffen ist, daß die Akademie für Sozial- und H a n d e 1 s w i s s e n s c h a f t e n die ihr durch die oberen städtischen Behörden gemäß Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 2^. April 1 907 auferlegten Verpflichtungen weiter erfüllt, wie auch beim Physikalischen Verein und beider Senckenbergischen Natur- forschenden Gesellschaft gemäß deren Zu- sagen zu erwirken ist, daß die Berechtigung der hiesigen Lehrer und Lehrerinnen sowie der S c li ü 1 c r u n d S c h ü 1 e r i n n e n z u r u n e n t g e 1 1 1 i c h e n Teilnahme an Lehrgängen, Übungen und Ex- kursionen wie bisher, auch die Abhaltung der gemeinverständlichen Vorlesungen unter An- passung an die Bedürfnisse der gewerbtätigen Bevölkerung nach Inhalt und Zeit unverän- dert bleibt,

b) daß die zur Zeit der Akademie gewährte Zulassung der Professoren, Dozenten und Beamten zur Pensions- und Hinterbliebenen - Ver- sicherung auf die Universität übertragen wird, wobei indes an erster Stelle zu prüfen ist, ob die Pen- sions- und Hinterbliebenen Versicherung nicht durch eine selbständige bei der Universität zu errichtende Kasse zu übernehmen ist, an- dernfalls vorbehalten bleibt.

c) daß bei der Revision der Dotierung der städti- schen Pensionskassen der vereinbarte Satz

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von lo Proz. einer Revision unterzogen wird; tl a ß bei dem Abkommen mit der Universität darauf Bedacht genommen wird, daß dieselbe keine günstigeren Pensions normen als die für die städtischen Beamten und Lehrer geltenden Sätze für Ruhegehalt und Hinterbliebenen- versorgung gewährt und bei A n stell ungs ver- tragen bei etwaiger Anrechnung von früheren Üienstjahren die bei der Stadt in dieser Be- ziehung üblichen Gepflogenheiten eingehal- ten werden;

daß für einen etwaigen Fall des Eingehens der Universität die Mittel für die noch vor- handenen Pensionsansprüche sicherzustellen sind;

12. daß die Stadt Frankfurt a. M. sich bereit erklärt, einem die Errichtung einer Stiftungs-Universität in hiesiger Stadt betreffen- den Vertrage beizutreten, der auf der Grundlage der Denkschrift mit der Maßgabe aufgebaut ist:

a)daß die Stadtverordnetenversammlung angemessene Vertretung im Verwaltungs- ausschuß erhält; b) daß im Vertrage wie bei d e n \' e r h a n d 1 u n g e n mit dem Staate gefordert wird, daß das \'orschlagsrecht bei der Ernennung or- dentlicher und außerordentlicher Pro- fessoren in der Form, wie es bei der Aka- demie für Sozial- und H a n d e 1 s w i s s e n - schatten gegeben ist, beibehalten wird; c)daß in Erwägung gezogen wird, bei Glie- derung der Fak ul t ä t s V er f ass u n g neben der medizinischen eine juristisch-staats- wissenschaftliclie, eine philosophische und eine naturwissenschaftlich-mathe- matische Fakultät zu bilden; d) daß Verpflichtungen oder finanzielle Lei- stungen seitens der Stadt über die zu den Punkten i 1 1 aufgeführten nicht über- nommen werden, insbesondere für not- wendig erachtet werdende Neu-, Um- und Erweiterungsbauten für U n i v e r s i t ä t s - zwecke keine städtischen Mittel in An- spruch genommen werden dürfen, daß viel- mehr der finanziellen Ausstattung der

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Stiftung überlassen bleiben muß, die ge- eigneten Garantien dafür zu finden sei es durch Bildung eines hinreichenden Rücklagefonds, sei es durch andere Mittel der Sicherstellung , daß auch in Zukunft die wachsenden Bedürfnisse ohne Zuhilfe- nahme städtischer Mittel befriedigt wer- den können.

Der Bericht wurde am 24. Juni 1911 festgestellt und der Versammlung vorgelegt. Seitens der sozialdemokrati- schen Mitglieder des Ausschusses wurde eine Gegenerklärung abgegeben, deren Aufnahme in den Bericht die Mehrheit ablehnte und der daher zunächst in der Parteipresse abge- druckt und bei der Plenarberatung zur Vorlesung gebracht wurde. Diese Erklärung führt zunächst aus:

„Die Minderheit hat an der Kommissionsarbeit unter der Voraussetzung teilgenommen, daß es möglich sein werde, die neuen Universitätseinrichtungen organi- satorisch so zu gestalten, daß mindestens die be- kanntenpreußischen Mißstände zuweitgehender Staats- einmischung ausgeschlossen seien und mindestens die Bahn zur fortschrittlichen Entwicklung der neuen Hoch- schule geöffnet werde. Außerdem hoffte sie durch die Kommissionsverhandlungen ein völlig klares Bild über alle wahrscheinlichen Kosten der geplanten Uni- versität zu erhalten. Nach beiden Richtungen sind ihre Erwartungen nicht eingetroffen.

Die Kommissionsmehrheit hat sich auf den Stand- punkt gestellt, daß die künftige Frankfurter Univer- sität sich allen wesentlichen Staatsvorschriften mit Bezug auf ihre Organisation zu unterwerfen habe, wenn sie auf Genehmigung hoffen wolle und sie hat deshalb alle Anträge und Anregungen, die auf größere Selb- ständigkeit und Bewegungsfreiheit hinzielten, als sie sonst in Preußen den Hochschulen gewährt wird, abgelehnt. So fiel der Antrag der Minderheit, der den Dozenten eine von den in Preußen herrschenden poli- tischen und sozialen Anschauungen unabhängige Stel-

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lung geben wollte und so wurden ihre Anregungen zur Reform der Kollegien- und Prüfungsgelder nament- lich nach der Richtung, daß diese Einnahmen nicht mehr den Dozenten zufließen und infolgedessen keinen Anreiz zur Heranziehung flüchtiger Kollegienbesuche und massenhafter Examenkandidaten bilden, von der Mehrheit als undurchführbar bezeichnet. Ebenso lehnte die Mehrheit es ab, Schutzmaßregeln dagegen zu treffen, daß in unseren Krankenanstalten dadurch, daß sie untei richtlich der Staatsverwaltung unter- stehen, der Hauptzweck der Krankenpflege allzusehr in den Hintergrund und der Nebenzweck der Demon- stration an den Kranken allzusehr in den Vordergrund geschoben werde. Der Antrag der Minderheit, über die Möglichkeit staatlicher Eingriffe nach dieser Rich- tung ein fachmännisches Gutachten einzuholen, wurde von der Mehrheit ebenfalls abgelehnt. Der Hinweis auf die üblen praktischen Erfahrungen, die in dieser Richtung in Düsseldorf gemacht worden sind, fand keine Beachtung bei der Kommissionsmehrheit, trotz- dem dort durch ein Gutachten des Professors Dr. Hatschek-Göttingen festgestellt ist, daß der Staat gegenüber Städten, die ihre Krankenhäuser zu Hoch- schulzwecken zur Verfügung gestellt haben, sogar das Recht der Zwangsetatisierung habe. Die Verträge der Städte München und Straßburg i. E. mit den dortigen staatlichen Universitäten über Benutzung städtischer Krankenhäuser zu Lehrzwecken, die der Magistrat der Kommission vorlegte, zeigen, daß sich jene Städte viel sorgfältiger dem Staate gegenüber gesichert haben, als es hier geschehen soll."

Die Erklärung stellt sodann die gegenwärtige Übung bei Berufung der Professoren fest und schließt daran die Ausführung, daß die geringfügigen Änderungen, die die Mehr- heit vorzuschlagen beschlossen habe, an diesem Zustand der Unmündigkeit wenig ändern. Die Minderheit erblicke in der geplanten Universität eine der vielen Hochschulver-

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anstaltungen mit tiefgreifenden Mängeln mehr, wie sie in Deutschland genugsam beständen. Den Weg zu einer origi- nellen, in Deutschland noch nicht vorhandenen Zentrale für freie Forschung habe der Antrag auf Gründung einer freien Goethestiftung gewiesen. Es folgen sodann Berech- nungen über die finanzielle Belastung der Stadt mit dem Ergebnis, daß solche nicht hinreichend klargestellt sei. Das vorgelegte Gutachten sei eher geeignet gewesen, die Beden- ken zu steigern. Aus allen diesen Gründen lehne die Min- derheit das Projekt ab.

Schon vor dieser Veröffentlichung in dem sozial- deuK^kratischen Organ hatte eine lebhafte Polemik in der Frankfurter Presse eingesetzt, die vornehmlich durch einen Aufsatz des Leipziger Nationalökonomen Karl Bücher in der Frankfurter Zeitung eröffnet worden war. Bücher wandte sich darin gegen jede Neugründung von Universitäten in Deutschland. Die Bildung der großen Zentraluniversität scheint ihm der modernen Entwicklung der Wirtschaft zu entsprechen, dem Gesetz der Massenproduktion, das auch die Technik des Massenunterrichts entwickelt und zur Ver- vollkommnung geführt habe. Eine freie Forschungsuniver- sität könne wohl ein neues Hochschulideal darstellen. Unter Verkennung der geplanten Verwaltungsorganisation sieht Bücher in dieser noch eine Einschränkung der akademi- schen Selbstverwaltung, wie sie andere Universitäten be- sitzen, indem er annimmt, daß der Verwaltungsausschuß die eigentliche Vorschlagsbehörde bei Berufungen sein solle. Bedenklich sei auch die finanzielle Behandlung des Planes, der mit wesentlich zu geringen Bedürnissen rechne. Die Richtung, in der Großes zu erreichen sei, weise für Frank- furt auf Ausbildung von Forschungsinstituten und für die Akademie auf die politische Hochschule. Die Stadt solle sich nicht mit einem alten Zopfe schmücken, den sie mit zwanzig Schwestern teile. Diese Verteidigung der großen Zentraluniversität blieb nicht ohne Widerspruch seitens eines Vertreters einer mittleren Universität. In der Frankfurter Zeitung vom 26. April trat der Freiburger Linguist Prof.

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Kluge der Ansicht entgegen, als ob die Äußerungen Büchers die allgemeine Meinung der Universitätskreise darstellten. Kluge erkennt die Vorzüge der großen Zentraluniversitäten für die Forschung und den Unterricht in Spezialfächern an, hebt aber demgegenüber die große Bedeutung der mittleren und kleinen Universität für das deutsche Geistesleben hervor. Die deutschen Universitäten hätten noch nie neu entstehende Schwesteranstalten zu fürchten gehabt. Auch sei ebenso- wenig anzunehmen, daß ein Gemeinwesen wie Frankfurt nicht in der Lage sein werde, seine Universität auf der Höhe zu halten. Es hieße die private Liberalität kopfscheu machen, wollten die Universitäten selbst den Plan durch Ängsthch- keit lähmen. Mit dem Idealismus aus der guten alten Zeit der deutschen Universität wünscht Kluge das Erblühen einer neuen Pflanzstätte der Wissenschaft, die auch den Geist einer neuen Zeit zeigen und sich von alten Zöpfen frei halten werde.

War diese Debatte zunächst mehr eine akademische, so gewann mit dem. Herannahen der Verhandliuig in der Stadtverordnetenversammlung der Streit in der Tages- presse und in öffentlichen Versammlungen an Leidenschaft- lichkeit. In einem Leitartikel des Abendblatts der Frank- furter Zeitung vom 17. Juni 1911 wird daran erinnert, welche Gegnerschaft das Projekt zunächst bei den Parteien der Rechten im Preußischen Landtag fand, wie dann neue Gegner- schaften aus den Kreisen der wirtschaftlich Interessierten erstanden, und wie nun der stärkste Angriff durch die Sozial- demokratie erfolge. Der Artikel nimmt sehr vorsichtig zu dem Universitätsplan Stellung. Er erkennt seine Bedeu- tung für Frankfurt an, meint aber, auch die Konimissions- arbeiten könnten noch nicht alle Bedenken, die von Frank- furter Seite gehegt würden, zerstreuen. Die Bedenken werden hauptsächlich auf dem finanziellen Gebiet gesehen, da noch kein klares Bild über die Ausgaben und die noch fehlenden Deckungsbeträge vorliege. Wenn die Universität an sich willkommen sei, so müßten doch die Opfer, die die Stadt zu bringen habe, erträglich sein. In dieser Stellung

Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. 8

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des bedeutendsten Frankfurter Organs trat ein Umschwung ein, nachdem eine große öffenthche Versammhmg, die vom Fortschritthchen Volksverein am 22. Juni einberufen war, zur Frage Stelhuig genommen hatte. In dieser Versammhmg erstattete der Verfasser Bericht über den bisherigen Verlauf der Verhandlungen, die er in jeder Hinsicht als günstig für das Interesse Frankfurts wie seiner wissenschaftlichen In- stitute glaubte bezeichnen zu können. Der Redner stieß indes auf den heftigsten Widerspruch in der Diskussion, die die schärfste Form annahm. Nachdem von einem Dis- kussionsredner wiederum die ,, freie" Universität des sozial- demokratischen Antrags befürwortet worden war, erhoben andere hauptsächlich politische Bedenken, die sich vor- wiegend auf die Berücksichtigung konfessioneller Momente bei den Berufungen stützten, ebenso wurden finanzielle Befürchtungen für eine künftige übermäßige Belastung der Stadt erhoben. An den Verlauf dieser Versammlung knüpft ein zweiter Artikel der Frankfurter Zeitung von 23. Juni an, der der Meinung Ausdruck gibt, erst diese öffentliche Aussprache habe Mittel und Wege zur Lösung der Haupt- fragen angegeben. Zwei solcher Fragen kämen hauptsäch- lich in Betracht, die der Ernennung der Professoren und die Finanzfrage. Im Gegensatz zum Leitartikel vom 17. Juni findet die Zeitung jetzt, daß auch die Kautelen, die der Ausschuß vorschlage, nicht ausreichten, um Garantien für eine vorurteilslose Besetzung der Lehrstühle herbeizuführen. Der Staat mache keine Leistungen für die Universität, er erhalte ein großes Geschenk, daher müsse es Aufgabe der Stadt sein, unzweideutige Festsetzungen zu treffen, daß konfessionelle und politische Rücksichten bei der Lehr- berufung keine Rolle spielen dürften. Auch die Behandlung der Finanzfrage im Ausschuß zeuge von großem Optimismus. Der Etat der Kommission rechne schon mit Ziffern, die die der Vorlage weit überschritten, indem man einfach die Etats der Krankenhäuser zugereclmet habe. Es müsse volle finan- zielle Klarheit und Sicherstellung der Finanzen der Stif- tungsuniversität verlangt werden, die in Wirklichkeit eine

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städtische Universität sei. Dieser Artikel, der wenige Tage vor dem Beginn der Verhandlungen der Stadtverordneten- versammlung erschien, war geeignet, das Schicksal der Vor- lage schwer zu gefährden. Er war bedenklich, indem er der Stadt Verantwortlichkeiten zuschieben wollte, die diese in keiner Weise übernehmen durfte. Es war von vorneherein der Standpunkt aller derer, die für das Projekt arbeiteten, daß die Universität keine städtische sein sollte, daß die Trägerin aller Rechte und Pflichten eine selbständige Stiftung werden müsse, die auch ihre eigne finanzielle Verantwortlichkeit habe und deren künftige Lasten zu übernehmen der Stadt auch keine moralische Verpflichtung zugemutet werden dürfe. Die Finanzfrage konnte in diesem vorbereitenden Stadium überhaupt noch nicht erschöpfend geklärt werden. Es war im Ausschuß nur festzustellen, ob die vorhandenen Unter- lagen zuzüglich der in Aussicht genommenen Ergänzungen dem Rahmen anderer Universitäten etwa entsprächen und ob man auf dieser Grundlage zur Gründung schreiten könne. Daß die vorhandenen Mittel nicht ausreichten, war schon klar in der Vorlage gesagt. Erst wenn grundsätzlich der Wille zur Gründung feststand, konnte man an die eigent- liche Finanzierung herangehen, wie namentlich an die Fest- setzung der Summen, die durch fraiwilhge Spenden auf- gebracht werden mußten und an deren Beschaffung. Für die Sicherstellung der städtischen Interessen war genügend, daß der Ausschuß festgelegt hatte, es müßten hinreichende Reserven für die spätere Entwicklung vorgesehen werden. Von geringerem Einfluß, aber um -so heftiger im Ton waren die Ausführungen von sozialdemokratischer Seite. Daß die Mehrheit des Ausschusses ihre Zustimmung zur Aufnahme der von jeder objektiven Sachdarstellung sich entfernenden sozialdemokratischen Erklärung in ihren Be- richt verweigert hatte, gab der ,,Volksstinmie" Veran- lassung, der Mehrheit vorzuwerfen, sie wende zur Unter- drückung gegnericher Meinungen preußische Polizeirezepte an. Selbst die ärgsten Pessimisten hätten nicht annehmen können, ,,daß die bürgerliche Mehrheit mit ihren robusten

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Loyalitäts- und Erwerbsinstinkten sich geistig so bloßstellen würde, als es nunmehr geschehen sei". In einer von der sozialdemokratischen Partei am 19. Juni 1911 einberufenen öffentlichen Versammlung lief der Führer der Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, Dr. Quarck, nochmals Sturm gegen die Vorlage. Er erklärte die Form der deutschen Universitäten als überlebt, ihre Organisation entspräche nur dem Wunsche und den Interessen der herrschenden Klassen in Deutschland. Für freie Forschung sei an ihnen kein Platz und nun wolle man wiederum eine solche königlich j)reußische Doktorfabrik begründen statt einer wahren For- schungsstätte , wie sie der sozialdemokratische Antrag gewollt. Dem (^leschäftsstandpunkt opfere man ideale Interessen, wie die eigentlichen Bedürfnisse der Kranken- fürsorge. Ein zweiter Referent behandelte die Finanzfrage, die er unter Berufung auf die Ausführungen der Frankfurter Zeitung als ungeklärt bezeichnete, und kam zu dem Schlüsse, daß es nicht Aufgabe der Frankfurter Bürger sei, aus ihren Steuermitteln Aufwendungen für eine neue preußische Uni\4ersität zu machen. Nachdem noch ein dritter Redner in gleichem Sinne die politische Seite der Frage behandelt hatte, kam eine Entschließung zur Annahme, durch die die Haltung der sozialdemokratischen Kommissionsminderlieit begrüßt und die Fraktion im Rathaus aufgefordert wird, bei der bevorstehenden Entscheidung mit aller Kraft für die Gründung einer freien Forschungsuniversität statt für eine neue der vielen königlich preußischen Hochschulen, die von der Regierung bevormundet werden, einzutreten. Zur Stärkung ihres Standpunktes ersuchte die sozialdemokratische Fraktion noch vor der Verhandlung im Plenum Prof. Max Weber, Heidelberg, um Abgabe eines Gutachtens. Seine Ausführungen, die in der Form eines Briefes gehalten sind, sind in der Nummer der Frankfurter Volksstimme vom 26. Juni 1911 abgedruckt. Weber drückt hier zunächst Bedenken wegen der Unzulänglichkeit der finanziellen Mittel aus, die wohl für eine kleine Provinzial-Universität, nicht aber für ein Institut ausreichten, das mit Großstadt-Hoch-

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schulen in Konkurrenz treten wolle. Der erheblichste Ein- wand aber sei dagegen zu erheben, daß man ein Institut, das immerhin seine Entstehung freiem Bürgersinn verdanke, der Beherrschung durch das preußische Unterrichtsmini- sterium ausliefern wolle. Das System dieses Ministeriums sei in der Lex Arons festgelegt. Keine statutarische Kautel betreffs des Beruf ungs Verfahrens könne gegen das herrschende System gehässiger Gesinnungsschnüffelei schützen. Wenn sich im Auslande Verstöße gegen die Unabhängigkeit der Zu- lassung zum Lehramt von anderen als rein wissenschaftlichen Qualifikationen fänden, so ließen sich solche gelegentliche- Mißbräuche nicht mit der zur Zeit in Preußen feststehenden Praxis vergleichen. Das System des Kultusministeriums habe einen korrumpierenden Einfluß auf den gesamten akademi- schen Nachwuchs ausgeübt. Eine Umgestaltung der Unter- richtsbureaukratie an Haupt und Gliedern müsse die Voraus- setzung für die Auslieferung von Instituten, deren Mittel von dritter Seite stammten, an den, Staat bilden. Gegenüber diesem Gutachten, dessen sehr unabhängiger Ton zugleich Zeugnis für die Unabhängigkeit eines deutschen Professors ablegt, darf vielleicht die Frage aufgeworfen werden, ob es richtig ist, die Schaffung bedeutsamer für die Dauer be- stimmter wissenschaftlicher Anstalten von der jeweils herr- schenden politischen Richtung in der Regierung abhängig zu machen. Menschen und Meinungen wandeln sich, politische und soziale Systeme wechseln. Kann nicht die Opposition von heute die Regierung von morgen sein ? Und sollte gerade eine Partei, die die Zukunft für sich in Anspruch nimmt, diese Frage verneinen ?

Diese Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit hatten die Parteileidenschaften tief aufgewühlt, und das Schicksal der Vorlage in der Stadtverordnetenversammlung erschien sehr zweifelhaft. Doch gelang es kurz vor Eröffnung der Verhandlungen in der stärksten Fraktion, der der freisinnigen Volkspartei, eine Übereinstimmung herbcMzuführen, so daß die Annahme der Vorlage in ihren Grundlagen gesichert

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wurde. Die Verhandlungen, die am 27. Juni 1911 begannen, wurden von dem Verfasser als Berichterstatter eröffnet, indem er die wesentlichsten Gesichtspunkte der Ausschußberatungen hervorhob und die Abänderungsvorschläge unter Bezugnahme auf den Bericht begründete. In seinen Schlußworten betonte er namentlich, daß wenn auch weitergehende Wünsche der Berechtigung nicht entbehrten, vor allem gelte das tat- sächlich Erreichbare durchzuführen. Die Opposition ver- langte zunächst Zurückverweisung an den Ausschuß, was der sozialdemokratische Fraktionsführer damit begründete, daß die Feststellungen des Ausschusses der Ergänzung bedürften. Nachdem dieser Antrag, der wohl in erster Linie taktischen Erwägungen entsprang, abgelehnt war, brachte der Redner der fortschrittlichen Volkspartei, Justizrat Dr. Brück, die in seiner Fraktion beschlossenen Kompromiß- anträge ein, die neben einer redaktionellen Abänderung der Ausschußanträge zu 10 b und c als Antrag zu 12 c weiter forderten,

daß die Aiasübung dieses Vorschlagsrechtes lediglich nach wissen- schaftlichen Grundsätzen erfolgt

und ferner die Zustimmung zu allen Anträgen von der Be- dingung abhängig machten,

daß vor der endgültigen Beschlußfassung über den Vertrag der Stadtverordnetenversammlung eine Vorlage zugeht und Annahme findet, durch welche die einmaligen und laufenden Ausgaben einer Universität von etwa 1800 Studierenden, darunter etwa 500 Medi- ziner, und deren Deckung ausgewiesen werden.

Während durch den ersten Antrag Kautelen gegen politische Einflüsse auf die Berufungen geschaffen werden sollten, meinte der Redner, daß der zweite Antrag alle Ein- wendungen nach der finanziellen Seite beseitigen werde ; zunächst handele es sich nur um die grundsätzliche Zu- stimmung; der gesamte Komplex der finanziellen Fragen sei daher aus der jetzigen Beratung auszuschalten und erst bei der endgültigen Finanzierung, wenn alle Mittel tatsächlich beschafft seien, zu behandeln. Die Debatte, die sich über zwei Sitzungen am 27. und 29. Juni erstreckte, konnte keine wesentlich neuen Gesichtspunkte zutage fördern.

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Der Redner der nationalliberalen Partei, Rechtsanwalt Dr. Rumpf, suchte sich mit den politischen Gegnern der Vor- lage von rechts und Hnks auseinanderzusetzen und erklärte die Zustimmung seiner Fraktion zu den gestellten Anträgen. Die sozialdemokratische Partei bekämpfte in ungemein heftiger und leidenschaftlicher Form die Vorlage, indem ihre drei Redner ihre früheren Einwürfe wiederum vertraten. Ihr Führer, Dr. Ouarck, verlas zunächst die in der Presse veröffentlichte Minderheitserklärung. Zu ihrer Ergänzung wiederholte er seine Kritik der finanziellen Unterlagen, die er namentlich nach der Richtung der künftigen Vorsorge für einmalige, außerordentliche Ausgaben bemängelte. Die Berechtigung der Einwendungen gegen eine Benutzung der Krankenhäuser für Unterrichtszwecke suchte er mit mißhchen Vorkommnissen an den städtischen Akademien für medizinische Fortbildung zu begründen. Die politischen Verhältnisse der deutschen Universitäten, Eingriffe der Unterrichtsverwaltung in die Freiheit der Forschung, staat- liche Bevormundung und Maßregelungen wurden von ihm wie den anderen Rednern seiner Fraktion stark betont, und gegenüber den Anträgen der Mehrheit des Ausschusses der Minderheitsantrag auf Gründung einer freien Universität als ,, Goethestiftung" erneut eingebracht. In eingehender Dar- stellung suchte Oberbürgermeister Adickes nochmals das Entstehen und Werden des Planes zu entwickeln. Er wies darauf hin, daß der Ausgangspunkt die großen privaten Stiftungen gewesen seien, die man der Stadt dargebracht habe. Wenn Befürchtungen über eine Beeinflussung der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung durch die vor- geschlagene Organisation geäußert worden seien, so seien es gerade Vorkämpfer akademischer Freiheit, wie Adolf Wagner im Preußischen Herrenhause, gewesen, die aus einer Abhängigkeit von nichtstaatlichen Instanzen solche Be- fürchtungen hergeleitet hätten. In diesen doch sicher beacht- lichen Kreisen sähe man nur in der reinstaatlichen Univer- sität einen Schutz gegen Beeinflussung politischer und wirt- schaftlicher Kräfte. Nicht nur die Institute und Einrieb tun-

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gen erforderten eine endgültige Organisation, Ergänznng und Erweiterung, vor allem sei es eine Lebensfrage für die Dozenten, sich Schüler und Hörer zu schaffen, die nur die Universittät heranziehen können. Was eine Universität für eine Stadt bedeute, könne man am besten ermessen, wenn man sich vorstelle, was der Verlust einer bestehenden Hochschule für eine Universitätsstadt bedeute. Immer wieder müsse er betonen, daß es sich augenblicklich nur um einen Akt der Vorbereitung handle; habe die Stadt ihre Bereitwilligkeit erklärt, erst dann könne man in Verhand- lungen mit dem Staat eintreten, um zu erfahren, welche Bedingungen er stelle und um zu diesen Bedingungen Stellung zu nehmen. Bei der finanziellen Betrachtung sei es zu beach- ten, daß man nicht ohne weiteres alte Universitäten mit jahrhundertalter Entwicklung zum Vergleich stellen könne. Alle Dinge entwickelten sich aus gewissen x\nfängen. Der Aufschwung, den unsere bisherigen Anstalten in kurzer Zeit genommen hätten, biete Gewähr, daß man auch für die neue Anstalt auf eine fortschreitende Entwicklung rechnen dürfe. Wenn die Opposition mit den großen Ziffern schrecken wolle, die andere Universitäten für Bauten und sonstige einmalige Aufwendungen aufweisen, so sei demgegenüber zu betonen, daß vor allem die medizinischen Anstalten solche fortschreitenden Kosten verursachten, daß diese aber doch schon jetzt dem städtischen Haushalt zur'Last lägen. Im übrigen müsse durch Reserven Vorsorge getreffen werden. Wenn konfessionelle Kreise aus Furcht vor Zurücksetzungen beiseite stehen wollten, so hielte er das nicht für ein günstiges Zeichen für die Zukunft, aber er hoffe, daß ein versöhnliches Zusammenwirken sich finden werde. Wenn so die ganze Bürgerschaft sich zusammenfinde, so sei auch eine gedeih- hche Grundlage für die künftige Entwicklung gefunden. Der Gedanke sei entstanden aus dem des Schaffens aus eigner Kraft. Ein neuer Mittelpunkt auf wissenschaftlichem wie auf geistigem Gebiet soll hier geschaffen werden. ,,Wir wollen nicht, daß die Provinz blutlos wird, wir wollen, daß auch in den Provinzen glänzende Namen vertreten sind.

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und die Wissenschaft hier getrieben wird von Männern ersten Ranges. Dieses Zentrum gilt es zu schaffen hier in Frank- furt." Nochmals den Kernpunkt des Streites hervorhebend, schloß Adickes: ,,Wir sind bereit dem Rechnung zu tragen, daß die staatlichen Aufsichtsrechte so, wie sie im staatlichen Interesse notwendig sind, auch hier in Geltung bleiben. Wir erkennen mit dem ersten Gelehrten unseres Vaterlandes die Notwendigkeit an, daß bei der Berufung der Professoren die Gesichtspunkte der Wissenschaft in vollem Maße zur Geltung kommen sollen, und daß Hintertreppenpolitik und andere unerlaubte Einflüsse ausgeschaltet werden. In diesen wichtigen Punkten sind wir bereit, uns der Staatsaufsicht zu unterwerfen. Ich glaube, wir dürfen dann auch hoffen, daß unseren Antrcägen die Genehmigung nicht versagt wird. Um aber dem Staate gegenüber die Stellung zu haben, die man bei solchen Verhandlungen haben muß, kann ich nur meine Bitte wiederholen, daß die bürgerlichen Parteien den Anträgen einmütig zustimmen möchten."

Als letzter Fürsprecher für die Aussclnißanträge trat Landtagsabgeordneter Funck auf, der die städtischen Inter- essen an der Förderung des großen Werkes betonte, vor allem aber auch den Angriffen, die die deutsche Universität als solche erfahren hatte, entgegentrat. Unter Berufung auf einen Aufsatz des Göttinger Nationalökonomen Gustav Cohn in der ,, Internationalen Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik" stellte er gegenüber allen Vergleichen mit dem Auslande und freien ausländischen Universitäten fest, daß die deutsche Universität nach ihrer Stellung im deutschen Geistesleben den Anspruch erheben dürfe, bessere Bürgschaften für freie Forschung und wissenschaftliche Ar- beit als alle ausländischen Universitäten zu bieten. Auch der Verfasser, der als Berichterstatter zum Schlußwort verstattet war, konnte nochmals an einem Beispiel aus der jüngsten Zeit, das er infolge einer Polemik in der Presse ein- gehend zu belegen sich veranlaßt sah, den Nachweis führen, daß die ,, freie" Universität, wie sie das Ausland zeige, keines- wegs Garantien für eine Unabhängigkeit der Dozenten biete.

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Er gab zu, daß auch die deutsche Universität vielleicht mancher Reformen bedürfe, aber wenn man daran gehe, eben im Rahmen der bestehenden Universitätsverfassung eine neue Hochschule zu begründen, so sei es nicht Sache der jüngsten Anstalt, sofort mit weitgehenden Reform- gedanken hervorzutreten. Dies erfordere erst eine Zeit der Durchbildung und Bewährung.

Vor der Schlußabstimmung wurde seitens der sozial- demokratischen Fraktion der in dem Ausschuß bereits ab- gelehnte Antrag nochmals eingebracht, daß die vertrag- schließenden Teile nur solange zu ihren Leistungen verpflich- tet seien, als die Zulassung und das Verbleiben im Lehr- amte nicht von religiösen, wissenschaftlichen und politischen Überzeugungen abhängig gemacht werde, sowie daß die Dozenten volle Lehrfreiheit genössen und in der Ausübung staatsbürgerlicher und persönlicher Rechte nicht beschränkt würden. In der Abstimmung wurden die Anträge des Aus- schusses mit der Abänderung der von Dr. Brück für die fort- schrittliche Fraktion gestellten Anträge mit 47 gegen 19 Stimmen angenommen. Gegen die Vorlage stimmte nur die sozialdemokratische Fraktion. Der sozialdemokratische Zu- satzantrag fiel mit 46 gegen 20 Stimmen. Mit der Annahme der Ausschußanträge war zugleich auch der Antrag der Minderheit auf Gründung einer freien Goethestiftung gefallen. Unter Tumult und Lärm, verursacht durch persönliche Bemerkungen, schloß die denkwürdige Sitzung vom 2g. Juni. Mit den Beschlüssen der Versammlung war die Möglichkeit gegeben, nunmehr in Verhandlungen mit der Staatsbehörde einzutreten und die finanziellen Grundlagen für die neue Hochschule endgültig auszugestalten.

Die Verhandlungen mit der Staatsregierung

Unmittelbar nach dem Abschluß der Verhandlungen in der Stadtverordnetenversammlung wurde dem Preußi- schen Unten-ichtsminister der Antrag unterbreitet, die Erteilung der staatlichen Genehmigung in die Wege leiten zu wollen. Durch Erlaß vom ii. September 191 1 erklärte der Minister für notwenig, zunächst über gewisse Grund- fragen in eine vertrauliche Besprechung einzutreten. Diese Besprechungen begannen am iq. und 20. September im Kultusministerium in Berlin. Auf Wunsch von Oberbürger- meister Adickes, der für die Stadt die Verhandlungen führte, waren weitere zwei Magistratsmitglieder, vier Stadtverordnete, zwei Professoren der Akademie und Vertreter der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesellschaft, des Physikali- schen Vereins und des Instituts für Gemeinwohl zugegen. Das Ergebnis der Verhandlungen ist in dem Bericht ent- halten, der der späteren Vorlage des Magistrats vom 2g. August 1912 an die Stadtverordnetenversammlung bei- gegeben ist. Weitere Mitteilungen finden sich in der Rede des Ministers im Preußischen Abgeordnetenhause vom 27. März 1912. Der Minister eröffnete die Verhandlungen mit einer Ansprache, in der er zum Ausdruck brachte, daß wenn an sich zwei Wege zur Errichtung der Universität gegeben seien, der der Gesetzgebung wie der einer Königlichen Verordnung, die letztere Errichtungsmöglichkeit nur dann vorliege, sofern die Verfassung der Universität an der wesent- lichen Grundlage der allgemeinen Universitätsverfassung festhalte. Das Fehlen der finanziellen Einwirkung des Staates bedinge gerade, daß dieser an seinem Aufsichtsrecht, wie es gegenüber den anderen Landesuniversitäten bestehe, festhalte. Die Verhandlungen hatten zum Gegenstand die

124

Fragen der allgemeinen Organisation, den Gründungshergang, das staatliche Aufsichtsrecht, die Ordnung der Berufung der Dozenten, ihre Gehaltsverhältnisse, die Ausstattung der Universität wie insbesondere die Zahl und Art der vorzu- sehenden Lehrkräfte. Eine Übereinstimmung wurde zunächst darüber erzielt, daß der aufgestellte Plan für die erste Aus- stattung an Unterrichtsmitteln, sowohl was die vorgesehenen Institute wie was die vorgeschlagenen Lehrstühle anging, als ausreichend angesehen wurde. Eine Klärung der übrigen Fragen ergab sich erst in späteren Verhandlungen.

Die Gründung der Universität sollte danach in der Weise vorgenommen werden, daß die beteiligten Korporationen und Stiftungen einen gegenseitigen Vertrag abschließen sollten, indem sie sich unter den festzustellenden Voraus- setzungen zu bestimmten Leistungen für die Universität verpflichten. Dieser Vertrag sollte alsdann dem Unterrichts- minister mit dem Antrag vorgelegt werden, ihn als Grundlage anzuerkennen, auf der im Sinne der Bestimmungen des allgemeinen Landrechts die Universität als öffentliche Kor- poration durch Königliche Verordnung errichtet werden könne. Bezüglich der Organisation wurde die Bildung eines Großen Rates als Vertreterversammlung der Stifter und eines Kuratoriums als Verwaltungsorgan zugelassen. Dem Großen Rat sollte die Feststellung des Haushaltplanes, die Entlastung der Rechnung und die Wahl der Mitglieder des Kuratoriums, dem Kuratorium die allgemeine Verwaltung obliegen. Staatsrechtliche Schwierigkeiten boten die Fragen, ob neben dem Kuratorium ein staatlicher Kurator zu bestellen sei, ob einem solchen etwa der Vorsitz im Kuratorium zu übertragen sei und endlich ob in Hinsicht auf den öffentlich- rechtlichen Charakter der Universität die Mitgheder des Kuratoriums einer staatHchen Bestätigung unterliegen soll- ten. Eine Verständigung wurde dahin gefunden, daß man von der Bestellung eines staatlichen Kurators, wie von einer Bestätigung der Mitglieder absah, daß dagegen der Vorsitz dem jeweiligen Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt zustehen solle, während sein Stellvertreter vom Minister zu ernennen sei.

125

Für die Besoldungen und Dienstverhältnisse der Dozen- ten sollten die für Preußen allgemein geltenden gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden. Eine Regelung der Pensionsverhältnisse der Professoren kam danach überhaupt nicht in Betracht, da nach der herrschenden Übung Anstellung auf Lebenszeit erfolgt. Die Fürsorge für die Hinterbliebenen war nach den für die Universitäten geltenden besonderen Bestimmungen zu treffen.

Schwierigkeit bot vor allem die Regelung der Berufungs- frage. Die erste Magistratsvorlage hatte die Rechte des Kuratoriums und der Eigentümer der Kliniken und Institute dadiu-ch sichern wollen, daß sie eine Einigung zwischen Fakultät, Kuratorium und Eigentümer über den dem Minister einzureichenden Dreier - Vorschlag vorsah. Der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung wollte das Recht des Kuratoriums verstärken und nur den Vorschlag eines Namens an den Minister zulassen. In den Verhandlungen der gesetzgebenden Körperschaften kam wiederum der Wunsch zum Ausdruck, jeden Einfluß des Laien-Elements des Kuratoriums auszuschalten. Die Staatsregierung er- erklärte sowohl den Standpunkt des Magistrats wie den der Stadtverordnetenversammlung für unannehmbar. Wenn auch ein gesetzliches Recht zur Präsentation dreier Namen nicht gegeben sei, so stelle diese Übung doch einen derartigen wesenthchen Bestandteil der Universitätsverfassung dar, daß eine Abänderung nur im Wege gesetzlicher Regelung möglich sei; auch müsse die Unterordnung der Fakultät unter das Kuratorium, die darin erblickt werden könne, in den Univer- sitätskreisen erhebliche Bedenken erregen. Erneute Be- ratungen seitens der städtischen Vertreter ergaben, daß es gerade im städtischen Interesse läge, sich dem Standpunkte der Regierung zu nähern, und daß die ursprünglichen Vorschläge vielleicht nicht vollkommen auf ihre praktische Durchführbarkeit geprüft worden waren. Das Interesse der Stadt lag vorzugsweise darin, für ihre Kliniken untl In- stitute die besten Direktoren zu erhallen und zu verhindern, daß leitende Stellen ohne ihre Zustimmung besetzt werden

126

können. Die Eignung für derartige Verwaltungsposten ist nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der wissen- schaftlichen Qualifikation zu beurteilen, sondern auch von dem der Befähigung für praktische Verwaltungstätigkeit. Für die Stadtverwaltung wäre es schwierig gewesen, bei der Präsentation von drei Bewerbern von vorneherein eine Zustimmung für sämtliche drei Namen zu erklären. Von diesen Erwägungen aus kam man zu einem Einverständnis, das die herkömmliche Stellung der Fakultäten unbeeinflußt lassen, die rechtliche Stellung des Kuratoriums als Auf- sichtsorgan über die Wahrung der verfassungsmäßigen Be- stimmungen des Universitätsstatuts und als verantwort- licher Träger der Finanzverwaltung berücksichtigen, die Aufsichtsrechte des Staates wahren und endlich den kom- munalen Interessen der Krankenhausverwaltung gerecht werden sollte. Fakultät und Kuratorium wurden danach als gleichberechtigt nebeneinandergestellt. Die Fakultät sollte wie bei den übrigen Universitäten selbständig ihren Dreier- Vorschlag aufstellen. Das Kuratorium sollte be- reclitigt und verpflichtet sein, bei Weitergabe dieses Vor- schlags in eine Prüfung einzutreten, ob durch den Vor- schlag nicht die organischen Bestimmungen des Statuts außer acht gelassen seien, und dem Minister sein Votum hierüber vorzulegen. Die Staatsregierung sollte an sich in der Berufung entsprechend den allgemeinen staatsrecht- lichen Grundsätzen frei sein, jedoch sollte eine Zustimmung des Kuratoriums erforderlich werden, sofern der zugebilligte (lehalt über die gesetzlich festgelegten Normalsätze hinaus- ginge. Bei der Übertragung der Leitung der städtischen Krankenanstalten oder der drei städtischen mit dem Kranken- hausbetrieb in Verbindung stehenden Institute, dem hygi- enischen, dem pathologischen und dem chemisch-physio- logischen, wurde ein Zustimmungsrecht der Stadt festgelegt. Ein Präjudiz hierfür war bei anderen preußischen Universitäten gegeben, für deren Lehrbetrieb kommunale Krankenanstalten zur Verfügung gestellt waren. Darüber hinaus wollte indes die Staatsregierung ein Zustimmungsrecht anderer Instanzen

127

nicht zugestehen, da sonst die Lehrstühle in den naturwissen- schafthchen Fächern fast vollständig der Verfügung des Ministers entzogen worden wären. Die Regierung erkannte hier eine Einflußnahme der selbständigen Korporationen nur insoweit an, als diesen zugestanden wurde, daß bei Besetzung von Dozenturen, die mit der Leitung von Instituten verbunden sind, ein Benehmen mit den Institutseigentümern erfolgen sollte. Dieser Standpunkt, der sich von den ur- sprünglichen Vorschlägen des Magistrats zum Nachteil der selbständigen Korporationen entfernte, führte zu erheblichen Schwierigkeiten bei den neu einzuleitenden Verhandlungen mit diesen Körperschaften und es schien wiederholt, als sollte hieran das ganze Projekt noch zum Scheitern kommen. Es gelang schließlich eine Einigung zu finden, die für die verschiedenen Gesellschaften eine unterschiedliche Regelung traf und die namenthch die Selbständigkeit der Dr. Sencken- bergischen Stiftung und der Senckenbergischen Naturfor- schenden Gesellschaft außer Frage stellte. Vorbehaltslos nahm die Th. Stern'sche Stiftung die staatlich vorgeschlagene Regelung an. Der Physikalische Verein begnügte sich mit der Bestimmung, daß vor der Übertragung der Leitung seiner Anstalten an einen Dozenten ein Benehmen mit den Vereinsorganen erfolgen müsse, behielt sich indes die An- stellung eigner Lehrkräfte für seine Vereinszwecke vor. Die Dr. Senckenbergische Stiftung bedang sich für ihr ana- tomisches Institut ein Widerspruchsrecht gegen die Ernen- nung des Anatomen aus, so daß sie ihm nur bei Einver- ständnis über die Person die Leitung des Instituts zu übertragen braucht. Der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell- schaft wurde das Recht zugestanden, den Dozenten der Zoologie, Mineralogie, Geologie und Paläontologie die Leitung der Abteilungen ihres Museums und die Abhaltung ihrer Vorlesungen zu übertragen, ihr aber keine Verpflichtung hierzu auferlegt und die Möglichkeit offen gehalten, jederzeit eine Trennung zwischen Gesellschaft und Universität herbei- zuführen. So fand sich endlich auch hier, wenn schon nach schwierigen und heftigen Auseinandersetzungen eine Ver-

128

söhnung zwischen den Forderungen der staatlichen Autorität, der akademischen Selbstverwaltung, des kommunalen Ver- waltungsrechtes, der berechtigten Geltung der Stifter in Hinsicht auf Wahrung der ihnen zugesagten verfassungs- mäßigen Garantien und endlich der Autonomie der alten, ihrer freiwilligen Leistungen sich bewußten und darum auf ihre Selbständigkeit stolzen alten Stiftungsverwaltungen. Auf der Grundlage dieser Verhandlungen kam nach verschiedenen Vorentwürfen ein unter dem 21. März 1912 verfaßter Vertragsentwurf zustande, der nach Genehmigung seitens der beteiligten Stiftungsverwaltungen am 29. März i(^2 die Billigung des Magistrats fand und der Stadtverordneten- versammlung unter Beifügung eines Haushaltsplanes mit dem Antrag zuging,

den Magistrat zu ermächtigen, den anliegenden Vertrag unter Zu- lassung etwa erforderlich werdender unerheblicher Änderungen ab- zuschließen, sobald der im Vorbericht zu anliegendem Etatsentwurf festgestellte Bedarf durch Zuwenduungen sichergestellt ist.

Die Ausarbeitung dieses Etats entsprach dem Antrag Brück der vorjährigen Beratung, nach dem die einmaligen und laufenden Ausgaben einer Universität von etwa iSoo Studierenden, darunter etwa 500 Medizinern, und die Deckung dieser Ausgaben ausgewiesen werden sollten. Die Vorbemer- kung zum Etatsentwurf hebt den bei der Unterstellung eines solchen Besuchs entstehenden Mehrbedarf hervor. Die Denkschrift vom Februar 191 1 hatte

1. an einmaligen Ausgaben eine Summe von 1578000 M

2. anlaufenden Mehrausgaben eine Summe von 406 800 Ji^ vorgesehen.

Die einmaligen Ausgaben erhöhen sich durch die bei höherer Studentenzahl auf den Krankenhausgrundstücken nötig werdenden Bauten (Hörsaal der inneren Klinik, Kurs- und Bibliothekräume) um 250 000 M

weiter zur Deckung luivorhergesehener Ausgaben um jährlich 16 ooo M, gleich einem Kapital von . 400 000 M

650 000 Ji

129

Die laufenden Ausgaben erhöhen sich um 41 000 Ji, erreichen also gegenüber der Denkschrift einen Bedarf von 448000 Ji, wovon der früher für Unvorhergesehenes mit 20 000 M eingestellte Posten abgesetzt werden kann, so daß 428000 ,fi zu decken sind. Hiervon trägt:

a) die Dr. Senckenbergische Stiftung

b) die Th. Stern 'sehe Stiftung

c) das Georg- Speyer-Haus

d) die Stadt für Polikliniken

e) die Handelskammer

f) die Speyer-Stiftungen und der Nachlaß G. Speyer

g) der eigene Erwerb der Universität

234 200 Jt Es sind also noch zu decken 194 200 Ji ; wozu unter Berücksichtigung von bereits vorhandenen Stiftungen im Betrag von 250 000 Ji noch ein Kapital von 4 625 000 M zu beschaffen wäre.

Außerdem fordert der Etat die Be- reitstellung eines Garantiefonds von 2 000 000 .# . Indem es weiter den Neu- bau eines chemischen Instituts mit 500 000 M vorsieht, gelangt er unter Einstellung für einmalige Ausgaben ,, 650 000 ,, des die laufenden Ausgaben deckenden Kapitals 4625000 ,, des Garantiefonds ., 2 000 000 ,,

15 500 Ji

25 500

12 200 ,,

5 000 ,,

20 000 ,,

61 000 ,,

95 000 ,,

auf einen Gesamtkapitalbedarf von 7 775 000

Der Finanzplan des Etatsentwurfs stellt sich danach folgendermaßen dar:

Einnahmen: I. Beiträge öffentlicher Verbände

1. Stadt 75 000 Jtr,

2. Institut für Gemeinwohl 84 000 ,,

Die Gründun'T der Universität Fra nkfiirl a. M. 9

I30

3- Handelskammer 30 000 M

4. Polytechnische Gesell- schaft 5 000 ,,

194 000 J TT. Stiftungen:

A. Bisherige Stiftungen an der Akademie

a) Dr. - Lucius - Meister- Stiftung 20 000 Ji

b) Georg- u.-Franziska-

Speyer- Stiftung 40 500 ,,

c) Georg - Speyer - Stif- tung 41 000 ,,

d) C.-C.-Jügel- Stiftung 28 000 ,,

e) Tornow- Stiftung 18 480 ,,

f) Arthur- v. -Weinberg- Stiftung 12 000 ,,

rund 160 000

B.

Neue Stiftungen:

ru

a)

Weitere Einnahmen aus der G.-und-F.-

Speyer- Stiftung

35 500 .%

b)

Weitere Einnahmen aus dem Nachlaß G.

Speyer

25500

c)

0. -u. - J. - Braunfels- Stiftung, Stiftung J. Wertheimberu.R.-u.- M. - Passavant - Gon- tard- Stiftung Kapi- tal zusammen

250 000 M,

10 000 ,,

d)

Noch zu decken

265 000 ,,

336 000

III. Aus eignem Vermögen 7 000

IV. Eigner Erwerb: Immatri- kulations-, Zeugnis-, Prü-

fungs-, Auditorien-, Insti- tuts-, Seminar-, Vorlesungs- usw. Gebühren 152 300 M

849 300 M

Ausgaben:

I. Allgemeine akademische Verwaltung:

1. Persönhche Ausgaben 38 738 M

2. Sächhche Ausgaben ein- schließhch Verzinsung u. Tilgung der Baukosten des Erweiterungsbaues

mit 800000 M 90856

II. Lehrkörper:

1. Professoren:

a) juristische Fakultät 67 850 ,,

b) soziale und wirtschafts- wissenschaftliche Fa- kultät 67 150

c) philosophische Fakultät ' 134 000

d) naturwissenschaftliche

Fakultät 85000

2. Sonstige Lehrkräfte 42 210

3. Pensionsrücklage 21 135 ,,

III. Institute der Universität

1. Seminare, Kurse 47 700 ,,

2. Zuschüsse zu den Insti- tuten

a) des PhysikaHschen Ver- eins 93761 ..

b) der Senckenbergischen Naturforschenden Ge- sellschaft 32300

c) anatomisches Institut 18 800 ,,

d) Kliniken 14700

132

IV. Sicherheitsfonds

Zinsen aus demselben 80 000

848 200 Ji

Der Etat gibt weiter eine Übersicht der Einnahmen und Ausgaben der angegliederten Gesellschaften und Kor- porationen für Universitätszwecke.

Diese Aufstellung sieht vor: A. beim Physikalischen Verein

I. Einnahmen 175 348 M

II. Ausgaben:

I.

Allgemeine Verwal-

tung

68 420

M

2.

Chemisches Institut

28 q6o

, j

3-

Institut für physika- sche Chemie

7980

4-

PhysikaHsches In- stitut

22 580

5-

Institut für Elektro- technik

15890

6.

Institut für Geophy- sik

IG 520

9

7-

Sternwarte

6 gio

,,

8.

Schuldendienst

14088

,,

175 348 Ji

. bei

der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft

I.

Einnahmen

132 300 Jt

IL

Ausgaben

I.

Zoologisches Institut

103 100

,M

2.

Mineralogisches In- stitut

19 200

3-

Zinsen für Bauten

10 000

,,

132 300

133

C. bei der Dr. Senckenbergischen Stiftung

I. Einnahmen: 52300

46 320 28 000

II. Ausgaben :

Botanisches Institut

12 020 ,j

Anatomie

34300 ,

D. Theodor - Stern - Stiftung

I. Einnahmen

II. Ausgaben:

Physikahsch - physiologi-

sches Institut

E. Georg- Speyer-Haus

I. Einnahmen für pharma-

kologisches Institut

II. x^usgaben für pharmako-

logisches Institut

F. Stadt Frankfurt

I. Einnahmen: Betrag der

Ärztebesoldungen

II. Ausgaben:

I. Lehrkörper

156 200 ,,

2. Pathologisches Insti-

tut

49971 ..

3 . Chemisch - physiologi-

sches Institut

6627

4. Hygienisches Institut

20 927 ,,

5. Institut für gericht-

hche Medizin

3700

6. Khniken

117 742 ,.

7. Physiatrische Klinik

22 002 ,,

8. Polikliniken

20 396

26 300

12 200

12 200

413 125

407 275

H. Von Rothschildsche Stiftung Carolinum für das zahnärzt- liche Institut 4 290

134

Extraordinarium. Für einmalige Ausgaben berechnet der Etatsentwurf I. Juristische Fakultät

Erweiterung Jügelhaus Seminare

II. Naturwissenschaftliche Fakultät

1. Erweiterungsbau des Senckenbergi- schen Museums

2. Einrichtungen für Zoologie und Mine- ralogie

3. desgl. für Chemie und Physik

III. Medizinische Fakultät

1. Normale Anatomie

2. Physikalisch-physiologisches Institut

3. Ausstattung für das chemisch-physio- logisches Institut

4. Pathologisches Institut

5. Pharmakologisches Institut

6. Hygienisches Institut

7. Institut für gerichtliche Medizin

8. Pohkhniken

9. Kliniken

10. Unvorhergesehenes

IV. Dotation der Bibliotheken V. Sicherheitsfonds

VI. Fonds für unvorhergesehene Ausgaben

800 000 Ji 31 000 ,,

250 000 ,,

65 000

200 000

420 000 80 000

2 000 17 300 50 000 8 200 I 000 63 000 24 900 36 600

80 000

2 000 000

400 000

4 528 000 Ji

Dazu sind bei stärkerer Frequenz weiter zu berück- sichtigen

Neubau eines chemischen Instituts 500 000 jM,

Kurssäle der medizinischen Institute 250 000 ,,

750 000 M

135

Die Deckung hierfür wird vorgesehen:

1. durch Anleihen in Höhe von i 333 000

2. Zuwendung an die Senckenbergische Stiftung 200 000

3. Aufwendung d«r Th.- Stern-Stiftung 80000

4. Aufwendung des Georg-Spe3^er-Hauses 50 000

5. Zinsen der Speyerschen Zuwendungen 465 000

6. Noch zu beschaffende Stiftungsmittel 2 400 000

4 528 000 M, wozu im Bedarfsfalle zur Deckung des Neubaues des chemi- schen Instituts und der weiteren medizinischen Hörsäle noch 750 000 M als durch Stiftungsmittel aufzubringen hinzu- treten würden.

Der vorgelegte Vertragsentwurf hatte folgende Fassung :

Entwurf eines Vertrages über die Gründung einer Universität

vom 21. März- 1912.

1. Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, vertreten durch ihren Verwaltungs-Ausschuß,

2. die Stadt Frankfurt a. M., vertreten durch ihren Magistrat,

3. das Institut für Gemeinwohl,

4. die Georg und Franziska Speyer sehe Studien- Stiftung, ver- treten durch ihre Verwaltung,

5. die C.-Chr.- J ügel-Stiftung,

6. der Physikalische Verein, vertreten durch seinen Vorstand,

7. die Dr. Senckenbergische Stiftung, vertreten durch ihre Administration,

8. die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft, ver- treten durch ihre Direktion,

9. das Theodor Stern sehe medizinische Institut, vertreten durch seine Verwaltung,

10. die Zahnklinik Carolinum, vertreten durch ihre Verwaltung, sind übereingekommen, die zur Errichtung einer Universität in Frank- furt a. M. erforderlichen Einrichtungen dadurch zu treffen, daß die von der Stadt Frankfurt a. M. und dem Institut für Gemeinwohl durch Vertrag vom 18. Mai 1900 begründete und nach Erteilung der staatlichen Geneh- migung am 21. Oktober 1901 in Wirksamkeit getretene Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften und die von dieser in Gemeinschaft mit der C. - Chr. - J ü g e 1 - Stiftung und dem Physikalischen

136

Verein betriebenen akademischen Unterrichts- und Forschungsanstalten durch Errichtung weiterer Professuren erweitert und zugleich mit den städtischen Kliniken und medizinischen Instituten, dem Th. Stern- schen medizinischen Institute, dem Georg-S p e y e r - Hause, dem neu- rologischen Institute, der Zahnklinik der Carolinums, sowie den medizinischen und naturwissenschaftlichen Anstalten der Dr. Senckenbergischen Stiftung und der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell- schaft für Universitätszwecke zur Verfügung gestellt werden. Zu diesem Zwecke übernehmen sie die in den Paragraphen 13 bis 26 angegebenen ^Verpflichtungen der zu gründenden Universität gegenüber, welche nicht nur deren erste Einrichtung, sondern auch ihre dauernde Unterhaltung sicherzustellen bestimmt sind. Hierbei gehen die Stifter von der Voraus- setzung aus, daß die Universität auf der Grundlage errichtet wird, wie sie im folgenden des näheren angegeben ist.

§ I.

Die Frankfurter Universität wird, wie die 'übrigen Universitäten, die ihrer Pflege zugewiesenen Wissenschaften frei von Einseitigkeiten und unabhängig von Parteien durch eine geeignete Lehrtätigkeit der studieren- den Jugend übermitteln und für die Praxis fruchtbar machen, sowie durch selbständige wissenschaftliche Arbeiten und Untersuchungen fördern.

Ferner wird sie nach näherer Maßgabe des § 2 Ziff. 2 die Aufgaben erfüllen, welche bisher der Pflege der Akademie für Sozial- und Handels- wissenschaften anvertraut waren.

Die Universität wird die allgemeine und besondere wissenschaft- liche Ausbildung der studierenden Jugend sachgemäß weiterführen imd sie zum Eintritt in die verschiedenen Zweige des höheren Staats- dienstes sowie für andere Berufsarten, zu welchen eine höhere wissen- schaftliche Bildung erforderlich oder nützlich ist, tüchtig machen. Als Nachfolgerin der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften wird sie außerdem zugleich die Aufgaben einer Handelshochschule und einer wissenschaftlichen Fortbildungs-Anstalt erfüllen. Dem- gemäß wird sie Kaufleuten und Gewerbetreibenden wie auch höheren staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, Richtern, An- wälten und anderen Angehörigen gelehrter Berufe die Gelegenheit zur Vertiefung und Erweiterung volks- und privatwirtschaftlicher sowie sozial- und staatswissenschaftlicher Kenntnisse bieten, auch sonstigen Personen mit einer geeigneten Vorbildung, namentlich solchen, welche bereits in der Praxis stehen, oder gestanden haben, eine Erweiterung und Vertiefung ihres Wissens in den der Pflege der Universität zugewiesenen Wissenschaften ermöglichen.

137

Die Universität wird die zur Zeit an der Akademie für diese Zwecke bestehenden Einrichtungen erhalten und nach Älöglichkeit weiter- entwickeln.

§ 3- Die Förderung wissenschaftlicher Forschung wird eine wesentliche Aufgabe der Frankfurter Universität bilden. Ihr sollen dienen : das Georg- Speyer-Haus und das neurologische Institut, sowie die nach Maßgabe der verfügbaren Büttel zu errichtenden weiteren Forschungs-Institute. Andererseits soll erstrebt werden, die Unterrichts-Institute derart auszu- gestalten, daß einzelnen an ihnen wirkenden Forschern durch tunlichste Entlastung in der Lehrtätigkeit sowie in Prüfungs- und Verwaltungs- geschäften die Möglichkeit geboten wird, sich der wissenschaftlichen For- schung besonders zu widmen.

§ 4- Eine Bindung in bezug auf das religiöse Bekenntnis des zu berufen- den Professors wird bei keinem Lehrstuhl stattfinden, und demgemäß wird bei der Besetzung der Lehrstühle und der Stellen an den For- schungs-Instituten die religiöse oder konfessionelle Stellung in keinem Falle einen Ausschlußgrund bilden.

§ 5-

Die Universität wird eine Veranstaltung des Staates im Sinne der Paragraphe i, 2, 6j ff. II 12 des Allgemeinen Landrechts sein, die Rechte einer privilegierten Korporation besitzen und in ihren Verhältnissen nach den für die sonstigen Universitäten geltenden Grundsätzen durch Königliche Satzung geregelt werden.

Es ist zunächst die Bildung folgender Fakultäten in Aussicht ge- nommen :

1. die Rechtwissenschaftliche Fakultät,

2. die ^ledizinische Fakultät,

3. die Philosophische Fakultät,

4. die Naturwissenschaftliche Fakultät,

5. die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät.

Zur Beratung und Beschlußfassung über die mehrere Fakultäten berührenden Angelegenheiten können aus Mitgliedern der beteiligten Fakultäten Ausschüsse gebildet werden, deren Zusammensetzung und Aufgaben durch vom Minister zu erlassende Ordnungen geregelt werden.

§ 6.

Zur Verwaltung der Universität sind neben den sonstigen bei Univer- sitäten vorhandenen Organen

der Große Rat und

das Kuratorium der Universität berufen.

138

Der Große Rat besteht aus folgenden Mitgliedern:

1. dem Oberbürgermeister oder seinem gesetzlichen Stellvertreter;

2. vier vom Magistrat zu wählenden Mitgliedern, von denen mindestens eines aus seiner Mitte entnommen sein muß;

3. vier von der Stadtverordnetenversammlung zu wählenden ]Mitglie- dern, von denen mindestens eines aus ihrer ^Mitte entnommen sein muß;

4. fünf von dem Institut für Gemeinwohl und

5. zwei von der Handelskammer zu wählenden Mitgliedern;

6. einem von der Polytechnischen Gesellschaft zu wählenden Mitgliede;

7. je zwei von der Georg und Franziska Speyerschen Studienstiftung der C.-Chr.-Jügel-Stiftung, der Dr. Senckenbergischen Stiftung, der Verwaltung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell- schaft, dem Vorstande des Physikalischen Vereins und anderen vom Großen Rat der Akademie 28) zugelassenen Stiftungen gewählten Mitgliedern ;

8. je einem von dem Carolinum, dem Th. Sternschen Institut, der Otto-und-Ida-Braunfels-Stiftung und anderen vom Großen Rat der Akademie 28) zugelassenen Stiftungen gewählten Mitgliede;

9. dem jeweiligen Rektor und Prorektor der Universität;

10. außerdem sind bei Angelegenheiten, welche einzelne Fakultäten« betreffen, die beteiligten Dekane mit vollem Stimmrecht zuzu- ziehen. Der Große Rat kann durch Zuwahl drei weitere Mitglieder wählen. Die von der Handelskammer und Polytechnischen Gesellschaft

gewählten Mitglieder scheiden aus, sobald der von den Wahlkörpern

geleistete Beitrag wegfällt.

Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren, sowie die

Privatdozenten der Universität sind in den Großen Rat nicht wählbar. Die durch die Wahl berufenen Mitglieder des Großen Rats werden

auf drei Jahre gewählt.

Der Große Rat hat

1. den Haushaltsplan festzustellen und die Rechnung zu entlasten;

2. dem An- und Verkauf von Grundeigentum zuzustimmen;

3. die Mitglieder des Kuratoriums zu wählen, soweit sie nicht durch ihr Amt berufen sind;

4. Veränderungen in der Zusammensetzung des Großen Rats und des Kuratoriums, sowie der Gewährung von Rechten zur Entsendung von Mitgliedern in diesen zuzustimmen. Eine Änderung der in den Paragraphen 7 und 9 den Vertragschließenden oder anderen Stiftern zugewiesenen Wahl- und Stimmrechte bedarf der Zustimmung der

139

Beteiligten, eine Änderung der Bestimmungen über den Vorsitz lo)

der Zustimmung des Magistrats. 5. Veränderungen der in den Paragraphen 13 bis 25 getroffenen

Bestimmungen zuzustimmen (vgl. § 26).

Den Vorsitz im Großen Rat führt der jeweilige Vorsitzende des Kuratoriums.

In den Sitzungen ist dem vom ISIinister ernannten Kommissar oder dessen Vertreter jederzeit auf ihren Wunsch das Wort zu erteilen.

§ 9. Das Kuratorium der Universität umfaßt folgende Mitglieder:

1. den Oberbürgermeister oder seinen gesetzlichen Stellvertreter;

2. je zwei aus den vom Magistrat und von der Stadtverordneten- versammlung entsandten Mitgliedern des Großen Rats gewählte Mitglieder ;

3 . zwei aus den vom Institut für Gemeinwohl entsandten Mitgliedern des Großen Rats gewählte Mitglieder;

4. je ein aus den von der Handelskammer, der G. und Fr. Speyerschen Studien-Stiftung, der C.-Chr.- Jügel-Stiftung, der Dr. Senckenbergi- schen Stiftung, der Verwaltung der Senckenbergischen Naturforschen- den Gesellschaft, dem Vorstande des Physikalischen Vereins, und den einzelnen nach § 7 Nr. 7 zugelassenen Stiftungen entsandten Mitgliedern des Großen Rates gewähltes Älitglieds ;

5. drei bis sechs aus den übrigen Mitgliedern des Großen Rats ge- wählte Mitglieder nach näherer Bestimmung des Großen Rats;

6. dem jeweiligen Rektor der Universität;

7. außerdem sind bei Angelegenheiten, welche einzelne Fakultäten betreffen, die beteiligten Dekane mit vollem Stimmrecht hinzuzu- ziehen; dies gilt jedoch nicht für Beratungen über die nach § 1 1 zu machenden Vorlagen.

Die durch Wahl berufenen Mitglieder werden vom Großen Rat auf drei Jahre gewählt.

Das Kuratorium hat bei der Beratung über eine nach §11 zu machende Vorlage, welche eine Berufung auf einen durch eine Stiftung dotierten Lehrstuhl betrifft, ein Mitglied des Stiftungsvorstandes nach Wahl des letzteren mit vollem Stimmrecht zuzuziehen, falls solches in der Satzung der Stiftung bestimmt worden ist.

§ 10. Das Kuratorium hat:

1. die Verwaltung der Universität in Vermögens- Angelegenheiten nach Maßgabe des Haushaltsplanes zu führen;

2. die der Zuständigkeit des Großen Rats unterliegenden Beschlüsse vorzubereiten und auszuführen, sowie dem Großen Rat alljährlich einen Verwaltungsbericht zu enstatten;

140

3- den Universitätssekretär, den Quästor sowie die sonstigen für die Verwaltung erforderlichen Beamten und Angestellten der Universität anzunehmen;

4. die sonstigen ihm überwiesenen Universitätsgeschäfte zu führen;

5. über die Gestaltung des Universitätsunterrichts Gutachten zu er- erstatten und Anregungen zu geben.

Das Kuratorium vertritt die Universität in \'ermögensangelegen- heiten.

Gerichtlich und außergerichtlich, insbesondere bei Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen für die Universität wird das Kuratorium durch den Vorsitzenden vertreten. Öffentliche Ausfertigungen von Urkunden sind von dem Vorsitzenden zu unterschreiben und mit dem Siegel des Kuratoriums zu versehen. Der Vorsitzende hat ferner die Beschlüsse des Kuratoriums vorzubreiten und auszuführen.

Den Vorsitz im Kuratorium führt der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt a. ]\I. Wünscht dieser dauernd oder zeitweise von dem Vorsitz entbunden zu werden, so wird der Vorsitzende auf Vorschlag des Kura- toriums vom ^Minister ernannt und vom Oberbürgermeister vereidigt. In derselben Weise, und zwar jeweils auf drei Jahre, erfolgt die Bestellung des ständigen Stellvertreters des Vorsitzenden.

In den Sitzungen ist dem vom Minister ernannten Kommissar oder dessen Stellvertreter jederzeit auf ihren Wunsch das Wort zu erteilen.

§ "• Vor der Besetzung der Professuren wird der Fakultät Gelegenheit gegeben, gutachtliche Personalvorschläge in der üblichen Dreizahl zu machen. Diese Vorschläge werden zur Vorlage an den Minister dem Kura- torium eingereicht, welches etwaige Bedenken, die von seinem Standpunkt aus zu erheben sind, in dem Begleitberichte zur Geltung zu bringen und auf Wunsch auch abweichende Minderheitsäußerungen beizufügen hat.

§ 12.

Das dem Professor von der Universität zu zahlende Gehalt nebst Wohnungsgeldzuschuß wird bei der Ernennung nach JNIaßgabe der Gehalts- ordnung (Preuß. Ges. -Sammlung 1909, S. 400, 401, 403 und 404) durch den Minister festgesetzt. Eine Ubersclireitung des Gehalts-Maximums ist hierbei nur möglich, wenn das Kuratorium die erforderlichen Mittel dafür bereitgestellt hat. Das gleiche gilt von der Gewährung besonderer Zulagen nach der Ernennung.

Sollte bei den übrigen Universitäten durch Änderung der Gesetz- gebung eine neue Gehaltsordnung ins Leben treten, so erfolgt deren Ein- führung bei der Universität zu Frankfurt a. M. durch den Minister.

Nach den bei den übrigen Universitäten jeweilig bestehenden Grund- sätzen bestimmt sich auch der Bezug der Vorlesungshonorare, die Ergän- zung der Nebenbezüge und die Versorgung der Hinterbliebenen.

I4l

§ 13- Die zur Erfüllung der Aufgaben der Universität bestimmten Mit- tel setzen sich wie folgt zusammen :

1. Auf die Universität, welche an Stelle der Akademie für Sozial- und Handelswissenscliaften tritt, gehen sämtliche Vermögensstücke, Rechte und Einrichtungen über, welche den Zwecken der Akademie dienen (vgl. § i Abs. 2). Diese hört mit dem Zeitpunkte auf, mit dem die Universität ins Leben tritt.

Die Stadt Frankfurt a. M. und das Institut für Gemeinwohl er- erkennen an, daß der von ihnen der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften dauernd zugesicherte jährliche Beitrag der Universität als Nachfolgerin der Akademie dauernd weiter zu zahlen ist und zwar seitens der Stadt in Höhe von y^ 000 Ji, seitens des Instituts für Gemeinwohl in Höhe von 83 000 J[,.

2. Die für die Universität zugesicherten Stiftungen mit sofortigem Zinsgenuß belaufen sich auf . . . . Jlo mit einem jährlichen Zins- genuß von . . . . Ai. Dazu treten dauernd gesicherte Renten in Höhe von jährlich 25 000 JL.

3. Die für die Universität zugesicherten Stiftungen mit später (1919

bis 1924 spätestens) einsetzendem Zinsgenuß betragen M

und sollen insbesondere auch zur Bestreitung der Kosten der bei zunehmendem Besuch erforderlich werdenden Bauten (chemisches Institut, neuer Hörsaal für die innere Ivlinik u. a. m.) dienen.

4. Die für die Universität zugesicherten Stiftungen mit einem beim Tode gewisser Personen einsetzenden Zinsgenuß betragen . . . . M

5. Hinzu treten letztwilige und andere künftige Zuwendungen.

6. Aus den unter 2 bis 4 genannten Stiftungen wird ein Reservefonds in Höhe von 2 000 000 Jlr, abgesondert, dessen Zinsen soweit sie nicht zur Deckung dringlicher Bedürfnisse in Anspruch genommen werden müssen zur Vermehrung des Kapitalbestandes und der daraus erwachsenden Jahreszinsen verwandt werden sollen.

7. Den vorstehend genannten Einnahmen tritt ferner der eigene Erwerb der Universität zu.

8. Außerdem steht die zu gründende Universität in den durch die Paragraphen 14 bis 26 geregelten Vertragsverhältnissen.

§ 14- Die Stadt Frankfurt a. M. verpflichtet sich

1. der C.-Chr.- J ü g e 1 - Stiftung das westlich vom Jügelhaus gelegene Grundstück in Größe von 1793 qm zum Bau eines neuen Audi- toriengebäudes unentgeltlich und dauernd für Universitätszwecke zu übergeben,

2. nach ihrer Wahl der Universität oder dem Physikalischen Verein das westlich von seinem Institutsgebäude gelegene städtische Grund-

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stück in Größe von 2377 qm zum Bau neuer Institutsgebäude un- entgeltlich und dauernd für Universitätszwecke im Erbbau zu übertragen, 3. nach il.rer Wahl der Senckenbergischen Naturforschenden Gesell- schaft oder der Universität das westlich vom Senckenbergischen Museumsgrundstück gelegene städtische Grundstück in Größe von 3744 qm unentgeltlich und dauernd für Zwecke des Museums oder der Universität in Erbbau zu übertragen.

§ 15- Die Stadt Frankfurt a. M. verpflichtet sich ferner

1. die Stadtbibliothek sowie die städtische Sammlung von Nach- bildungen von Kunstwerken,

2. das städtische Krankenhaus Sachsenhausen, das Städtische Siechen- haus und die städtische Anstalt für Irre und Epileptische, das städti- sche hygienische Institut, das städtische chemisch-physiologische Institut, sowie das vertragsmäßig städtischerseits zu übernehmende pathologische Institut

zur Mitbenutzung unter den im § 18 genannten Bedingungen für Univer- sitätszwecke dauernd zur Verfügung zu stellen.

§ 16. Die Stadt Frankfurt a. M. verpflichtet sich ferner

1. auf städtische Kosten in dem jetzigen Hautkrankenhaus an der Gartenstraße eine chirurgische und eine medizinische Poliklinik sowie eine Poliklinik für Nervenleidende als Universitätsinstitute einzurichten und dauernd zu unterhalten,

2. die für die Polikliniken unter i. nicht benötigten Räume des Haut- krankenhauseä an der Gartenstraße dem Th. Stern sehen medizinischen Institut unentgeltlich dauernd zu überweisen(vgl. § 22),

3. der Dr. Senckenbergischen Stiftung auf dem Gelände des städtischen Krankenhauses einen nach Lage und Flächengehalt noch zu vereinbarenden Bauplatz für die Erbauung einer Anatomie im Erbbau unentgeltlich und dauernd zu übertragen,

4. tler Universität für einen etwa zu errichtenden größeren medizi- nischen Hörsaal und einen Neubau für jNIikroskopiersäle und Bi- bliothek gleichfalls auf dem Gelände des städtischen Krankenhauses Bauplätze im Erbbau unentgeltlich und dauernd zu übertragen.

§ i/.

Die Stadt Frankfurt a. M. verpflichtet sich ferner, die im Jahre

191 3 gemachten städtischen Aufwendungen für Gehalts- und sonstigen

Bezüge der in den Anstalten und Instituten unter § 1 5 Ziff. 2 angestellten

oder beschältigten Ärzte auch bei einer infolge der Universitätsgründung

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im Einverständnis mit den zuständigen Behörden vorzunehmenden ander- weiten Ordnung des ärztlichen Dienstes dauernd fortzusetzen. Die Höhe der hiemach jährlich aufzuwendenden Summe ist vom Magistrat zu ermit- teln und festzustellen. Aus dieser Summe werden zunächst die Gehälter und sonstigen Bezüge der stadtseitig anzustellenden Arzte bestritten; der Rest wird der Universitätskasse zur Zahlung der von ihr zu bestreitenden Be- soldungen zugeführt. Diese Summen erhöhen sich entsprechend im Falle einer Erhöhung der städtischen Gehälter oder einer Ausdehnung des ärztlichen Dienstes, insbesondere bei Vermehrung der Bettenzahl, wobei jedoch der Zeitpunkt und das ^laß der Erhöhung der Beschlußfassung der städtischen Behörden allein vorbehalten bleiben.

Als Ärzte im Sinne dieser Bestimmungen gelten auch die wissen- schaftlichen Assistenten an den Kliniken und Instituten.

Die Verpflichtungen der Stadt gegenüber den leitenden Ärzten der städtischen Kliniken und den städtischen Instituts-Direktoren in bezug auf Pension und Witwen- und Waisenversorgung gehen mit dem Tage ihres Übertritts in den Universitätsdienst gegen eine zu vereinbarende Ablösung auf die Universität über.

Die Versicherung, welche bisher zugunsten der Dozenten und Beamten der Akademie und Jügelstiftung in bezug auf Pension und Witwen- und Waisenversorgung bei der Stadtverwaltung bestand, geht mit dem Tage, an welchem die Akademie ihre Tätigkeit einstellt, auf die Universität über. Der an diesem Tage vorhandene, aus den nicht verwendeten Prämien und Zinsen angesammtelte Reservefonds ist an die Universitätskasse abzuführen.

§ i8.

1. Die Stadt Frankfurt a. 'S!, behält als Eigentümerin der in den Paragraphen 15 Ziff. 2 und 16 Ziff. i genannten Anstalten die gesamte Verwaltung und Betriebsführung dieser Anstalten und setzt in einer für alle Beteiligten bindenden Weise deren Ausgaben und Ein- nahmen, speziell auch die Pflegesätze fest, wobei grundsätzlich be- stimmt wird, daß die Stadt für die Universität keine anderen als die in diesem Vertrage bezeichneten Verpflichtungen übernimmt und daß alle durch die IMitbeuutzung für Universitätszwecke jetzt und später erwachsenden Bau-, Einrichtungs- und Unterhaltungs- kosten aus der Universitätskasse zu bestreiten und die baulichen Einrichtungen auf Kosten der letzteren im beiderseitigen Einver- ständnis stadtseitig zu beschaffen sind;

2. in betreff der unter den Paragraphen 15 Ziff. 2 und 16 Ziff. i ge- nannten Anstalten und Institute behält sich die Stadt, als in vorstehender Bestimmung unter i enthalten insbesondere vor:

die Bestimmung über die Erweiterung des Umfangs der der Univer- sität zur I\Iitbenutzung zu überweisenden Anstalten und Institute und die für alle Beteiligten bindende Regelung und Handhabung der

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Geschäftsführung, der Hausordnung, der Wirtschaftskontrolle und des Aufnahmedienstes ;

ferner ist die Erfüllung der Leliraufgaben mit aller erforderlichen Rücksicht auf die Kranken durchzuführen; insbesondere darf eine Vorstellung der Kranken zu Demonstrationszwecken nicht gegen ihren oder ihrer Angehörigen Willen vorgenommmen werden. 3. Die Anstellung der Beamten der Stadtbibliothek und der städti- schen Sammlung für Nachbildung von Kunstwerken, sowie des ärztlichen imd sonstigen Personals der städtischen Krankenhaus- Institute mit Ausnahme der leitenden Ärzte und Institutsvorsteher sowie der Assistenten, welche die Lehrtätigkeit unterstützen, erfolgt durch die zuständigen städtischen Behörden. Die Berufung dieser Assistenten sowie der leitenden Ärzte und Institutsvorsteher erfolgt gemäß den in den Paragraphen 11, 12 und 27 vorgesehenen Be- dingungen.

§ 19.

Die Georg und Franziska Speyersche Studien-Stiftung erkennt an, daß die von ihr für die Akademie gewährten IMittel der Universität als der Nachfolgerin zufließen werden und daß es den Zwecken der Studien-Stiftung entsprechen würde, wenn von ihr weitere Lehrstühle an der Universität errichtet oder weitere IMittel der Universität zugeführt werden. Die Ge- samtheit der der Universität neu zufließenden jährlichen IMittel wird minde- stens 35 000 J[n betragen.

Sie verpflichtet sich, möglichst im Georg-Speyer-Haus, Räume für ein pharmakologisches Institut zu schaffen und dasselbe als Universitäts- Institut zu unterhalten.

§ 20.

Die C.-Chr.-Jügel-Stiftung verpflichtet sich, der Universität den gesamten Betrieb der stiftungsgemäß von ihr zu unterhaltenden akade- mischen Unterrichtsanstalt für deutsche Sprache, Geschichte und Literatur unter Überweisung der Jahreszinsen des Stiftungsvermögens zu übertragen.

Sie verpflichtet sich ferner, der Universität die Nutzung und Ver- waltung des Jügelhauses unter der Bedingung der Übernahme der gesamten LTnterhaltungskosten einzuräumen.

Die Stiftung wird endlich auf Kosten der Universitätskasse einen Erweiterungsbau auf dem ihr nach § 14 Ziff. i stadtseitig zu übergebenden Grundstück im Anschluß an das Jügelhaus aufführen und nach Fertig- stellung der Universität zur Nutzung und Verwaltung übergeben. Die Baupläne sind im Einverständnis mit dem Verwaltungsausschuß der Aka- demie aufzustellen. An Bau- und Einrichtungskosten sind 800 000 M vorgesehen, welche mit einem Prozent unter Zuwachs der ersparten Zinsen zu amortisieren sind.

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§ 21.

Die Dr. Senckenbergische Stiftung verpflichtet sich:

1. auf dem in § i6 Ziff. 3 genannten Bauplatz ein Institut für normale Anatomie unter dem Namen ,,Dr. Senckenbergische Anatomie" einzurichten und hierfür nach den im Einverständnis mit der Stadt von ihr festzusetzenden Plänen durch das städtische Hochbau- amt einen Bau ausführen zu lassen, der mit der Einrichtung dauernd in das Eigentum der Stiftung übergeht und von ihr der Universität zur dauernden Benutzung überlassen wird. Die Baukosten dürfen ein- schließlich der Einrichtung den Betrag 420 000 Ji nicht überschreiten.

Die seither vorhandenen und die künftig herzustellenden Samm- lungen gehören der Stiftung und werden gleichfalls der Universität zur dauernden Benutzung überlassen.

In der Anatomie sind einige .Arbeitsplätze für Frankfurter Arzte bereit zu halten.

Die gesamte Verwaltung und Betriebsführung der Anatomie steht der Stiftung zu, die im Einvernehmen mit dem Kuratorium die Einnahmen und Ausgaben festsetzt.

Die Stiftung verpflichtet sich, den gemäß § 27 vom Minister zu ernennenden Anatomen, falls sie nicht seiner Berufung widersprochen hat, zum Leiter ihres Stiftungs-Instituts zu ernennen.

IMit dieser Ernennung wird für den Anatomen die Verpflichtung begründet, abwechselnd mit dem pathologischen Anatomen in näher zu vereinbarender Weise unentgeltliche Vorlesungen für Ärzte und Künstler zu halten und den auf der Anatomie arbeitenden Ärzten mit Rat zur Seite zu stehen.

Im Falle der Ernennung des Anatomen zum Leiter des Stiftungs- Instituts verwendet die Stiftung die gesamten Einkünfte aus dem nach Abzug der Baukosten verbleibenden Vermögen ihres anatomischen Instituts zur Bestreitung der Betriebskosten einschließlich des von der Stiftung an die Universitätskasse abzuführenden Gehalts des Anatomen sowie aller durch die Unterhaltung und etwaiger Ver- besserungen oder Erweiterungen des Gebäudes entstehenden Kosten. Der r^Iehrbetrag wird von der Universität getragen.

Im Falle der Berufung eines Anatomen, den die Stiftung gemäß vorstehender Bestimmungen nicht zum Leiter ihres Stiftungs- Instituts ernennt, vermindern sich die von der Stiftung aufzuwen- denden Mittel um den Betrag von jährlich 7500 J^, der der Stiftung zur freien Verfügung verbleibt.

2. Das ihr gehörige botanische Institut nach den noch zu treffenden Vereinbarungen zu Universitätszwecken auszubauen und zu betreiben.

§ 22. Das Th. Stern'sche medizinische Institut verpflichtet sich, in den ihm nach § 16 Ziff. 2 überwiesenen und auf seine Kosten nach den von ihm Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. 10

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zu genehmigenden Plänen vom städtischen Hochbauamt umzubauenden und einzurichtenden Räumen ein physiologisches Institut als Universitäts- Institut einzurichten und auf seine Kosten dauernd zu betreiben. An Bau- und Einrichtungskosten sind 80 000 J[^ vorgesehen. Alljährlich sind einem Baukonto ein Prozent der aufgewendeten Kosten zuzüglich der Zinsen aus dem vorjährigen Bestände des Neubau-Kontos zuzuführen, und zwar solange, bis er den Betrag der aufgewendeten Kosten erreicht.

Das Th. Sternsche Institut behält sich die Festsetzung der Ver- waltungs- und Hausordnung sowie die Feststellung des Haushaltplanes vor, ebenso die Anstellung der Instituts-Beamten, soweit sie nicht in Ge- mäßheit der §§ II, 12 und 27 erfolgt.

Die Gehälter des Leiters des Instituts und der Assistenten, welche die Lehrtätigkeit unterstützen, sind in die Universitätskasse abzuführen.

§ 23. Der Physikalische Verein verpflichtet sich, die ihm gehörigen wissen- schaftlichen Institute für Physik, Chemie, Elektrotechnik, Physikalische Chemie, Meteorologie und Geophysik, sowie für Astronomie einschließlich der Hörsäle, Laboratorien, Werkstätten, Sammlungen und Instrumen- tarien nach einer zwischen dem Physikaischen Verein und dem Kuratorium zu vereinbarenden Benutzungsordnung der Universität zur Mitbenutzung für ihre Zwecke unter den nachstehenden Bedingungen zur Verfügung zustellen:

1. Der Physikalische Verein behält als Eigentümer seine Anstalten mit deren Einrichtung; er behält sich deren weiteren Ausbau vor; er übernimmt die gesamte Verwaltung, Instandhaltung einschließ- lich Heizung, Beleuchtung und Reinigung, ferner die Beschaffung und Bereithaltung der erforderlichen Unterrichtsmittel und Materia- lien für die nach Maßgabe des LTnterrichtsplanes abzuhaltenden Vorlesungen und Übungen (Praktika); er setzt Einnahmen und Aus- gaben fest, erläßt und handhabt die Hausordnung. Er stellt das PersoT- il an, soweit nicht die Anstellung in Gemäßheit der §§ 11, 12 und 2j erfolgt.

2. Der Physikalische Verein behält sich ausdrücklich das Recht vor, unbeschadet seiner der Universität gegenüber übernommenen Verpflichtungen alle seine satzungsgemäßen Zwecke weiterhin zu verfolgen, namentlich aber auch seine Räumlichkeiten, Einrichtungen und Instrumentarien zur Fortführung der für seine Mitglieder be- stimmten Vorträge und Übungen mit zu verwenden und Lehrkräfte hiefür auf seine Kosten anzustellen.

3. Die Universität trägt die Gehälter der Professoren und der ihre Tätigkeit unterstützenden Assistenten. Professoren wie Assistenten sind bei der Berufung zu verpflichten, ihre Mitwirkung für Vorträge und Übungen im Interesse des Physikalischen Vereins gegen eine von diesem zu leistende Vergütung zu gewähren. Insoweit der Physikalische Verein Anlaß haben sollte, auf diese Verpflichtungen

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teihveiese oder ganz zu verzichten, in welchem Falle die Vergütung, entsprehend vermindert oder aufgehoben wird, behält er sich das Mitbenutzungsrecht an dem Institut zu Forschungs- und Univer- sitätszwecken für seine eigenen Dozenten vor.

4. Als Beitrag zu den Kosten des Betriebs erhält der Physikalische Verein

a) die bisher von der Georg und Franziska Speyerschen Studien- stiftung gewährten Zuwendungen und einen angemessenen Zuschuß für die in den Instituten des Physikalischen Vereins arbeitenden Praktikanten,

b) eine jährliche ziffernmäßig noch zu vereinbarende Entschädigung für den durch die Universität verursachten Mehraufwand.

Von Zeit zu Zeit wird mit Rücksicht auf Umfang und Kosten der Benutzung der Institute die Höhe der Entschädigung durch Vereinbarung zwischen dem Physikalischen Verein und dem Kura- torium der Universität neu festgestellt.

Ebenso werden die Grundsätze über Verwendung der Zuschüsse durch solche Vereinbarung festgestellt.

5. Für bauliche Herstellungen und sonstige Einrichtungen aller Art in seinem Institutsgebäude für Beschaffung von Unterrichtsmitteln und Materialien, sowie für sonstige Aufwendungen erhält der Physi- sikalische Verein aus der Universitätskasse überdies eine einmalige Zahlung von 200000 J^..

Die etwa notwendig werdende Beschaffung weiterer Unterrichts- räume, insbesondere ein Erweiterungsbau für das Chemische Institut ist Sache der Universität, welche für diese Zwecke mit einem Reservefonds von 500 000 Ji, ausgestattet wird. Diese Räume wer- den der Verwaltung des Physikalischen Vereins unterstellt ; die Kosten für deren Betrieb und Unterhaltung trägt die Universität. Die Erweiterungsbauten sind im Einverständnis mit dem Physikalischen Verein zu planen und auszuführen

§ 24.

Die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft verpflichtet sich, das ihr gehörige naturwissenschaftiche Museum, insbesondere auch die Hörsäle, das Demonstrationsmaterial und die wissenschaftlichen Samm- lungen nach einer mit der Direktion zu vereinbarenden Benutzordnung unentgeltlich, sowie das Kursmaterial gegen Erstattung der Selbstkosten der Universität zur Mitbenutzung für Unterrichts- und Forschungszwecke dauernd unter der Bedingung zur Verfügung zu stellen, daß den Universi- tätsprofessoren der Zoologie, der Mineralogie und der Geologie-Paläonto- logie die Verpflichtung auferlegt wird, auf Antrag der Direktion der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesellschaft für die Dauer der Leitung ihres Universitätsinstitutes die Leitung des Museums oder der ihrem Fach

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entsprechenden Abteilung desselben gegen eine jährliche Vergütung von 3600 M bezw. 1000 tM sowie die Abhaltung einer höchstens zweistündigen, für die Mitglieder der Gesellschaft bestimmten und für diese unentgelt- lichen Vorlesung gegen eine Vergütung von je 500 Mk pro Stunde und Semester zu übernehmen. Von der Verpflichtung zur eventuellen Über- nahme der Leitung des Museums kann der Universitätsprofessor der IMinera- logie auf seinen Wunsch entbunden werden.

Solange und insoweit die Senckenbergische Naturforschende Ge- sellschaft von diesem Rechte Gebrauch macht, hat sie den Betrag ihrer jetzigen Aufwendungen für die in Frage kommenden Dozenten einschließ- lich der vertragsmäßigen Steigerung, aber abzüglich der vorgenannten Vergütungen an die Universitätskasse abzuführen.

Die Universitäts- Institute- für Zoologie, Mineralogie und Geologie- Paläontologie nebst zwei Hörsälen werden auf dem der Dr. Senckenbergischen Stiftung gehörigen Museumsgrundstück als ein Teil des Museumsbaues nach näherer Vereinbarung auf Kosten der Universität von der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesellschaft erbaut, von der Gesellsc*haft auf ihre Kosten baulich unterhalten und dauernd der Universität zur aus- schließlichen Benutzung mit der Maßgabe übergeben, daß andere wie die gedachten Institute darin nicht untergebracht werden dürfen, und daß die Einrichtungs- und Betriebskosten der Institute, einschließlich Heizung, Beleuchtung und Reinigung von der Universität bestritten werden.

Im übrigen wird die Stellung und Tätigkeit der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft durch ihre vorstehend geregelte Beteiligung an der Universität nicht berührt. Insbesondere bleiben ihr die gesamte Verwaltung und der weitere Ausbau ihres Museumsgebäudes und ihres naturwissenschaftlichen Museums, die ausschließliche Beschlußfassung über dessen Leitung und Benutzung, über die Anstellung ihres Personals, Festsetzung der Einnahmen und Ausgaben, Erlaß und Handhabung der Hausordnung überlassen. Namentlich kann die Gesellschaft auf populär- wissenschaftlichem Gebiet ihre Tätigkeit unabhängig von der Universität fortsetzen.

§ 25.

Die Stiftung Carolinum verpflichtet sich, die von ihr erbaute und betriebene Zahnklinik unter folgenden Bedingungen der Universität zur Mitbenutzung zur Verfügung zu stellen:

1. Die gesamte Verwaltung der Klinik, insbesondere ihre unbeschränkte Leitung und Verwendung zu den dem Stiftungsstatut entsprechenden Zwecken, ferner die Anstellung des Personals, die Festsetzung der Einnahmen und Ausgaben, sowie die Bestimmung und Handhabung der Hausordnung steht ausschließlich dem Stiftungsvorstand zu.

2. Die Stiftung stellt der Universität die dem Klinikbetrieb dienenden Räumlichkeiten nebst dem Hörsaal, das Krankenmaterial (mit der in § 18 Ziff. 2 vorgesehenen Beschränkung) sowie die vorhandenen

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klinischen Einrichtungen nach einer zu vereinbarenden Benutzungs- ordnung unentgeltlich zur Mitbenutzung zur Verfügung.

3. Die Stiftung verpflichtet sich, für die Beschaffung und Erhaltung der zum Betriebe der Klinik erforderlichen Einrichtungen sowie des zahnärztlichen und technischen Materials jährlich mindestens 15 000 Ji aufzuwenden.

4. Dem von dem Minister für die Universität anzustellenden außer- ordentlichen Professor für Zahnheilkunde ist in seinem Anstellungs- vertrag die Verpflichtung aufzuerlegen, auf Antrag der Stiftung die Leitung der von ihr betriebenen Zahnklinik (s. Nr. i und 2) auf Grund eines mit der Stiftung zu treffenden besonderen Abkom- kommens zu übernehmen.

Die Stiftung verpflichtet sich, für die Besoldung des außerordent- lichen Professors für Zahnheilkunde einen jährlichen Beitrag von 4000 J(r an die Universitätskasse zu zahlen. Dieser Beitrag er- mäßigt sich auf 2000 Ji, wenn ein Abkommen, durch welches die Leitung der Zahnklinik dem Professor übertragen wird, zwischen diesem und der Stiftung nicht zustande kommt oder aufgelöst wird.

§ 26. Die in den §§ 13 25 geregelten Rechtsverhältnisse können nur durch Vertrag der einzelnen Vertragschließenden 'mit dem Universitätskuratorium unter Zustimmung des Großen Rats mit Genehmigung des Ministers geändert werden.

§ 27.

Die Übertragung der Leitung der der Universität zur Verfügung gestellten Anstalten mit Ausnahme der in § 15 Ziff. i (vgl. § 18, 3) ge- genannten — erfolgt unbeschadet der Bestimmungen der §§21 und 23 bis 25 nach Benehmen mit dem Eigentümer durch den Minister und ist wie bei den übrigen Universitäten widerruflich. Auch der Widerruf erfolgt nach Benehmen mit dem Eigentümer. Die Assistenten, welche die Lehr- tätigkeit des Vorstehers unterstützen, werden auf den Vorschlag des letzteren von dem Eigentümer der Anstalt angenommen. Die Annahme bedarf der Genehmigung des Ministers.

Die Leitung der beiden in § 3 genannten Forschungsinstitute sowie der Krankenanstalten einschließlich der in § 15 Ziff. 2 genannten, dem Kran- kenhausbetrieb dienenden Institute, kann vom Minister nur mit Zustimmung des Eigentümers übertragen werden. Dasselbe gilt von dem Widerruf.

§ 28. (Übergangsbestimmung.) Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften soll soweit erforderlich im Einvernehmen mit den Eigentümern alle Schritte tun, welche zur Einrichtung einer Universität notwendig sind.

Die Bestimmungen über das Diensteinkommen, den Bezug der \'orlesungslionorare, die Ergänzung der Nebenbezüge und die Versorgung der Hinterbliebenen finden auf die von der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften und den der Universität angeschlossenen An- stalten und Instituten übernommenen Universifätsprofessoren nur nach Maßgabe der mit ihnen bei der Übernahme zu treffenden Vereinbarung Anwendung.

Diesem Vertragsentwurf war ein erläuternder Bericht des Oberbürgermeisters Adickes beigefügt, der den Gang der geführten Verhandlungen darlegte. Dieser Bericht stellt zunächst bezüglich des in Aussicht genommenen Gründungs- vorgangs fest, daß hierdurch ein Dreifaches erreicht werde: einmal ergebe sich, daß die durch den Vertrag vereinbarten Verpfhchtungen zivilrechtlicher Natur seien und daher nur mit denselben Mitteln wie andere zivilrechtliche Verpfhch- tungen erzwungen werden könnten; sodann folge daraus, daß über diese bestimmt formulierten Verpflichtungen hinaus weder die Stadt noch die übrigen Vertragschließenden zu Leistungen verpflichtet seien und endlich ergebe sich, daß diese Verpflichtungen nur unter der Voraussetzung ein- gegangen wurden, daß die im Vertrag näher angegebenen Grundlagen der Universitätsbildung (§§ i 12 und 27) der Königlichen Satzung einverleibt werden. Der Bericht betont sodann, daß die Bestimmungen über den allgemeinen Charakter der Universität (§§ i 5) den Anschauungen und Wünschen entsprechen, wie sie in der Denkschrift festgelegt w^orden seien. Vor allem sei Vorsorge getroffen, daß die bisherigen Aufgaben der Akademie durch die Universität weiter erfüllt würden, auch die Senckenbergische Stiftung, die Naturforschende Gesellschaft und der Physikalische Verein auch zukünftig ihre Einrichtungen für wissenschaft- liche Fortbildung und volkstümhche Vorlesungen unver- ändert beibehalten könnten. Der besondere Charakter der Universität, insoweit sie die Förderung wissenschafthcher Forschung in besonderen Instituten neben dem Lehrbetrieb sich zur Aufgabe stelle, sei durch die Bestimmungen des Vertrags eigens hervorgehoben. Der Vertrag stelle weiter aus- drücklich fest, daß bei Besetzung der Lehrstühle und sonstigen

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Stellen die religiöse und konfessionelle Stellung keinen Ausschlußgrund bilden dürfe und daß über die Einhaltung dieses Grundsatzes als eines wesentlichen Bestandteils des Vertrags das Kuratorium, zu wachen habe, auch eine Minder- heit des Kuratoriums etwaige in Bezug hierauf entstehende Bedenken weiter verfolgen könne.

Der Bericht erläutert sodann die vorgesehene Ver- fassung, die Stellung des Kuratoriums, des Großen Rats, der Professoren sowie die Regelung des Vorsitzes im Kura- torium und legt alsdann das Ergebnis der Verhandlungen über den Gang des Berufungsverfahrens dar. Er betont endhch, daß die in den §§ 13 18 enthaltenen Verpflichtungen der Stadt mit den Beschlüssen der Stadtverordneten-Ver- sammlung in Einklang gebracht sind und die Rechte der Selbstverwaltung wie die Interessen der städtischen Kranken- pflege sicherstellen. Zur Finanzfrage weist er darauf hin, daß entsprechend dem Wunsche der Stadtverordneten- Versammlung durch Rückstellung eines Baufonds von 250 000 M aus Stiftungsmitteln für die Erstellung eines Hörsaals an der inneren Klinik und neuer Kurs- und Bib- liotheksäle, eines Sicherheitsfonds von 2000000 M, dessen Zinsen zunächst zum Kapital geschlagen werden sollen und endlich eines weiteren Fonds von 400 000 M zur Deckung außerordentlicher Ausgaben Vorsorge für die künftige Ent- wicklung getroffen und gewährleistet werden solle, daß eine Beihilfe von Stadt oder Staat auch künftig nicht erfordedich werde.

Erneute Verhandlungen im Preußischen Landtage

Noch vor Veröffentlichung der Ergebnisse der Ver- handlungen durch den Magistrat hatten die Mehrheits- parteien des preußischen Abgeordnetenhauses in der Budget- kommission die Beratung des Etats der Universitäten zum Anlaß genommen, den Kultusminister um Auskunft über den Stand der Frankfurter Universitätsfrage zu ersuchen. Nach dem Kommissionsbericht erklärte der Minister ent- sprechend seinen vorjährigen Ausführungen, daß er bei den Verhandlungen den Standpunkt vertreten habe, die neue Universität könne nur als reine Staatsanstalt zur Begründung gelangen. Die Prüfung seitens der Staatskommissare wäre noch nicht zum Abschluß gekommen. Die Voraussetzungen für eine Genehmigung seien :

a) Sicherstellung der Unabhängigkeit der Anstalt von Einflüssen der Stifter,

b) Errichtung durch Königliches Privileg,

c) Erlaß des Universitäts-Statuts durch den König, der Fakultäts-Statuten durch den Minister,

d) Ordnimg der Berufungen wi? bei anderen Uni- versitäten,

e) Besoldung der Professoren nach den gesetzlichen Vorschriften,

f) Organisation entsprechend den übrigen preußischen Universitäten. Einen Unterschied bedangen nur die abweichenden Finanz- verhältnisse. Sie erforderten ein Verwaltungsorgan in dem einzusetzenden Kuratorium, neben das als Repräsentation der Stifter die Versammlung des Großen Rates träte.

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Die Besprechung in der Kommission war dem Projekt wenig freundlich. Das Interesse der Marburger Universität wurde ihm gegenübergestellt. Das Fehlen einer theologischen Fakultät wurde bemängelt. Die Bedürfnisfrage wurde erneut angezweifelt. Alle diese Bedenken führten zu der Anregung, in den Etat einen blinden Posten mit der Über- schrift „Universität Frankfurt a. M." einzustellen, um den gesetzgebenden Körperschaften bei der Etatberatung die Möglichkeit einer Einwirkung auf die Anstalt geben zu können. Der Bericht der Kommission kam im Abgeordnetenhaus in der Sitzung vom 27. J\lärz 1912 zur Beratung. Noch waren die Parteien der Rechten nicht geneigt, den Standpunkt des ^linisters vorbehaltlos anzunehmen, aber gegenüber den Debatten des Vorjahres war eine erhebliche Mäßigung ein- getreten. Hatte man im Vorjahre verlangt, daß die Gründung nur im Wege der Gesetzgebung, des Parlamentsbeschlusses, zugelassen werden dürfe, so beschränkte sich jetzt der Antrag der konservativen Parteien, der vom Grafen Clairon d'Haußonville gestellt wurde, auf die Forderung:

Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen

1. vor Begründung einer staatlichen Universität in Frankfurt a. M. Vorsorge dahin zu treffen, daß ihre finanzielle Selbständigkeit für die erste Einrichtung und für die Dauer festgestellt ist,

und die Ordnung der Verhältnisse dieser Universität nach den Grundsätzen festzulegen, die für die übrigen Universitäten gelten;

2. für den Fall der Begründung der Universität in den Staatshaus- halt einen sie betreffenden blinden Titel einzustellen.

Mehr das akademische Interesse und den Standpunkt der Universitäten zu der Frage vertrat der von Dr. Friedberg und Genossen für die nationalliberale Fraktion gestellte An- trag:

Die Königliche Staatsregierung wird ersucht: I. ihre Zustimmung zur Gründung der Universität Frankfurt a. M. nur dann zu geben,

wenn der Charakter dieser Universität als einer Staatsveranstal- tung im Sinne des preußischen Landrechts nach jeder Richtung hin gewährleistet ist,

wenn die Rechte der Staatsregierung und der Fakultäten über- einstimmend mit den \'erhältnissen der anderen Universitäten geregelt werden,

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wenn die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung sichergestellt wird,

wenn endlich auch für die Zukunft Gewähr geboten wird, daß Staatsmittel nicht in Anspruch genommen werden; 2. die mit den Frankfurter Behörden, Instituten und Privatpersonen abgeschlossenen Verträge vor Zustimmung zur Gründung der Uni- versität dem Hause der Abgeordneten vorzulegen.

In vollkommenen Gegensatz zu diesen xA.nträgen stellte sich der Antrag der sozialdemokratischen Abgeordneten Borchardt und Genossen:

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen, die Königliche Staats- regierung zu ersuchen, der in Frankfurt a. M. geplanten städtischen Stiftungsuniversität mit Rücksicht darauf, daß die Stiftungen und die Stadtgemeinde alle Mittel für Gründung und Unterhaltung aufbringen, volle Selbstverwaltung und Freiheit in der Berufung und Beauftragung der Dozenten zu gewähren und eine entsprechende Gesetzesvorlage dem Landtage vorzulegen.

Die Rollen waren vertauscht. Es war nunmehr die sozialdemokratische Partei, die den Weg der Gesetzgebung verlangte, und die von der damaligen Mehrheit des Ab- geordnetenhauses, von dem Junkerparlamente, wie sie zu sagen pflegte, für die neue Hochschule Emanzipation von aller Staatsaufsicht durch gesetzliches Privileg forderte !

Die Stellung, die die Mehrheit zu dem Gründungsplan einnahm, kam am unverhülltesten in der Rede des Mitgheds der Zentrumspartei Dr. Bell zum Ausdruck. Er erkannte an, daß nach den Darlegungen des Kultusministers in der Budgetkommission, der sich dafür auf übereinstimmende Gutachten dreier namhafter Staatsrechtslehrer habe berufen können, für die Begründung der Universität die Könighche Verordnung genüge. Er stellte den Ausfluß des staathchen Aufsichtsrechts über die Universität nach drei Richtungen fest: in der Regelung des äußeren und inneren Betriebs der Universität, in der Ernennung der Professoren und endlich in der Ausübung des staatlichen Aufsichtsrechts durch einen Kurator. Alle schon früher erhobenen Einwendungen wurden wiederholt: finanzielle Bedenken über die Tragfähig- keit der Stiftung, Einflußnahme des Kuratoriums auf den Geist der Universität und die Besetzung der Lehrstühle,

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Schaffung eines Präjudizes für die Gründung von Universi- täten durch das Großkapital, und alle diese sich so hoch politisch gebenden Gründe klangen in dem charakteristischen Satze aus: ,,Zu den von mir dargelegten Bedenken tritt dann noch ein gewichtiges Moment hinzu, nämlich das ganze Milieu von Frankfurt." Der Redner erbat endlich

I. zur Prüfung, ob eine Staatsverwaltung im Sinne dss Landrechts vorliege, festzustellen, durch Festsetzung welcher Voraussetzungen und Modalitäten rechtlich gewährleistet sei, daß die Universität staatliche Veranstaltung sei, ob wie bei anderen Universitäten

a) eine Ausübung des Vorschlagsrechts bei Berufung von Professoren erfolge,

b) die Stellenbesetzung ausschließlich durch die Staatsregierung aus- geübt werde,

c) die staatliche Regelung des Betriebes der Universität und ihrer Anstalten gewährleistet sei,

d) die Wahrnehmung des staatlichen Aufsichtsrechts durch einen Kurator erfolge,

II. Aufldärung über die dauernde Dotierung zu geben und III. die abzuschließenden Verträge vorzulegen.

In seiner Antwort wiederholte der Minister die frühere Versicherung, daß die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts maßgebend seien, die Universität daher als Staatsanstalt angesehen werden müsse. Wolle man an- nehmen, daß mangels ausdrücklicher Einführung der be- treffenden Bestimmungen des Landrechts in Frankfurt das gemeine Recht gelte, so käme für die Gründung gleichfalls ein landesherrliches Privileg in Betracht. Es genüge also die Königliche Verordnung, sofern sich die neue Universität im Rahmen der geltenden Universitätsverfassung bewege. Das treffe aber zu. Lediglich aus den abweichenden Finanz- verhältnissen ergäbe sich eine gewisse Abänderung, die in der Einsetzung eines Kuratoriums zwecks Verwaltung der finanziellen und äußeren Verhältnisse liege. Diesem Kura- torium ständen indes keine Aufsichtsrechte wie einem staatlichen Kurator zu. Die Dotierung stütze sich auf eine feste vertragliche Regelung, nicht etwa auf eine bloße Ein- stellung der Subsidien in den städtischen Etat. Die Ver- hältnisse seien im übrigen wie bei den anderen Universitäten

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bestimmt. Die staatlichen Anforderungen seien in vollem Maße gewahrt, dafür übernehme das Kultusministerium die Verantwortung.

Diese Darlegungen fanden bei dem Vertreter für Mar- burg Professor Dr. Bredt keinen Anklang. Die Befürch- tungen der Marburger Universität traten zwar in seinen Ausführungen zurück, er rügte vor allem das Fehlen einer theologischen Fakultät und suchte ,, tendenziöse" Gründe für die Gründung als maßgebend hinzustellen. Ihm pfhchtete der Redner der konservativen Partei Graf Clairon d'Haußon- ville bei. Mit seiner warmherzigen und liebenswürdigen Beredsamkeit trat wiederum der Frankfurter Vertreter Funck für die Schöpfung der Vaterstadt ein. Er erkannte an, daß der Minister die richtigen Worte für die Bedeutung des Vorhabens gefunden habe, forderte aber darüber hinaus endlich einmal ein offenes Wort der Würdigung der be- wundernswerten Opferfreudigkeit der Stadt Frankfurt und eine Behandlung, die ein höheres Maß der Vorurteilslosigkeit aufweise als bisher. Frankfurt wolle keine andere Stadt in ihrer Entwicklung beeinträchtigen, verlange aber die Freiheit eigner Entfaltung. Der nationalliberale Antrag erledige sich durch die bisherigen Darlegungen von selbst, der kon- servative, der Einstellung eines Titels in den Etat fordere, stehe im Widerspruch mit der Forderung, die die finanzielle Unabhängigkeit der Universität verlange. Der Vertreter Frankfurts fand Unterstützung bei dem Redner der national- liberalen Fraktion Dr. von Campe, der sich ebenfalls aus finanziellen Gründen gegen den konservativen Antrag aus- sprach und der kulturellen Seite der Frage volle Würdigung zuteil werden ließ. Er ironisierte die Stellung des Zentrums, das sich hier seltsamerweise für die Sicherung des staat- lichen Aufsichtsrechts einsetze und wandte sich gegen eine nochmalige Verweisung an eine Kommission. ,, Freuen wir uns, daß wir hier offene Hände gefunden haben, die wirklich etwas Großes hergeben wollen. Die Sache ist spruchreif. Es handelt sich um eine größzügige Sache, die man nicht durch Verhandlungen über Kleinigkeiten beeinträchtigen soll."

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Der Minister faßte in Beantwortung dieser Redner seinen Standpunkt nochmals dahin zusammen, daß. der erste Teil des konservativen Antrags wie des nationalliberalen seinen Anschauungen entsprächen. Die Forderung auf Ein- stellung eines bhnden Titels in den Etat werde damit be- gründet, daß man die Möglichkeit schaffen wolle, bei der Etatberatung auch über die Universität Frankfurt zu sprechen. Die heutige Debatte beweise diese Möglichkeit auch ohne Etattitel. Aus der Einstellung eines Titels könne man aber jedenfalls finanzielle Verpflichtungen des Staates herleiten, darum empfehle sich eine solche Einstellung nicht. Wenn der zweite Teil des nationalliberalen Antrags die Vorlage der abzuschließenden Verträge wünsche, so sei zweifelhaft, ob dies nicht eine Beeinträchtigung der Rechte der Krone darstelle, deren Absichten nicht vorher zur Bil- ligung den gesetzgebenden Organen dargelegt werden könnten. Auf eine nochmalige Anfrage seitens des Zentrumsabgeord- neten Schmedding stellte der Mmister endlich nochmals fest, daß dem Kuratorium kein Einfluß auf den Unterrichts- betrieb eingeräumt werde, sondern ihm nur die äußere Verwaltung zustehe.

Den sozialdemokratischen Antrag begründete der Ab- geordnete Dr. Liebknecht. Er bekämpfte die Stellung- nahme der Parteien der Rechten und des Zentrums, die nur der Haß gegen die Großstädte erkläre. Gleichwohl stehe auch seine Partei der Gründung mit sehr gemischten Ge- fühlen gegenüber. Die Stadt Frankfurt wolle die Universität nicht um der freien Forschung willen, sondern wegen der Geldvorteile, die damit verbunden seien, und der Berech- tigungen, die die Studierenden haben sollten. Das hieße die Selbstverwaltung um ein Linsengericht preisgeben. Werde die Universität von den gesetzgebenden Organen jetzt ab- gelehnt, so werde die Stadt genötigt, den von seinen Partei- genossen in Frankfurt vorgeschlagenen W^eg der Gründung einer freien Universität zu betreten.

Bei der x\bstimmung wan"de ein Antrag auf Verweisung der gestellten Anträge an die Budgetkommission gegen die

Stimmen von Zentrum und der Polen abgelehnt. Der Antrag Friedberg wurde in allen Teilen angenommen. Damit war ebenso wie der sozialdemokratische Antrag der konser- vative Antrag in seinem ersten Teil erledigt. Dessen zweiter Teil, der die Einstellung eines Etattitels verlangte, wurde sodann abgelehnt.

Diese Verhandlungen fanden im Herrenhaus bei der Beratung des Kultusetats am 21. Mai 1912 ihre Fortsetzung. Der Breslauer Universitätsvertreter Professor Hillebrandt wiederholte alle jene schon so oft vorgebrachten Bedenken gegen die Unabhängigkeit des Unterrichtsbetriebs und die finanzielle Ausstattung der Universität und verlangte eine subsidiäre Haftung der Stadt Frankfurt für die Unterhaltung. Er brachte entsprechend dieser Stellung den Antrag ein:

Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, der Errichtung einer Universität in Frankfurt a. M. nur unter folgenden Voraussetzungen zuzustimmen :

1. daß der staatliche Charakter der Universität genau wie bei den übrigen preußischen und deutschen Universitäten gewahrt werde;

2. daß die Berufung von Lehrern der Universität nur durch den Staat nach Anhörung der Vorschläge der Fakultäten wie bei den anderen Universitäten erfolge ;

3. daß auch für die Zukunft die finanziellen Grundlagen der Universität ohne Inanspruchnahme von Staatsmitteln als gesichert nachgewiesen und die Stadt Frankfurt verpflichtet werde, gegebenenfalls selbst dafür aufzukommen.

In der letzten Forderung lag der schwerste und ge- fährlichste Angriff, den die parlamentarischen Vertretungen bisher unternommen hatten. ^Machte die Staatsregierung sie sich zu eigen, so war die Gründung endgültig gescheitert, denn die Stadtverwaltung hätte nach dem Gang der bis- herigen \^erhandlungen eine solche Haftung unmöglich übernehmen können. Der Kultusminister begegnete indes diesem Antrag sofort in. entschiedener und außerordentlich geschickter Weise. Nachdem er auch hier wiederholt hatte, daß die Universität als Staatsanstalt begründet und ab- gesehen von den aus ihrer Eigenart sich ergebenden Ab- weichungen wie andere Universitäten ausgestattet und organisiert werde, versicherte er, daß die Prüfung der

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Finanzfrage gem,einsam mit dem Finanzministerium vor- genommen sei, daß für künftige Bedürfnisse stille Reserven und ein besonderer Rücklagefonds für außerordentliche Aufwendungen vorgesehen sei. Eine Garantie der Stadt Frankfurt für die finanziellen Erfordernisse sei nach keiner Seite erwünscht. Gerade die Loslösung von der städtischen Verwaltung sei für die geforderte Unabhängigkeit der Anstalt von Bedeutung. Ein städtischer Einfluß, der bei einer städtischen Garantieleistung unvermeidbar sei, müsse ver- mieden werden. Die Grundlage für die Leistungen bilde ein privatrechtlicher Vertrag, der die Verpflichtungen dauernd festlege. Da Oberbürgermeister Adickes verhindert war, den Verhandlungen beizuwohnen, vertrat Herr vom Rath den Frankfurter Standpunkt, indem er nachdrücklich betonte, daß man nie an anderes als eine staatliche Universität in Frankfurt gedacht habe. Alle die latenten Stimmungen, die in den Verhandlungen bisher den Unterton der gegnerischen Ausführungen gebildet hatten, kamen deutlich in den Aus- führungen des Vertreters einer Technischen Hochschule, Dr. ing. Krohn, zum. Ausdruck. Er folgerte aus dem Fehlen der theologischen Fakultät und einer Bemerkung des Ab- geordneten Funck bei den Verhandlungen des Abgeordneten- hauses, daß man einseitige politische Anschauungen Einfluß auf die Universität gewinnen lassen und dem Lehrbetrieb eine materialistische Richtung geben wolle. Mit gewinnender Offenheit trat der frühere Kultusminister Graf von Zedlitz und Trützschler all diesen versteckten Gegnerschaften gegen- über. Die Gründung sei eine beschlossene Sache. Die staatlichen Anforderungen seien erfüllt. Die Forderung einer Gewährleistung der Stadt könne der Staat ernstlich nicht fordern. Die Antragsteller seien verschleierte Gegner der Gründung; dann sollten sie das auch offen sagen und ohne Umschreibung den Antrag auf Ablehnung des Ver- trages stellen. Alle Bedenken der Bureaukratie kamen dagegen wieder in den Ausführungen des anderen ehemaligen Kultusministers, Dr. von Studt, zum Ausdruck, der vor allem staatsrechtliche und etatrechthche Einwendungen erhob

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und in iedem Fall die Einstellung eines Etattitels für erforder- lich hielt. Der Kultusminister mußte in seiner Antwort nochmals die oft gemachten staatsrechtlichen Erklärungen geben und berief sich dabei wieder auf die schon zitierten Gutachten der drei befragten Staatsrechtler. Präzedenzfälle für die Struktur der Anstalt seien gegeben. Das staatliche Etatrecht komme nicht in Betracht, da die Mittel aus Stiftungen flössen. Maßgebend sei nur, ob diese Stiftungen hinreichend leistungsfähig seien. Treffe dies nicht zu, so komme die Gründung nicht zustande. Über engherzig bureaukratische Einwendungen sich hinwegsetzend schloß der Minister: ,,Was in 30, 40, 50 Jahren einmal sein wird,, dafür zu sorgen, ist glaube ich nicht unsere Sache. Das wird man der Zukunft überlassen müssen. Ich glaube, wir tun unsere Pflicht, wenn wir die Universität so aus- gestattet entstehen lassen, daß auf absehbare Zeit die Mittel vorhanden sind, wie wir das von einer preußischen Universität verlangen dürfen, und das wird der Fall sein!"

Der Standpunkt des Ministers war nicht der des Hauses. Nachdem der Antragsteller Hillebrandt nochmals die Be- fürchtung ausgesprochen, daß wenn der Staat eintreten müsse, dann die Universitäten des Ostens litten, und Fürst zu Salm-Horstmar eine Gewährleistung gegen eine Be- einträchtigung der im Westen neu sich gestaltenden Uni- versität Münster verlangt hatte, nahm die Versammlung den Antrag Hillebrandt in allen Teilen an.

Die Beratung der Magistratsvorlage vom 29. März 1912 in der Stadtverordnetenversammlung

Zwischen die Verhandlungen von Abgeordnetenhans und Herrenhaus fiel die Veröffentlichung der Magistrats- vorlage, die noch am Tage ihrer Datierung, dem 29. März 1912, zur Veröffentlichung kam, aber zugleich mit ihr wurde ein Ereignis bekannt, das bei allen Freunden des Projekts Bestürzung und Verwirrung hervorrief; schien es doch, als ob damit ein neues, ja das denkbar größte Hindernis sich der Verwirklichung der Gründung entgegenstellte und kam diese neue Hemmung gerade von der Seite, von der man sie am wenigsten erwartete, von Adickes selbst. Es war das Rücktrittsgesuch Adickes', der am 28. März an den Magistrat das Schreiben richtete :

,,Aus meinem wiederholten Unwohlsein der letzten Jahre ist mir immer stärker und drängender die Uberzeugeung erwachsen, daß mein Gesundheitszustand mir nicht mehr gestattet, mein Amt mit derjenigen Frische, Energie und Initiative zu fidiren und nach außen zu vertreten, die ich für erforderlich halte.

Meine Absicht, im Vorjahre nach Vollendung meines 65. Lebens- jahres aus dem Amte zu scheiden, glaubte ich mit Rücksicht auf die schwebenden Universitätsverhandlungen nicht ausführen zu dürfen.

Diese \'erhandlungen sind jetzt soweit gediehen, daß sie in Bälde zum Abschluß gebracht werden können, die Zeit meines Scheidens ist daher gekommen. Die nach Genehmigung der Universität für ihre Begründung erforderlichen Arbeiten liegen der Akademie ob, und ich bin bereit, sie im alten Umfange weiter zu führen, solange ich dazu in der Lage bin.

Indem ich daher meine Pensionierung mit dem mir zustehenden Ruhegehalt zu einem noch zu vereinbarenden Zeitpunkte und die Erwirkung der .Mlerhöchsten Entlassung aus meinem Amte be- beantrage, bedarf es keiner \"ersicherung, wie schwer mir die Trennung Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. IX

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von meinem über 21 Jahre verwalteten Amt und von meinen Mit- arbeitern wird, und wie alle meine Gedanken auch ferner an dieser mir so lieb und heimisch gewordenen Stadt hängen."

Noch am 25. März hatte Adickes mit Vertretern der Mehrheitsparteien eine Besprechung geführt, um die Be- handhmg der Vorlage zu erörtern, ohne dabei etwas von seiner Absicht verlautbaren zu lassen. Um so überraschender war nun das Abschiedsgesuch gekommen, das eine voll- ständig neue Lage schuf. Die Mehrheit in der Stadtver- ordnetenversammlung war keineswegs sicher, jetzt weniger wie zuvor, da auf die Mitwirkung von Adickes bei der finan- ziellen Fundierung, der Aufbringung der Stiftungsmittel nicht mehr mit gleicher Sicherheit gerechnet werden konnte wie früher, und man nicht wußte, wie die künftige Verwaltung sich zum Universitätsplane stellte. Es schien fast, als habe der Führer im kritischen Augenblick das Schiff verlassen, das mehr denn je der erfahrenen und erprobten Hand des Steuermanns bedurfte. Die spätere Zeit zeigte, daß zwingende Notwendigkeit nur Adickes den Anlaß gab, seinem Amt zu entsagen, daß schon schwere Krankheit den gewaltigen Mann zwang, sich endlich die verdiente Ruhe zu gönnen, aber daß er dennoch seine letzten Kräfte noch einzusetzen bereit war, um seinen Lieblingsgedanken in die endliche Wirklichkeit einzuführen. Für den Augen- blick allerdings war die Lage schwer, das Schicksal der Vor- lage in der Stadtverordnetenversammlung erneut bedroht.

Die Stellung der Presse hatte sich gegen das Vorjahr nicht wesentlich geändert. Die lokalen Blätter waren in ihrer Meinung geteilt. Die Frankfurter Zeitung rückte vor allem das finanzielle Moment in den Mittelpunkt ihrer Be- trachtung. Sie erhob in einem Artikel vom 29. März abermals Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Finanzplans, der bezweifeln lasse, ob für die Zukunft ausreichende Deckung vorgesehen sei. Wie auch der Vertrag laute, eines Tages werde doch die Stadt die Kosten tragen müssen, wenn sie die Universität nicht verkümmern lassen wolle. Was anderes könne geschehen, wenn die Werbekraft fehle, die bisher die

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Millionen aus der Erde gestampft habe ? Eine Besprechung vom 30. März lenkte demgegenüber wieder ein und meinte, wenn der Finanzplan überzeugend nachwiese, daß die vor- handenen Mittel für absehbare Zeit ausreichten und Stadt und Steuerzahler nicht weiter belastet würden, könne man mit der Lösung zufrieden sein, auch wenn nicht alles so gekommen sei, wie man es sich früher gedacht habe. Erneute Zweifel nach -der finanziellen Seite hin warf dann wiederum eine eingehendere Besprechung des Finanzplans in einem Aufsatz vom 2. April auf, der nicht frei von Mißverständ- nissen war. Die schärfste Kritik übte das Organ der Sozial- demokratischen Partei, das wie im Vorjahre die Ablehnung der Vorlage verlangte wegen der Unmöglichkeit, einer freien und unabhängigen Wissenschaft eine Stätte zu v^erschaffen, wegen der Übertragung der Verwaltungsbefugnisse auf den Staat und endlich wegen finanzieller Bedenken. In letzter Stunde müsse nochmals vor dem entscheidenden Schritte gewarnt und darauf hingewiesen werden, daß die Zukunft der Universität der Stadt schwere Opfer auferlegen werde. Diese Universität mit staatlicher Bevormundung sei solcher Opfer nicht wert. ,,Sie ist in allen ihren Einrichtungen eine unter vielen, jedenfalls aber keine, deren freiheitliche Verfassung die besten Männer anlocken und es jedem leicht machen würde für eines der erhabensten Ideale: für un- abhängige freie Forschung und Lehre sein Scherflein bei- zutragen." Diese Äußerungen entsprachen dem Stand- punkt der sozialdemokratischen Fraktion. Vorbesprechungen ergaben indes, daß diese nicht mehr mit ihrem ablehnenden Standpunkt allein stand, sondern auch ein Teil der Fraktion der Fortschrittlichen Volkspartei die Vorlage sowohl nach der organisatorischen wie der finanziellen Seite nicht ihren Wünschen entsprechend ansah. Es war zu befürchten, daß nochmals bei den Beratungen alle grundsätzlichen Momente avifgerollt würden und man abermals eine Ver- schleppungstaktik einschlagen würde, was nunmehr eine ernste Gefahr bedeuten konnte. Man war sich bei den Freunden der Vorlage klar, daß die Anschauung durchgesetzt

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werden müsse, über das Grundsätzliche der Vorlage habe die Stadtverordnetenversammlung durch ihren vorjährigen Beschluß entschieden, nunmehr sei nur zu prüfen, ob der vorgelegte Vertragsentwurf den damaligen Anträgen der Versammlung entspreche und ob dem vorgelegten Finanz- plan keine Bedenken entgegenständen. Demgemäß kamen die Führer der Parteien der vorjährigen Mehrheit überein, bei der Beratung die Überweisung der Vorlage an den Rechts- und den Finanzausschuß zur Prüfung nach diesen beiden Richtungen zu beantragen.

Bereits am 2. April gelangte die Vorlage in der Stadt- verordnetenversamrnlung zur Verhandlung. Es war die gleiche Sitzung, der das Abschiedsgesuch von Oberbürgermeister Adickes vorlag. Einmütig hatte ihm die Versammlung Dank gezollt für alles, was er der Stadt gewesen. Mit schlich- ten Worten bot er ihr nun die letzte Gabe seines Wirkens. Kurz begründete er die Notwendigkeit seines Abschieds, zu dem ihn sein Gesundheitszustand zwinge. An der Universität wolle er durch seine Stellung zur Akademie weiterarbeiten. Als großes Glück empfinde er, daß ihm beschieden gewesen sei, die Sache bis hierher zu führen; er hoffe, daß sie auch weiter einen gedeihlichen Gang gehen werde. Er knüpfte dann an die Ausführungen des Vorjahres an, die er über die einzelnen Stadien der Verhandlungen gemacht hatte. Der Beschluß der Stadtverordneten sei der erste Akt, die Ver- handlungen mit der Regierung der zweite Akt gewesen, nun komme der dritte, bei dem es sich darum handele, Stellung zu dem zu nehmen, was der Staat beschlossen. Auf prin- zipielle Meinungsverschiedenheiten habe er nicht mehr ein- zugehen, sondern könne nur vom Beschlüsse der Versammlung vom 29. Juni des Vorjahres ausgehen, dessen Forderungen in den wesenthchsten Punkten erreicht worden seien.

Die Wünsche wegen der Organisation seien der Haupt- sache nach erfüllt, so vor allem die Erhaltung der Selb- ständigkeit der Stiftungen und ihrer Einrichtungen gegenüber der Regierung. Sei die Universität auch Staatsanstalt, so seien ihr in Kuratorium und Großem Rat doch eigene Organe

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gegeben, ihre Bedeutung werde nach dem Maße der Einsicht sich zeigen, mit der sie von ihren Befugnissen Gebrauch machen wöirden. Bei der Berufungsfrage sei das für die Stadt Notwendige erreicht.

Was die Finanzfrage angehe, so habe der Bericht der vorjährigen Kommission den Nachweis erbracht, daß was vorgesehen werde, dem Bedarf aller mittleren, sogar dem einiger großen Universitäten entspreche. Für die künftigen Bedürfnisse solle nun über die Forderungen des Vorjahres hinaus ein Sicherheitsfonds von zwei Millionen geschaffen werden, dessen Zinsen eine Reihe von Jahren dem Kapital zugeführt werden sollten. Dazu trete eine zweite Bau- reserve. Da man auch die im Vorjahr nur für die spätere Zeit einer Erweiterung vorgesehenen Bauten schon jetzt in den Etat eingeführt habe, so sei für absehbare Zeit Vor- sorge getroffen. Er glaube nicht, daß irgendwo eine der- artige Schöpfung bisher mit solchen Sicherheitsmitteln ins Leben gerufen sei. Finanz- und Kultusministerium hätten beide erklärt, daß keinerlei Bedenken mehr zu erheben seien, und keine Gefahr vorliege, daß Staatsmittel in Anspruch genommen werden müßten. Da es eine staatliche Ver- anstaltung sei, habe für den Finanzminister alle Veran- lassung zu sehr genauer Prüfung vorgelegen. Eine solche sei auch erfolgt und deshalb vertraue er, daß die Prüfung der Versammlung zu dem gleichen Ergebnis führen werde wie die der beiden Ministerien.

Der Standpunkt der Mehrheit der volksparteilichen Fraktion wurde durch den Verfasser vertreten. Er wies einleitend darauf hin, wie Schritt für Schritt die Wider- stände bisher erfolgreich überwunden worden seien und den allseitigen Anfeindungen gegenüber das Solidaritätsgefühl der Bürgerschaft den früheren Zwist beilegen solle. Die Verpflichtungen der Stadt seien erschöpfend in einem zivil- rechtlichen Vertrag festgelegt; die früheren Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung zum größten Teil berück- sichtigt. Eine Ausnahme bilde nur die Beruf ungs frage, doch seien auch hier nach Möglichkeit die städtischen Inter-

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essen gewahrt. Der Redner setzte sich dann mit den Kritiken, die an dem Etat in der öffentHchkeit geübt worden, aus- einander, um zum Ergebnis zu gelangen, daß der eingesetzte Bedarf den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Der wichtigste Punkt der vorzunehmenden Prüfung sei der, ob das zur Fundierung notwendige Kapital von 7 750 000 M durch einwandfreie Titel tatsächlich beschafft sei. Treffe dies zu, dann sei die künftige Aufgabe des Universitäts- kuratoriums, entsprechend dem vorgelegten Etat die finan- zielle Verwaltung zu führen und unter Einhaltung der Vor- schriften für die vorgesehenen Reservefonds die Verant- W'ortlichkeit für die finanzielle Unabhängigkeit zu über- nehmen. Für die Versammlung sei danach eine Prüfung nach zwei Richtungen vorzunehmen, nach der rechtlichen Seite, ob die Bedingungen der Versammlung bei dem Ver- trage beobachtet und ob die Stiftungen in bindender Form zur dauernden Unterhaltung der Universität gesichert seien, sowie nach der finanziellen Seite, ob die Etats einwandfrei aufgestellt und die eingestellten Ausgaben dauernd gedeckt seien. Daraus rechtfertige sich der Antrag zur Prüfung dieser beiden Fragen

„die Vorlage dem vereinigten Finanz- und Rechtsausschuß zu über- weisen".

Auch der Redner der nationalliberalen Fraktion, von Lasaulx, erkannte an, daß das Ergebnis der Verhandlungen als zufriedenstellend zu betrachten sei. Die Verpflichtungen gingen nicht über den Vertrag hinaus. Wenn jemand moralische Verpflichtungen konstruieren wolle, so träfen solche alle Stifter gleichsam. Namens seiner Fraktion stimmte er der beantragten Ausschußberatung zu.

Unvermindert heftig blieb der Widerspruch der sozial- demokratischen Fraktion, für die als erster Redner Dr. Quarck sprach. Er stellte an die Spitze seiner Ausführungen, daß die Gründung einer Universität keine kommunale Aufgabe sei, daß es notwendigere und wichtigere Verwaltungsprobleme zur Zeit zu erfüllen gelte. Alle finanziellen Berechnungen seien utopisch. Die Gestaltung der Geld- und Zinsverhält-

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nisse lasse sich nicht voraussehen. Die morahsche Ver- antwortung träfe stets die Stadt. Die Deckung der Kapital- fundierung von 7V4 Millionen sei nicht nachgewiesen. Die Erfahrungen bei den Krankenhausetats bewiesen, daß alle Berechnungen durch die tatsächliche Entwicklung überholt würden. Die Finanznot der Stadt erlaube solche Unter- nehmungen nicht, deren spätere Erfordernisse nicht zu über- sehen seien. Was die Organisation angehe, so habe man vor allen reaktionären Forderungen von Regierung und Landtag kapituliert. Nach den Erklärungen des Ministers im Landtag werde allein maßgebend sein das Königliche Privileg, das sich um den Vertrag nicht zu kümmern brauche. Für die Verwaltung behalte sich der Minister nach seinen Erklärungen alle Rechte vor, während Kuratorium und Großer Rat Scheinexistenzen führen würden. Der vollständigste Miß- erfolg sei aber in der Beruf ungs frage erzielt worden. Alle bestehenden Mißstände, vor allem die Zurücksetzung jüdischer Dozenten, würden damit auch in der Frankfurter Universität eingeführt, die nichts anderes werde als ein Bollwerk preußischer Reaktion im südlichsten Zipfel der Monarchie und nicht zum Vorteil der freieren Luft des Südens das gesellschaftliche und sozialpohtische Leben Frankfurts mit den Tendenzen Preußens erfüllen werde.

Gegenüber der Rede Dr. Quarcks erinnerte Landtags- abgeordneter Funck daran, daß gerade die sozialdemo- kratische Fraktion im Landtage die gesetzliche Regelung verlangte, also Ordnung durch eben diese so bekämpfte preußische Regierung. Auch errege ihm Verwunderung, daß Dr. Quarck als Verteidiger der Interessen der Stifter, also der Kapitalmacht auftrete, deren Einfluß er doch sonst bekämpfe. Die Unabhängigkeit der finanziellen Verwaltung sei tatsächlich voll gewahrt. Ebenso seien die Rechte der Stadt auf ihre Anstalten in einer Weise sichergestellt, wie sonst bei keiner Universität. In der Kommissionsberatung werde sich hoffentlich der objektive Boden gewinnen lassen, um alle zu überzeugen, daß hier ein Kulturwerk wie noch von keiner Stadt geschaffen werde.

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Nachdem ein zweiter sozialdemokratischer Redner nochmals die Bedenken seiner Partei vorgebracht und ein Mitglied der volksparteilichen Fraktion eine Reihe kritischer Einwendungen mit dem Vorbehalt seiner ablehnenden Stellung zur Vorlage erhoben hatte, wurde diese ohne Widerspruch an den Finanz- und Rechtsausschuß zu gemeinsamer Beratung überwiesen. Ein nachträglich gestellter Antrag, auch den Schulantrag zuzuziehen, wie auch ein Antrag, ein Mitglied desselben beizuordnen, wurde vom Vorsitzenden als ge- schäftsordnungswidrig nicht zugelassen.

Die Freunde der Vorlage hatten erwartet, daß bei der Plenarberatung Aufschluß über die zur Verfügung stehenden Stiftungsmittel gegeben werde. In dieser Er- wartung sah man sich getäuscht und hoffte, daß wenigstens in der Ausschußberatung das Material ergänzt werde. Eine außerordentliche Erschwerung ihrer Stellung aber lag darin, daß jetzt noch solche Erklärungen und Nachweise ausblieben. Es war die Eigentümlichkeit in der Arbeitsweise von Adickes nur soviel von seinen Plänen und von dem Erreichten bekannt zu geben, als er für unbedingt erforderlich hielt, aber eine Erleichterung für seine Mitarbeiter bedeutete dies wahrlich nicht, die um so mehr Verantworthchkeit auf die eignen Schultern nehmen mußten. Die Ausschüsse mußten sich daher auf die Prüfung beschränken, ob der Vertrags- entwurf den Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung vom 27. Juni 1911 entspräche, und ob die vorgesehenen Einrichtungen und der für sie im Etatsentwurf in Ansatz gebrachte Bedarf als genügend anzusehen sei.

Die Ausschüsse gelangten zur Feststellung, daß die Beschlüsse bezüglich der Regelung des Krankenhausbetriebes, der Bestimmung über eine Erweiterung des Umfangs der der Universität zur Verfügung zu stellenden Anstalten, Fest- setzung der Pflegesätze, Durchführung erforderlicher sozialer Maßnahmen wie der übrigen im Interesse der städtischen Selbstverwaltung vorgesehenen Kautelen im Vertrage Be- rücksichtigung gefunden hatten. Die infolge der vorgesehenen Erhöhung der Frequenz für notwendig gehaltene Erweiterung

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des Senckenbergischen Museums und die Überweisung eines weiteren städtischen Grundstücks hierfür fand die Bilhgung der Ausschüsse. Eine eingehendere Erörterung fand die Bibhothekfrage. Hierzu wurde ein Beschhiß gefaßt, der auf eine engere Verbindung der StadtbibHothek mit der Roth- schildschen und Senckenbergischen Bibliothek abzielte.

In der Frage der Ordnung der Berufungen sahen sich die Ausschüsse vor die Entscheidung gestellt, entweder die Universitätsgründung fallen zu lassen oder die Vor- schläge des Vertragsentwurfs unverändert anzunehmen. Die Mehrheit entschied sich für die letztere Alternative, zumal da sie anerkannte, daß der Entwurf wertvolle Zu- geständnisse enthielte. Solche wurden einmal in dem Kontrollrecht des Kuratoriums, das verhindern könne, daß die in §§ i und 4 festgelegten Grundsätze verletzt w^ürden, wie auch namenthch in dem Schutz der städtischen Interessen bei der Besetzung der leitenden Stellen an den Krankenhaus- instituten gesehen. Ein Antrag, in § 4 des Vertrags (nach dem eine Bindung in bezug auf das rehgiöse Bekenntnis bei keinem Lehrstuhl stattfinden und bei Besetzung der Profes- suren die konfessionelle Stellung keinen Ausschlußgrund bilden darf) der konfessionellen und rehgiösen Stellung die politische gleichzustellen und einen entsprechenden Zusatz einzuschalten, wurde abgelehnt, um nicht erneute Schwierig- keiten in die Verhandlungen mit der Regierung einzuführen, nachdem in § i deutlich zum Ausdruck gebracht werde, daß die Pflege der Wissenschaften an der Universität un- abhängig von Parteien und frei von Einseitigkeiten durch- zuführen sei.

Zur Prüfung der finanziellen Berechnungen wurde ein Unterausschuß, bestehend aus den Stadtverordneten Heiden, von Lasaulx und dem Verfasser gewählt, der in eingehender Durcharbeitung des Etats jeden einzelnen Posten desselben einer Nachprüfung unterzog. Der Unterausschuß gelangte zu dem Ergebnis, daß der noch aufzubringende Kapitalbedarf nach Abrechnung von bereits verfügbaren Mitteln auf 7 212 000 M zu berechnen sei.

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Die vereinigten Ausschüsse fanden gegen die Fest- stellung ihrer Unterkommission nichts zu erinnern und schlössen sich der Ansicht an, daß finanzielle Bedenken gegen den Vertragsabschluß nicht vorlägen, sobald dieser Kapitalbedarf als sichergestellt nachgewiesen sei. Da indes der Magistrat sich auch im Ausschuß darüber ausschwieg, welche Stiftungen mittlerweile noch fest zugesagt waren, mußte als Voraussetzung für den Abschluß des Vertrags dem Magistrat die Verpfhchtung auferlegt werden, vorher der Stadtverordnetenversammlung den Nachweis für die Deckung des Kapitalbedarfs zu erbringen. Dieser Nachweis sollte den beiden Ausschüssen erbracht werden, um eine dritte Plenarberatung zu erübrigen. Mit Rücksicht darauf, daß ein Teil der einmaligen Aufwendungen erst bei steigender Frequenz erforderlich werde, bestand Einverständnis dar- über, daß nur bei einem Teilbetrag, der mit 6 000 000 Ji beziffert wurde, schon bei Universitätseröffnung der Zins- genuß zur Verfügung zu stehen brauche.

Der vom Verfasser erstattete, vom 17. April 1912 datierte Bericht empfahl danach der von den Ausschüssen mit allen gegen zwei Stimmen angenommenen Magistrats- vorlage mit folgenden Anträgen zuzustimmen:

Die Stadtverordnetenversammlung wolle beschließen:

1. Den Magistrat zu ermächtigen, den der Vorlage vom 29. März 1912 betreffend Universität anliegenden Vertag unter Zulassung etwa erforderlich werdender unerheblicher Änderungen abzuschließen, sobald die Einkünfte des im vorliegenden Bericht als nachzuweisend bezeichneten Kapitalsbedarfs von 7212 000 M als dauernd der Univer- sität zur Verfügung stehend, und zwar davon mindestens 6 000 000 M mit Zinsgenuß vom Tage der Universitätseröffnung dem Finanz- und Rechts-Ausschuß nachgewiesen wird.

2. Der Magistrat wolle in Erwägung ziehen, mit der Verwaltung der Rothschildschen Bibliothek und der Senckenbergischen Bibliothek einen Vertrag abzuschließen, durch welchen diese Bibliotheken der Benutzung zu Universitätszwecken dauernd zur Verfügung gestellt werden.

Stellung der politischen Parteien und der Öffentlichkeit

Die Erörterungen in der Öffentlichkeit setzten während der Ausschlißberatungen nicht aus. Eine heftige Agitation gegen die Vorlage wurde vor allem, von der Sozialdemo- kratischen Partei geführt. In einer öffentlichen Versammlung, die diese am lo. April im großen Börsensaal abhielt, wieder- holten zwei sozialdemokratische Stadtverordnete, darunter Dr. Quarck, in heftigster Weise die Angriffe gegen die Universitätsgründung. Die alten Argumente wurden wie- derum vorgebracht. Unabsehbare finanzielle Opfer würden der Stadt aufgebürdet. Der Einfluß der Stifter sei aus- geschaltet. Man baue mit städtischem Gelde einen Schutz- wall für das preußische Junkertum. Die kommende Uni- versität werde ein beredtes Zeichen des Verfalls des deutschen Liberalismus sein. Dr. Quarck meinte, alle Kulturfragen seien in Preußen so lange politische Fragen, als eine dem Kulturfortschritt feindHche Regierung bestehe. Niemand könne an der königlich preußischen Universität Freude haben. Die schmähliche Haltung der Fortschrittler sei an ihrer Ent- stehimg schuld. Wenn die aufrechten Männer an dieser Universität sich die Schultern im Kampfe gegen die preußische Reaktion wund geschunden hätten, würden auch sie zur Einsicht gelangen und vermehrten seine Partei als Mit- kämpfer zur Schaffung freier Bildungsstätten in Deutschland. Die Versammlung nahm eine Entschließung des Wort- lauts an:

„Die von Angehörigen aller Berufsstände besuchte öffentliche „Versammlung bringt einmütig und erneut ihre Gegenerschaft zu „der vom Magistrat geplanten Universitätsgründung zum Ausdruck.

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,Die Versammlung ist nach wie vor der Ansicht, daß der Ausbau ,der jetzt bestehenden Forschungs- und Lehrinstitute mehr im .Interesse der Allgemeinheit läge als die unter Einfluß der preußischen .Regierung zu errichtende, Universität. Der nunmehr dem Stadt- , Parlament vorliegende Vertragsentwurf zwischen den Gründern .regelt die Universitätsfrage nur in der untersten Instanz. Die .maßgebenden staatlichen Bestimmungen, die die Allmacht der .preußischen Regierung festlegen werden, sind nach ihrem Wortlaut .völlig unbekannt, während alle Lasten der Universität auf Frank- . furter Schultern liegen werden. Die anwesenden Männer und .Frauen erklären sich deshalb mit der ablehnenden Stellung der .sozialdemokratischen Stadtverordnetenfraktion in der Univer- .sitätsfrage einverstanden und ersuchen den Versammlungsleiter .den heute gefaßten Beschluß dem Präsidium der Stadtverordneten- .versammlung zu übermitteln."

Starke Gegnerschaften traten auch in einigen Ver- sammhmgen von Bezirksvereinen zutage, in denen auch Anhänger der Fortschritthchen Volkspartei und Stadt- verordnete dieser Partei gegen die Vorlage sprachen. Nicht ohne Bedeutung für die Abstimmung in der Stadtverord- netenversammlung konnte daher eine Versammlung der Organisation der Fortschrittlichen Volkspartei sein, die diese auf den 18. April anberaumt hatte. Nach dem Standpunkt, den die Parteiangehörigen in der vorjährigen öffentlichen Versammlung eingenommen hatten, mußte man auf starken Widerspruch gegen die Stellung der Mehrheit gefaßt sein. Zu Berichterstattern waren der Landtagsabgeordnete Funck und der Verfasser bestellt. Während der erstere vor allem den Gang der Berhner Verhandlungen schilderte, konnte der Verfasser die Ergebnisse der Prüfung des Ausschusses, dessen Bericht mittlerweile erschienen war, darlegen. Die Ausführungen blieben nicht ohne Eindruck auf die Ver- sammlung, auf die vor allem die Größe der von Frankfurter Bürgern für das große Kulturwerk dargebotenen Opfer ein- wirkte. Ein Gefühl des Stolzes auf die Vaterstadt, der sich in der Pflege idealer Güter kaum eine andere Stadt Deutsch- lands nach diesem Beispiel zur Seite stellen dürfte, durch- wehte die Versammlung und in den Beifall, der die Redner lohnte, mischte sich kaum Widerspruch.

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Gespalten war nach wie vor die Ärzteschaft, was auch in ihrer Fachpresse zum Ausdruck kam. In der ,, Frankfurter Ärzte-Korrespondenz" vom 12. April 1912 wurde die Vorlage von großen Gesichtspunkten aus lebhaft verteidigt. In einer künftigen Geschichte des Jahrhunderts, meinte der anonyme Einsender, würden die Erörterungen über die Gründung der Universität Frankfurt ein besonderes Interesse finden, nicht deshalb, weil dem Wachstum der Nation eine Neubildung des Universitätswesens folgen müsse, oder weil diese Gründung aus freiwilligen Spenden einer Bürgerschaft geschehe, oder wegen der scheinbar grotesken Tatsache, daß die neue Kulturstätte überhaupt Gegner finde, sondern deshalb, weil die intensive Behandlung der Nebenfragen erkennen lasse, daß es im wesentlichen politische Gründe seien, um deren willen man das Projekt scheitern lassen wolle. In den Anträgen der nationalliberalen Partei im Abgeordnetenhause auf der einen Seite und der Stellung der Sozialdemokratie auf der anderen charakterisiere sich im wesentlichen dieser politische Streit. Maßgebend aber allein dürfe die Frage sein, ob ein Bedürfnis nach neuen Hoch- schulen vorliege. Diese Frage bejaht der Verfasser aus dem Mißverhältnis heraus, das zwischen Hörerzahl und den Unterrichtseinrichtungen der deutschen Universitäten be- stehe. Diese habe zu einem Großbetrieb in der Ausbildung geführt, der der Reform bedürfe. Die Frage der Prüfung der Notwendigkeit neuer Universitäten werde mit der Entscheidung für die künftige Universität Frankfurt ab- schließen. Diesen Ausführungen trat eine Einsendung in der folgenden Nummer der Zeitschrift entgegen, worin als die Hauptfrage für die Entscheidung die finanzielle be- zeichnet wird. Diese Frage sei in der Vorlage noch immer nicht geklärt. Die Errichtung von Universitäten sei nicht Aufgabe der Städte, sondern der Regierung. Werde der Regierung klar gemacht, daß nirgends durch die bestehenden Institute so wie in Frankfurt für eine neue Universität vor- gearbeitet sei, so könne sich die Regierung der Gründung einer rein staatHchen Universität nicht entziehen und die

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aufgebrachten Stiftungsmittel würden für andere Zwecke sozialer Natur frei.

Auch in der politischen Presse wurde der Kampf noch fortgeführt. Das sozialdemokratische Organ überbot die übliche Tonart noch fast in persönlichen Angriffen gegen die Verteidiger des Plans, die eitle Strebernaturen ihre politische Aufgabe nur darin sähen, rückschrittlichen Preußen- geist in die alte freie Mainstadt zu verpflanzen. In rück- schauender Kritik brachte die periodische Publikation der Nationalliberalen Partei ,,Die Mainbrücke" in ihrer Nummer vom 6. April nochmals eine Würdigung des Erreichten und glaubte feststellen zu können, daß Oberbürgermeister Adickes verstanden habe, den goldenen Mittelweg einzuschlagen und es dem Kultusministerium wie den bei den Verhand- lungen tätig gewesenen Stadtverordneten gelungen sei, sich auf dem Boden des Möglichen zu finden, der die Gründung der Universität nicht nur gestattet, sondern zugleich auch ihre gesunde, vom freien Geist getragene Entwicklung hoffen lasse.

Noch vor der Verhandlung in der Stadtverordneten- versammlung, am II. April, fand die Mitgliederversammlung des Physikalischen Vereins statt, die zu dem Vertragsabschluß Stellung nehmen sollte. Der Vorsitzende, Geheimrat Dr. Gans, wies in seiner eröffnenden Ansprache darauf hin, daß gegenüber den anfänglichen Widerständen der Uni- versitätsgedanke sich siegreich durchgesetzt habe. Für den Verein könne die Verbindung mit der Universität nur vorteil- haft sein. Seine Selbständigkeit bliebe bei Differenzen in Berufungsfragen gewahrt. Die entstehenden Mehrauf- wendungen würden durch erhöhte Beiträge seitens der Universität ausgeglichen. Widerspruch wurde seitens einiger Stadtverordneter erhoben. Es wurde mangelnde Klarheit in den Vertrags- und Etatsverhältnissen gerügt, die Ordnung der Berufungsfrage bemängelt. Seitens des Vorstands konnte demgegenüber nachgewiesen werden, daß die finan- ziellen Verhältnisse des Vereins durch den Vertrag eine wesentliche Besserung erführen. Der bisherige Zuschuß

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der Akademie erhöhe sich um 65 000 Ji . Die einmahge Beitragsleistung von 200 000 Ji mache die Ablösung der schwebenden Schuld möglich. Fiele die bisherige Subvention, so bliebe nichts anderes übrig, als den Verein aufzulösen. Der von der Opposition gestellte Antrag auf Einsetzung einer Kommission zur Vorberatung wurde abgelehnt und der Vorstand ermächtigt, dem Vertragsentwurf die Zu- stimmung zu erteilen.

Die Verabschiedung der Vorlage in der Stadt- verordnetenversammlung

Der Bericht vom Finanz- und Rechtsausschuß kam am 22. April 1912 in der Vollversammhmg zur Beratung, in der Sitzung, die entscheidend werden mußte für das Ge- hngen des großen Werkes. Man wußte, daß die sozial- demokratische Fraktion mit 22 Mitgliedern geschlossen gegen die Vorlage stimmen werde. Von der nationaUiberalen Fraktion mit 12 Mitgliedern und der kleinen Mittels tands- gruppe von 3 Mitgliedern war mit Sicherheit ein Eintreten für die Vorlage zu erwarten. Die ausschlaggebende Fraktion, die der Fortschritthchen Volkspartei, die 33 Mitgheder um- faßte, war gespalten. Trotz aller Versuche, eine einheitliche Beschlußfassung herbeizuführen, war eine Minderheit bei der Ablehnung verblieben. Es war nicht unzweifelhaft, ob sie nicht eine größere Anzahl ihrer Parteifreunde zu sich herüberziehen könne. So stand bei Beginn der Verhandlung der Ausgang keineswegs fest.

Der Bericht für die Ausschüsse wurde von dem Ver- fasser erstattet. Er faßte die schriftlich niedergelegten Erwägungen der Ausschüsse nochmals zusammen, verwies namentlich auf die Tatsache, daß die Grundlage aller Ver- pflichtungen auf zivilrechtlichem Vertrag beruhe, daß also auch die Kautelen, die zur Wahrung einer von konfessionellen und politischen Einseitigkeiten freien Verwaltung vor- gesehen seien, in erzwingbarer Form festgelegt seien und die vertragsmäßigen Leistungen nur unter der Voraus- setzung ihrer strikten Einhaltung geschuldet würden. Zur Berufungsfrage suchte er zu erweisen, daß bei den vor-

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handenen Gegensätzen und der Stellung der Staatsregierung nur ein Kompromiß möglich gewesen sei, daß aber der ge- fundene Ausgleich als bilhg und den Interessen der Stadt angemessen erscheinen müsse. Er schloß mit einer noch- maligen Klarlegung der Finanzverhältnisse.

Für die Mehrheit der volksparteilichen Fraktion sprach Justizrat Dr. Brück. Er glaubte trotz der Heftigkeit des Kampfes in beiden Lagern feststellen zu müssen, daß der größte Teil der Bürgerschaft der Vorlage gleichgültig gegen- überstehe, aber gerade diese Gleichgültigkeit beweise die Notwendigkeit einer Vertiefung des geistigen Lebens in Frank- furt. Die Universitätsfrage sei keine Parteifrage. Die jeweils herrschende Partei färbe stets auch auf die Uni- versitäten ab. Herrsche einmal die sozialdemokratische, so müsse fraglich sein, ob sie sich aller Einflüsse enthalte. Den Einfluß, den die Stadt billigerweise habe erreichen wollen, habe sie erreicht. Engherzige Tendenzen hätten zumeist ihren Sitz nicht im Ministerium, sondern bei den Fakultäten. Wenn der Minister gegenüber den Fakultäten machtlos sei, glaube man, daß ein Kuratorium größere Macht ihnen gegenüber besessen hätte ? Wenn heute auf den deutschen Universitäten in politischer und konfessioneller Beziehung Engherzigkeit herrsche, nun so solle man etwas in diese Kreise hineinsetzen, was in Deutschland noch nie dagewesen sei: eine Universität des freien Bürgersinns. Was die finanzielle Seite angehe, so seien nach menschlichem Ermessen für alle Fortschritte, für alles Wachstum die Mittel vorhanden. Darüber hinaus könne bei keinem Objekt Vorsorge getroffen werden. Der Redner beantragte endlich eine redaktionelle Abänderung der Fassung des ersten Aus- schußantrages dahin :

Die Stadtverordnetenversammlung wolle beschließen, den Magistrat zu ermächtigen, den der Vorlage vom 29. März IQ12 betreffend Universi- tät anliegenden Vertrag unter Zulassung etwa erforderlich werdender unerheblicher Abänderungen abzuschließen, sobald dem Finanz- und Rechtsausschuß der Stadtverordnetenversammlung nach- gewiesen ist, daß die Zinsen des laut vorliegenden Berichts noch aufzubringenden Kapitalbedarfs von 7212000 ,fi der Universität Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. 12

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dauernd zur Verfügung stehen, und zwar die Zinsen aus einem Kapital von mindestens 6 000 000 M vom Tage der Universitätseröffnung ab.

,,Kein großes Unternehmen", schloß der Antragsteller, „kann ins Leben treten ohne Vertrauen und Optimismus. Aber wir dürfen sagen, niemals ist das Vertrauen besser fundiert gewesen, als bei dieser Vorlage, die allerdings für die Stadt Frankfvirt einen Wendepunkt nach aufwärts bedeuten wird."

Die nationalliberale Fraktion ließ durch ihren Fraktions- führer von Lasaulx nur die Erklärung verlesen:

,,Nach einer Entwicklung, deren Anfänge länger als ein Jahrhundert zurückliegen, soll heute über das große Werk der Universität Frankfurt a. M., soweit die Vertretung der Bürgerschaft dabei mitzuwirken hat, endgültig Beschluß gefaßt werden.

Der zähen, nie erlahmenden klugen und zielbewußten Arbeit des Oberbürgermeisters Dr. Adickes in den beiden letzten Jahrzehnten ist in erster Linie die Verwirklichung der Jahrhunderte zurückreichenden Idee zu danken. Daneben ist es die Opferwilligkeit der Stifter, die mit wärmstem Dank und hoher Anerkennung in diesem Hause hervorgehoben werden muß, ebensowenig darf vergessen werden, daß die beteiligten Vereine, Gesellschaften und Institute in selbst- loser, verständnisvoller Weise dieses Werk förderten.

Wir sind der Ansicht, daß die Verhandlungen mit der Regierung zu einem befriedigenden Ergebnis geführt haben. Insbesondere glauben wir, daß der Vertrag, soweit dies überhaupt möglich ist, die nötigen Garantien dafür bietet, daß bei den Berufungen lediglich wissenschaftliche Gesichts- punkte, nicht aber konfessionelle, politische oder persönliche Rücksichten maßgebend sein werden. Auch betonen wir, daß der Staat als Veranstalter der Universität mehr als zu erwarten war, auf die besonderen Verhältnisse Frankfurts Rücksicht genommen hat, und daß vor allem die Stadt- gemeinde, soweit sie an der Universität beteiligt ist, in ihren Rechten ausreichend geschützt wird. Die finanziellen Grund- lagen der LTniversität erscheinen nach menschlicher Voraus-

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sieht gesichert. Es sind Deckungsmittel vorgesehen, wie sie selbst größere Universitäten nicht reichlicher zur Verfügung stehen. So glauben wir, nach langer, sehr gründlicher, nunmehr über ein Jahr dauernder Prüfung, dem Universitäts- plane zustimmen zu sollen. Die Nationalliberale Partei dieses Hauses ist bereit im Bewußtsein ihrer Verantwortlich- keit einmütig ihre Zustimmung zur Gründung der Uni- versität Frankfurt a. M. in der von den vereinigten Aus- schüssen vorgeschlagenen Form zu geben. Möge sie unserer Vaterstadt reichen Segen bringen!"

Die gegnerische Stellung der sozialdemokratischen Fraktion vertraten die beiden Arbeitersekretäre Heiden und Rudolph. Heiden behandelte hauptsächlich die Finanz- frage. Er bezweifelte die Leistungsfähigkeit der beitretenden Vereine und Institute. Die Ziffern des Etats beruhten auf Schätzungen. Niemand könne für ihre Richtigkeit Gewähr leisten. Der Beitrag der Stadt bemesse sich nach der Höhe der Ärztebesoldungen für 1913. Wenn durch andere Organi- sation der Krankenhäuser, dadurch, daß Krankenkassen oder andere Körperschaften eigne Krankenhäuser errichteten, die Frequenz der städtischen Anstalten zurückginge und die frühere Ärztezahl nicht mehr notwendig sei, müßten gleich- wohl die gleichen Aufwendungen gemacht werden. Der Redner behandelte dann noch die Ordnung der Berufungs- frage, in der keinerlei Besserung gegenüber der Übung der alten Universität erzielt sei. Man sei also auch machtlos, den herrschenden Tendenzen, die die Berufung eines Juden grundsätzhch ausschheße, entgegenzutreten. Für die Ver- besserung der Volksbildung, die Hebung der breiten Schichten, sei mit der Universitätsgründung nichts gewonnen. Die Lasten der Stadt würden gesteigert, ihr Etatrecht beschränkt, Verpflichtungen für später, die niemand kenne, würden übernommen, bei all diesen Gefahren für die Stadt gebe es nur den Schluß: non possumus.

Mehr die politische Seite betonte Rudolph. Er knüpfte an die Erklärungen d(^s Ministers im Abgeordnetenhause zum Beweise dafür an, daß die Selbstverwaltungsorgane

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der Universität und Stadt keinerlei Einfluß haben sollten. Keinerlei Zugeständnisse seitens der Regierung seien erzielt worden. Die Mehrheitsparteien hätten sogar im Ausschuß alle Verbesserungsvorschläge, die politisch freiere Bahn schaffen sollten, niedergestimmt. Zu stürmischen Unter- brechungen, die den Unwillen der Versammlung zum Aus- druck brachten, kam es dann, als ein dritter sozialdemo- kratischer Redner in einer kurzen Erklärung den jüdischen vStiftern Würdelosigkeit vorwarf und sie für verächtliche und charakterlose Menschen erklärte, wenn sie ihr Geld her- gäben, ohne daß man ihre Gleichberechtigung anerkenne. Nachdem noch einer der älteren Führer der volksparteilichen Fraktion Wedel die Bestimmungen der Vorlage vertreten und die Frage an die Versammlung gerichtet hatte, ob wirklich jemand diese großen hochherzigen Stiftungen, wie sie in Deutschland einzig daständen, deshalb zurückweisen wollte, weil der Minister nicht allen Forderungen zugestimmt habe, gelangte die Opposition dieser Partei in dem Ober- lehrer Professor Sittig zum Wort. Er erklärte, in der Be- rufungsfrage sei nichts Wesentliches erreicht. Für die geplante Universität nach altpreußischem Muster sei kein Bedürfnis vorhanden. Durch die Gründung werde weder in politischer noch in kultureller Richtung ein Fortschritt erreicht. Für die eigentliche Volksbildung werde nichts gewonnen. Die Deckungsmittel seien nur für wenige Jahre ausreichend. Es sei daher zu erwarten, daß eine Belastung der Stadt von unberechenbarer Höhe eintrete. Die Mehrheit der Bürgerschaft stehe der Gründung einer Universität nicht freundhch gegenüber. Seine Freunde seien nicht gegen jede Universität, sondern nur gegen die Universität, wie sie hier gegründet werden solle.

Nachdem der Vertreter der Anstaltsdeputation Stadt- rat Dr. Woell, der vorzüglich den medizinischen und finan- ziellen Teil der Vorlage vorbereitet hatte, Unrichtigkeiten der sozialdemokratischen Redner in ihrer Kritik des Etats entgegengetreten und ein Mitglied der nationalliberalen Fraktion Professor Dr. Trommershausen sich mit den

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politischen Ausführungen dieser Redner auseinandergesetzt hatte, kam der Verfasser als Berichterstatter zum Schluß- wort. Er konnte im einzelnen die finanziellen Ausstellungen Heidens als unrichtig widerlegen. Er wies darauf hin, daß die Umgestaltung der Krankenhäuser zu Universitäts- anstalten gerade dem kleinen Manne zugute käme, daß sie ermöglichte, die ersten Autoritäten auch ans Bett des Ärmsten zu führen. In der Beruf ungsf rage sei alles erreicht worden, was man im städtischen Interesse erreichen konnte. Die Lösung bilde eine Diagonale durch die verschiedenen Interessen, die des Staats, der Stadt, der Fakultäten und der Stifter. Unberechtigt seien auch die Angriffe, daß man die Volksbildungszwecke zurücksetze. Ein Gegensatz zwischen Volksbildungsbestrebungen und Universitätspflege bestehe aber nicht. Wolle man das Gelehrtenstudium, ersetzen durch ein Bildungswesen, wie es die vorgeschlagenen Volks- akademien leisten sollten, so hieße das Dilletantismus und Halbbildung fördern und führe zum Ruin deutscher Wissenschaft. Das Volksbildungswesen, die university extension, sei herausgewachsen aus den Universitäten. Gerade auf der Basis der Universitäten werde es gehoben und gefördert.

Nicht zuletzt dürfe man offen die Förderung der Wirtschaftsinteressen Frankfurts durch die Universität be- tonen, nicht vielleicht in dem Sinne, daß man jeden Wechsel eines Studenten den Frankfurtern ins Aktivum einsetze, sondern vor allem in dem Sinne, daß die Förderung wissen- schaftlichen Geistes und wissenschaftlicher Betätigung auch Förderung industrieller Interessen bedeute. Die für Frankfurt so wichtige chemische Industrie sei aus den Laboratorien der deutschen Professoren hervorgegangen, immer enger knüpfe sich das Band der Medizin mit der chemischen Praxis, der Naturwissenschaft mit der Technik.

Gerade der Mittelstand habe nur Gutes von der kom- menden Universität zu erwarten. Die deutsche Universität sei nicht die Universität der reichen Leute, wie etwa in England. Wenn wiederum einer Großstadtbevölkerung,

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der breiten IMasse neu die Möglichkei't geboten werde, ihre vSölnie der höchsten Bildung zuzuführen, sollten die* An- hänger der Sozialdemokratie die letzten sein, die das ver- hinderten.

Bei der Abstimmung waren 69 Mitglieder anwesend. Nur ein Mitglied fehlte. Mit dem Zeichen höchster Erregung folgte Oberbürgermeister Adickes, der an der Debatte nicht teilgenommen hatte, dem Gange der Stimmabgabe. 43 Stimmen erklärten sich für die Anträge des Ausschusses in der Fassung des Antrags Brück, 26 Stimmen erklärten sich dagegen. Das große Werk war glücklich über die Klippen der Beratung des Stadtparlaments hinweggeführt. Eine zähe, unablässige Arbeit hatte nach heftigem Kampf die schwersten Widerstände besiegt.

Die finanzielle Ausstattung der Universität

Nachdem der Oberbürgermeister dem Kultusmini- sterium Bericht über den Ausgang der Verhandlungen in Frankfurt erstattet hatte, stand der INIinister nicht an, nunmehr die erforderhchen Schritte zur staathchen Sanktion der Universität einzuleiten. Man glaubte in Frankfurt, daß gelegentlich der Einweihung des Osthafens, zu der der Besuch des Kaisers in x'Vussicht gstellt war, eine Zusicherung in dieser Richtung erfolgen werde. Wenn auch der kaiserliche Besuch infolge der Hoftrauer um den König von Dänemark in letzter Stunde abgesagt wurde, ging man in dieser Erwartung nicht fehl. Noch einmal zeigte Adickes, wie er Feste der Bürgerschaft zu feiern und die Stadt zu vertreten verstand. Der Vollendung seines zweiten Hauptwerks, des Osthafens, galt die Feier. Nach der Rundfahrt nach dem Hafen und der Grundsteinlegung zur Kaiserbrücke, die die ehrwürdige alte Brücke ersetzen sollte, vereinte der Bürgersaal die Festversammlung, der sich zum erstenmal im Schmuck seiner Wandgemälde der Bürgerschaft öffnete. An den Vorwurf der Bilderreihe sich anschließend führte Adickes in seiner Festrede blendend und fesselnd, wie er nur je ge- sprochen, durch die Geschichte des vergangenen Jahr- hunderts von dem Gipfel ästhetischer Kultur des deutschen Klassizismus zu den Zeiten des politischen Verfalls, von dem Aufstieg der Freiheitskriege zum neuen Erwachen des Ein- heitsstrebens, von seinem Kampf und seiner Niederlage über die Zeiten des Frankfurter Fürstentags hinweg zu seinem Sieg und seiner Lösung durch Preußen vmd das neugegründete Reich. Und wie die gebieterische Erscheinung dastand, hoch aufgerichtet, mit feurigem Auge und dem wallenden Weißhaar, im blcndc^nden Rahmen des Festsaales, den er

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geschaffen, und von der Erfüllung sprach, die Deutschland vom Kaiserreich erhofft und die es ihm gebracht, nicht nur an materieller Macht und sozialer Wohlfahrt, nein vor allem an Gütern geistiger Kultur, wahrlich da konnte er vor allen als Streiter für solche Größe und Bringer solcher Gaben erscheinen, der eben ein gewaltiges Werk der Technik und Baukunst für Industrie und Handel eröffnet und nun auch das erste Wort der königlichen Zustimmung für die Universität verkünden durfte, indem er den Erlaß an den Kultusminister verlas, datiert vom i8. Mai 1912 aus Homburg v. d. H.: Aus Ihrem Bericht vom 9. Mai habe ich mit Interesse von dem Stande der Verhandlungen Kenntnis genommen, welche die Errichtung einer Universität in Frankfurt a. M. unter Erweiterung der vorhandenen, dem Unterricht und wissenschaftlichen Forschungen dienenden Anstalten zum Gegenstand hatten. Daß dank dem opferfreudigen Sinne der Stifter für dieses Vor- haben die Mittel zum weitaus größten Teil gesichert sind, erfüllt mich mit Befriedigung. Ich will demgemäß genehmigen, daß der Plan der Errichtung einer Universi- tät in Frankfurt a. M. weiter verfolgt wird, und beauftrage Sie, mir den Entwurf einer Universitätssatzung vor- zulegen, sobald der Nachweis der erforderlichen Mittel in vollem Umfange erbracht ist. Sonach war auch die Regierung, wie nach dieser von höchster Stelle kommenden Entschließung feststand, bereit, das Privileg auf der Grundlage des von den Stiftern zu schließenden Vertrags zu erteilen, sobald der Nachweis für Beschaffung der in dem Etat für erforderlich erachteten Kapitalien geführt werde. Die nächste Aufgabe mußte daher sein, die noch fehlenden Beträge zu erlangen. Die vorangegangenen schweren Kämpfe mit ihrer Betonung der politischen und konfessionellen Gegensätze, die das öffent- liche Leben Deutschlands zerklüfteten, hatten naturgemäß dazu beigetragen, dies zu erschweren. Verstimmungen und Hemmungen waren dadurch gerade in den Kreisen erregt, die sonst in Frankfurt für gemeinnützige Zwecke sich stets

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als opferbereit erwiesen und nun in der Befürchtung kon- fessioneller Zurücksetzungen trotz aller verbriefter Zu- sicherungen mit ihrer Beteiligung an den Stiftungen sich zurückhielten. Doch auch diese Schwierigkeiten wurden überwunden, indem man noch besondere Garantien für die Einhaltung der konfessionellen Gleichberechtigung dadurch schuf, daß für einige sehr bedeutende Zuwendungen die Rechtsform besonderer selbständiger Stiftungen mit eigner Verwaltung gewählt und hierdurch eine nochmalige Kon- trolle über die Einhaltung der grundlegenden Verfassungs- bestimmungen geschaffen wurde. Dadurch gelang es, neue Stiftungsmittel zu erhalten, die an Bedeutung bis dahin nur durch das Speyersche und Jügelsche Vermächtnis über- troffen waren. Doch war damit noch immer nicht der vor- gesehene Bedarf gedeckt, und während des Sommers 191 2 war man seitens der Befürworter der Universität in fort- gesetzten Beratungen und ununterbrochener Arbeit bemüht, die fehlenden Mittel zu beschaffen. Hemmend wirkte hierbei vor allem, daß die fortschreitende Krankheit, die Ober- bürgermeister Adickes zum Abschiedsgesuch gezwungen hatte, mehr und mehr seine bisherige Tatkraft beengte und ihm Schonung auferlegen mußte. Seine Amtszeit hef zum 30. September 1912 ab. Bis dahin mußte der Nachweis der Beschaffung des Stiftungsfonds erbracht sein, wollte man das Werk nicht neuen Fährnissen aussetzen. In eifrigem Werben war es endlich Mitte August gelungen, dies Ziel zu erreichen. Am 16. September traten Finanz- und Rechts- ausschuß zu einer Vorbesprechung zusammen, in der sich ergab, daß Zusicherungen in hinreichender Höhe vorlagen, indes fehlte bei einer Reihe derselben noch die formelle \ev- briefung in bindender Form.

Die erforderlichen Formalien wurden in den nächsten Tagen nachgeholt und in einer Sitzung der Ausschüsse vom 27. September konnte der erforderte Nachweis vorgelegt w^erden. Außer den bei Abfassung der Denkschrift bereits bekannt gewordenen Zuwendungen konnten an neuen Stiftungen nachgewiesen werden :

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zwei mit einem Kapital von je i ooo ooo M eine ,, ,, ,, ,, ,, 400000 ,,

eine ,, ,, ,, ,, ,, 280 000 ,,

sieben ,, ,, ,, ,, ,, 250 000 ,,

zwei ,, ,, ,, ,, ,, 200 000 ,,

sieben ,, ,, ,, ,, ,, 100 000 ,,

sieben ,, ,, ,, ,, ,, 50 000 ,,

eine ,, ,, ,, ,, ,, 40 000 ,,

zwei ,, ,, ,, ,, ,, 30 000 ,,

drei ,, ,, ,, ,, ,, 25000 ,,

fünf ,, ,, ,, ,, ,, 20000 ,,

zwei ,, ,, ,, ., ,, 10 000 ,,

Dazu traten noch eine R(4he von Zuwendungen mit später einsetzendem Zinsgenuß und testamentarisclie Ver- mächtnisse. Die Ausschüsse konnten feststellen, daß ins- gesamt seitens der Stifter in Bar, Wertpapieren und Hypo- thekenurkunden bei der Stadthauptkasse erlegt waren

4 120 000 ./j%, daß in rechtsverbindlicher Form Beträge

zugesagt waren in Höhe von i 906000 .#,,

6 026 000 Ji,

deren Zinsen sämtlich vor Universitätseröffnung zur Ver- fügung standen ;

daß weiter Stiftungen im Betrage von i 100 000 ,1%,

deren Zinsen erst nach dem i. April i()i4 zur Verfügung stehen würden, zugesagt waren.

Dazu kam an auflaufenden Zinsen noch ein Betrag von 140000 M. Der von der Stadtverordnetenversammlung in ihrem Beschlüsse vom 17. April 1912 berechnete Kapital- bedarf von 7 212 000 war daher gedeckt, wobei die vorliegenden letztwilligen Zuwendungen als noch nicht an- gefallen außer Ansatz blieben.

Die Ausschüsse erstatteten der Versammlung Bericht, der feststellte, daß der verlangte Nachweis als erbracht anzusehen und der Magistrat sonach ermächtigt sei, den Universitätsvertrag abzuschließen. Der Bericht wurde in

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der Sitzung vom 3. Oktober iqi2 durch den Verfasser mit wenigen Begleitworten zum Vortrag gebracht. Aus dem Hause sprach nur Justizrat Brück, der nach seiner Aus- führung nur das Wort ergriff, um den so unendhch bedeut- samen Bericht, der für die Entwickhmg der Stadt von so hervorragender Einwirkung sei, nicht sang- und klanglos in den Protokollen verschwinden zu lassen. Aller derer müsse nochmals dankbar gedacht werden, durch deren opfer- williges Eintreten die Gründung der Universität gelungen sei. Nachdem der Streit der Meinungen geschlossen sei, gelte es, nicht nur den äußern, auch den Innern Zusammen- hang mit der großartigen Kulturschöpfung festzuhalten und beizutragen, daß die Universität Frankfurt eine Dominante für das Kulturleben Deutschlands und Frankfurts werde.

Bereits am Tage nach der Sitzung der Ausschüsse, am 28. September 1912, war in feierlichem Akt der Uni- versitätsvertrag von den Stiftern abgeschlossen worden.

Der Vertrag weist nur wenige Abänderungen gegenüber dem der Stadtverordnetenversammlung v(irgelegten Ent- würfe auf. Als weiterer Mitkontrahent wird Professor Dr. Edinger als Vertreter des Neurologischen Instituts auf- geführt. Der Einleitung vor § i ist der redaktionelle Zusatz eingefügt: ,,In dieser Voraussetzung übernehmen sie die im nachfolgenden festgesetzten Verpfhchtungen, wobei, soweit die Verpflichtungen aus einem städtischen Zweck- vermögen zu erfüllen sind, als Träger der Verpflichtung der Kürze halber das Zweckvermögen bezeichnet ist". Bei Aufzählung der Stiftungsmittel in § 13 sind die entsprechen- den Summen eingesetzt; dementsprechend lauten die Ziffern:

2. Die für die Universität zugesicherten Stiftungen mit sofortigem Zinsgenuß haben die Summe von 6 200 000 M mit einem jähr- lichen Zinsgenuß von 248 000 M überschritten. Dazu treten dauernd gesicherte Renten in Höhe von jährUch 25 000 Jl.

3. Die für die Universität zugesicherten Stiftungen mit später (zum weit- aus größten Teil 191 5 191 7) einsetzendem Zinsgenuß betragen mehr als I 200 000 Ji und sollen insbesondere auch zur Bestreitung der Kosten der bei zunehmendem Besuch erforderlich werdenden Bauten (chemi- sches Institut, neuer Hörsaal für die innere Klinik u. a. m.) dienen.

4- Die für die Universität zugesicherten Stiftungen mit einem beini Tode gewisser Personen einsetzenden Zinsgenuß betragen mehr als 200 000 M .

Neu eingefügt ist der Beitritt des Neurologischen Insti- tuts in § 26:

Professor Dr. Ludwig Edinger verpflichtet sich das in den Räumen des pathologischen Instituts eingerichtete neurologische In- stitut, für das stadtseitig die erforderlichen Räume in der seit- herigen Weise zu überlassen sind, auf seine Kosten weiter zu Ije- treiben und die Mittel sicherzustellen, daß das Neurologische In- stitut nach seinem Tode weiter betrieben werden kann.

Die §§ 26 28 sind als §§ 27 29 unverändert. Das vom 28. September 1912 datierte Dokument trägt die Unterschriften:

Magistrat der Stadt Frankfurt a. M.

Woell. Rektor und Prorektor der Akademie für Sozial- und

H a n d e 1 s w i s s e n s c h a f t e n. Panzer. Freudenthal.

Vorstand der Stift ungTheo- dor Stern 's ches Medizini- sches Institut. Adickes. Vorstand der Georg und Franziska Speyerschen Stu- dienstiftung. Adickes. Dr. E. Hartmann.

Administration der Dr. Senckenbergischen Stif- tung Dr. Rödiger. Vorstand der Stiftung Car olinu m. Dr. J. de Bary. Dr. Ferd. Pachten. Robert de Neufville. Alfred Weinschenk. August Lotichius.

Adickes.

Verwaltungsausschuß der

Akademie für Sozial- und

Handelswissenschaften.

Adickes. W. Merton.

Administration der Carl- Christian- Jügel-Stiftung. Adickes.

Institut für Gemeinwohl,

Gesellschaft mit besclir. Haftung.

A. Merton. Stein.

Vorstand des Physikali- schen Vereins. Dr. L. Gans. Paul Fulda.

Direktion der Sencken- bergischen Naturforschen- den Gesellschaft. Dr. A. Knoblauch Professor Marx. Dr. F. W. Winter. Dr. .'\. Lotichius.

Neurologisches Institut. Dr. Ludwig Edinger.

Nachprüfung der Stiftungsmittel durch die Staatsorgane

Nachdem so alle Wrhandliingen in Frankfurt zum glücklichen Abschluß gebracht und die Formalien der ein- zelnen Stiftungen erledigt waren, wurden am 26. November 1912 die Unterlagen dem Minister unterbreitet, um die Ver- leihung des staatlichen Privilegs herbeizuführen. Seitens der zuständigen Instanzen, dem Kultus- und dem Finanz- minister wurde zunächst eine Prüfung darüber angestellt, ob die zur Verfügung gestellten Mittel auch staatlicherseits als ausreichend anerkannt werden könnten. Diese Prüfung fiel, wie zu erwarten war, in günstigem Sinne aus, so daß der Kultusminister am 20. Februar 1913 an Oberbürgermeister Adickes als dem Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses der Akademie für Sozial- und -Handelswissenschaften den Erlaß richten konnte:

„Nach den von Ew. Hochwohlgeboren mir gemachten Mitteilungen ,, erachte ich den Nachweis der für die Universität erforderlichen „Mittel für erbracht. Wegen der Genehmigung der einzelnen Stiftungen ,,und Schenkungen behalte ich mir das weitere vor.

(gez.) V. Trott zu Solz.

Der Hergang der staathchen Prüfung und die ge- machten Feststellungen ergeben sich aus den Verhandlungen der Budgetkommission des preußischen x-lbgeordnetenhauses vom 24. Februar 1913. In dieser Sitzung brachte beim Etat des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsangelegen- heiten der Berichterstatter Abgeordneter Heckenroth den vorjährigen Beschluß der Kommission in Erinnerung, wonach an die Gründung der Universität Frankfurt nur herangetreten werden dürfe, wenn feststehe, daß die Universität so reich dotiert sei, daß der Staat unter keinen Umständen jemals zu ihrer Unteniialtung herangezogen werden dürfe.

Der Minister erwiderte, daß dem Finanzminister und ihm ein S(3lcher Nachweis erbracht sei und daß derselbe der Kommission vorgelegt werden könne. Der nationalliberale Abgeordnete Dr. von Campe wies darauf hin, daß der Beschluß des Abgeordnetenhauses sich auch darauf erstreckt heibe, daß der Charakter der Universität als Staatsanstalt ge- währleistet sei, daß die Rechte der Staatsregierung und der Fakultäten wie bei anderen Universitäten geregelt werden möchten und daß die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung sichergestellt werden sollten; auch sei ge- wünscht worden, daß die abgeschlossenen Verträge vor Zustimmung zur Gründung vorgelegt werden möchten. Der Minister erwiderte, daß den ersteren Wünschen entsprochen werde; was die Vorlage der Verträge angehe, so enthalte das einen Eingriff in die Rechte der Krone. Es handle sich nicht um den Abschluß von Verträgen, sondern um den Erlaß von Statuten, die für die Gründung maßgebend sein würden. Diese seien öffentlichen Reclits und der allgemeinen Kenntnis zugänglich, so daß nachgeprüft werden könne, ob die Zusicherungen der Staatsregierung erfüllt seien. Seitens des Ministerialdezernenten wurden die Finanzverhältnisse der Universität im einzelnen dargelegt und betont, die Aus- stattung sei so reichhch, daß für jetzt wie für die nächste Zeit für Einrichtung und Unterhaltung die Deckung gewähr- leistet sei. Abgesehen von Berlin gebe es keine Universität, die einen Staatszuschuß habe, der sich mit dem vorgesehenen Betrage vcju jährlich i 400 000 M zur Bestreitung der laufen- den Kosten messen könne, wenn man berücksichtige, daß daraus nicht einmal die Kosten der Krankenanstalten zu decken seien, l'ür absehbare Zeiten sei vorgesorgt. Nach- dem die Frage der Deckung von verschiedenen Seiten einer kritischen Beurteilung unterzogtm worden, führte ein Ver- treter des Finanzministers aus, auch die Finanzverwaltung habe ein sehr lebhaftes Interesse daran, daß die Universität genügend fundiert sei und später keine Staatsmittel in An- spruch nehme. Die Finanzverwaltung habe darauf gehalten, daß nicht nur die einmaligen Kosten durch eigene Auf-

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Wendungen der Interessenten gedeckt würden, sondern in reichlicher Bemessung auch die laufenden Kosten. Selbst- verständlich habe die Staatsregierung bei ihrer Prüfung auch die zukünftige Steigerung der Kosten berücksichtigen müssen. Dies sei geschehen unter sehr mcäßiger Einsetzung der eigenen Einnahmen und darauf seien die Mittel, die man in Frankfurt ursprünglich habe zur Verfügung stellen wollen, sehr wesentlich erhöht worden. Die Frage der Deckung für eine spätere Zukunft sei in hohem Grade eine Frage sub- jektiven Ermessens. Nachdem bei allen Verhandlungen kein Zweifel darüber gelassen worden sei, daß diese Uni- versität niemals Staatsmittel in Anspruch nehmen dürfe, habe indessen der Finanzminister geglaubt, den von den Herren der Unterrichtsverwaltung dargelegten Umfang der Dotation als ausreichend ansehen zu sollen. Die Finanz- verwaltung habe die Sache nicht zu optimistisch betrachtet, habe aber nach allen Erfahrungen, die mit den reichen Dotationen in Frankfurt gemacht worden seien, geglaubt, sie auch nicht allzu pessimistisch ansehen zu müssen und er- warten zu können, daß wenn neue Bedürfnisse hervorträten, die großen hnanziellen Kräfte Frankfurts, die sich jetzt betätigt hätten, eine Verkümmerung der Universität niclit zulassen und sich weiter betätigen würden. Nachdem in der Debatte noch die Form der Zusicherungen und die juristische Bindung der Korporationen, die sich zu Beiträgen ver- pflichtet hätten, einer Erörterung unterzogen worden waren, wobei auch von selten der Opponenten betont wurde, in den Ausführungen solle kein Übelwollen gegen die Universität Frankfurt gesehen werden, vielmehr scheine es, daß die Finanzierung großartig durchgeführt sei, sagte der Minister noch nähere schriftliche Darlegung zu. Als Ergebnis der Verhandlung stellte der Vorsitzende fest, daß bezüglich der vorjährigen Resolution in den ersten beiden Punkten, Ge- währleistung des Charakters der Universität als Staats- anstalt und Übereinstimmung der Rechte des Staats und der Fakultäten mit denen der anderen Universitäten, die ge- wünschte Zusicherung erteilt sei, daß auch die dritte For-

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derung, Sicherstellimg derFreiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung, gewährleistet erscheine; zu dem weiteren Punkte, Ausschluß der Inanspruchnahme von Staatsmitteln, sehe man der Vorlage der Unterlagen durch den Minister ent- gegen. Der letzten Forderung, Vorlage der Verträge vor Ertei- lung der Zustimmung, habe der Minister nicht stattgegeben. Zum Schlüsse wies der Minister darauf hin, daß die Ent- wicklung der Ausgaben der übrigen Universitäten nicht zum Vergleiche herangezogen werden könne; die preußischen Universitäten hätten sich bisher immer aus kleinen An- fängen entwickelt, hier trete zum ersten Male eine nach allen Regeln der Kunst ausgestattete Universität ins Leben. Noch vor der Verhandlung im Plenum legte der Minister die zugesagte Aufstellung vor, die folgende, übersichtliche Form aufwies:

Übersicht über die Einnahmen, die Ausgaben und das Kapitalvermögen der Universität Frankfurt a. M,

A. Einnahmen znr Deckung tler laufenden Ausgaben.

Bezeichnung

Kapital Ji

Jahres- einnahmen

I. E i n n a h ni e n aus bereits vorhan-

denen Stift u n g e n

Zinsen von den in das städtische Zweckvermögen

übergegangenen Stiftungen

3252 866

88480

Zinsen von drei selbständigen Stiftungen

2 635 000

102 500

Weiterer Zuschufi aus einer der letzteren Stiftungen

5 887 866

40 ÜOÜ

Summe I

230 980

II. E i n n a h m e n aus S t i f t u n g e n u n d

Z u w e n d u n g e n, tl i e mit E r r i c h t u n g

der Universität in Kraft treten

Zinsen aus Zuwendungen und Stiftungen, die in

das Zweckvermögen der Stadt übergehen bzw.

der Universität unmittelbar anheimfallen

I 450 000

58 000

Zinsen aus vier neuen selbständigen Stiftungen

I 781 400

71 256

Summe II

3 231 400

129 256

193

Bezeichnung

. Kapital

Jahres- einnahma

Ji

III. Sonstige Einnahmen aus Zinsen Aus Kapitalien der Akademie für Sozial- und Han- delswissenschaften Aus einem Ablösungs- Kapital von der Stadt für Über- nahme der Pensionspflicht für Dozenten usw.

175 000 2 5o|ooo

7 000

10 000

Summe III

425 000

17 000

IV. Feste Zuschüsse Stadt Frankfurt Institut für Gemeinwohl Handelskammer Polytechnische Gesellschaft

75 000

83 000

30 000

5 000

Summe IV

193 000

V. Übernommene Verpflichtungen

Stadt Frankfurt Zahlung von Gehältern und Woh- nungsgeldzuschüssen für Professoren in bis- herigem Umfang

Dr. Senckenbergische Stiftung

Stern'sches medizinisches Institut

Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft

Karolinum

130 000 22 300

4 800 14 000

4800

Summe V

175 900

VI. Aus eigenem Erwerb

Summe VI für sich

80 364

VII. Leistungen Dritter für die zu

Universitätszwecken zur Verfügung

gestellten Institute

1. Stadt Frankfurt ijj 240 ,/^

2. Georg und Franziska Speyersche

Stiftung 38 000 ,,

3. Dr. Senckenbergische Stiftung 46 968 ,,

4. Sternsches Medizinisches Institut 16 500 ,,

5. Physikalischer Verein 85 930 ,,

6. Senckenbergische Naturforschende

Gesellschaft 78 593 ,,

7. Rothschild-Stiftung 51694 ,,

8. Karolinum 9 590 ,,

604 5 1 5 M

Die Gründung der Universität Frankfurt a. M.

13

194

Bezeichnung

Kapital

Jahres- einnahme

Z u s

ammenstellung der Einnahmen

I.

Vorhandene Stiftungen

5 887 866

230 980

II.

Neue Stiftungen und Zuwendungen

3231 400

129 256

III.

Sonstige KapitaUen

425 000

17 000

IV.

Feste Zuschüsse

193 000

V.

Übernommene VerpfUchtungen

175 900

VI.

Aus eigenem Erwerb

80 364

VII.

Leistungen Dritter 604 5 1 5 ü

Gesamtsumme 604515 M

9 544 266

826 500

7

000 M,

6

500 ,,

I

200 ,,

15

000 ,,

6

000 ,,

15

000 ,,

5

000 ,,

24 300 ,,

364 .,

Bemerkungen :

Zu VI Aus eigenem Erwerb

Immatrikulationsgebühren

Zeugnisgebühren

Promotionsgebühren

Auditoriengelder

Institutsgebühren und Praktikanten beitrage

Seminargebühren

Hebegebühr von den Vorlesungs- honoraren

Aus dem Honorarabzugsverfahren

Mieten usw.

sind 80 364 M

Zu VII Laufende Unterhaltungskosten

zu I : der Stadtbibliothek, des Hygienischen Instituts, des Che- misch-physiologischen Instituts, des Pathologischen Instituts

'. und des Gerichtsärztlichen Instituts. ,, 12 : des Pharmakologischen Instituts;

der Senckenbergischen Bibliothek und des Botanischen

Instituts ;

des Physikalisch-physiologischen Instituts;

des Physikalischen Instituts, des Chemischen Instituts,

des Instituts für Elektrotechnik und angewandte Physik,

des Instituts für Physikalische Chemie, des Instituts für

Meteorologie und Geophysik, des Instituts für Astronomie;

6: des Zoologischen Instituts und Museums und der Mineralien- Sammlung;

7: der Rothschild-Bibliothek;

8: des Zahnärztlichen Instituts.

;3-

195

B. Laufende Ausgaben.

Bezeichnung

Jahres- ausgrabe ,

merkungen

I. Professorenbesoldungsfonds

1. Gehälter und Wohnungsgeldzuschüsse für 46 ordentliche und 19 außerordentliche Professoren

2. Besoldungen für Ersatzprofessoren

3. Zuschußfonds für Professorengehälter

4. Für Lehrer und Lehraufträge

Summe I IL Persönliche und sächliche Aus- gaben der Akademischen \' e r w a 1 - tung und der Institute

1 . Akademische Verwaltung

2. Institute

Summe II

III. Aufwendungen, welche von den Eigentümern der Institute getragen

werden.

604 5 I 5 M

IV. Pensionen f ü r B e a m t e u n d Jfl e 1 i k-

tenversorgung (auch für Hinterbliebenen von Professoren) Summe IV für sich V. Baufonds

Summe V für sich

VI. Insgemein und zur A b r u n d u n g

Summe VI für sich Zusammenstellung der Ausgaben I. Professorenbesoldungsfonds IL Ausgabe der Akademischen Verwaltung und der Institute

III. Aufwendungen der Eigentümer der Institute

604 5 I 5 M

IV. Pensionen- und Reliktenversorgung V. Baufonds

VI. Insgemein und zur Abrundung

Gesamtsumme der Ausgaben 604 5 i 5 Ji ,, Einnahmen 604515 M

404 000 50 400 50000

?,7 860

542 260

92 393 140757

^ii 150

30 000

1 1 090

542 260 233 150

30 000

10 000

1 1 090

Vgl. Ein- nahme Tit. VII

826 500 826 500

196

In den Ausgaben sind nicht enthalten die Ausgaben für die Klini- ken, welche von der Stadt Frankfurt getragen werden.

C. Sicherheitsfonds, Reservefonds und Mittel für

Bauten usw. Avißer den in der vorstehenden Zusammenstellung zur Deckung der laufenjden Ausgaben in Höhe von jährlich 826 500 M bereits berück- sichtigten : Mittel stehen für die Zwecke der Universität zur Verfügung.

1. aus bereits eingezahlten einmaligen Zuwendungen 2860000 M

2. aus ZuY'endungen, die mit der Errichtung der Universität

in Kraft treten i 540000 ,,

3. aus den Einkünften einer Stiftung in den Jahren 19 10

bis 19 13 und aus aufgelaufenen Zinsen 440000 ,,

Summa 4 750 000 Ji

Davon werden verwendet : 2000000 M zur Bildung eines Sicherheitsfonds, dessen Zinsen bis auf Weiteres dem Kapital zugeschlagen werden sollen. 500 000 M zur Bildung eines besonderen Reservefonds, dessen Zins- einnahme mit jährlich 20 000 M für einmalige künftige Mehrbedürfnisse Verwendvmg finden sollen. 2 250 000 M zur Deckung der in nächster Zeit notwendig werdenden einmaligen Aufwendungen für Bauten usw. siehe unten unter F.

4750 000 Ji

Für die sonst noch notwendigen Ergänzungen der Universitäts- Einrichtungen sollen 613000 Ji einmalig von anderen Verpflichteten aufgewendet werden. Siehe unten unter G.

D. Deckung künftiger Mehrbedürfnises. Für künftige Mehrbedürfnisse sind zugesichert bzw. zu erwarten :

1. Freiwerdende Renten bei der Jügel-Stiftung

in nächster Zeit im Jahre 1956

2. Beim Verkauf der Grundstücke der Jügel-Stiftung bei An- nahme eines Kauferlöses von 150000 Ji

3. Zugesicherte Zuwendungen in Höhe von 300000 Ji, die erst nach dem Tode der Stifter fällig werden, bei denen aber die Zinsen von 100 000 Ji

schon nach Errichtung der Universität für deren Zwecke verwendet werden können während die Zinsen von 200 000 Ji mit erst nach dem Tode der Stifter verwendbar werden.

1 1 100 .5580

6 000

4 000

8 000

197

4- aus zugesicherten \'erniächtnissen in Höhe von über 3 ooö ooo M, von denen i 200 000 Ji zum weitaus größten Teil in den Jahren 1915 bis 1917 fällig werden 120000 M

sind 154 680 Ji

Dazu treten die Mehreinnahmen aus eigenem Erwerbe infolge er- höhter Frequenz und aus aufgelaufenen Zinsen.

E. Ü b e r s i c h t ü b e r die Höhe und \' e r w e n d 11 n g der

für die Universität gemachten Stiftungen unrl

Zuwendung \' o n Kapitalien.

9 544 266 M zur Deckung laufender Ausgaben 2000000 ,, zur Bildung eines Sicherheitsfonds 500 000 ,, zur Bildung eines Reservefonds für einmalige Mehr- bedürfnisse zu einmaligen Aufwendungen für Bauten usw. zu künftigen dauernden ]\Iehrbedürfnissen.

2 250 000 soo 000

Sa. 14 594 266 ./t

Außerdem steht aus bereits jetzt zugesicherten X'ermächtnissen im Laufe der Zeit ein Kapitalzuwachs von über 3 000 000 J[^ zu erwarten, dessen Zinsen zur Deckung künftiger Mehrbedürfnisse Verwendung fin- den sollen. Von dem Kapital werden i'200 000 M voraussichtlich be- reits in den Jahren 191 5 bis 19 17 fällig.

F. Bauten usw.

deren Kosten aus l^n t c 1 n zu decken sind.

V e r s i t ä t s m i t-

I. Chemisches Institut

2. Medizinischer Hörsaal nebst Ar- beitssälen (zu I und 2 Bauplätze stellt die Stadt Frankfurt)

3. Bauten in den Kliniken, im Hy- gienischen und Pathologischen Institut , soweit es sich um P>- gänzungen für die Universität handelt.

4. Einrichtung von Seminaren in der Juristischen und Philosophischen Fakultät

tOO 000 ,/f (nicht für jetzt, son- dern erst für später im Falle des Bedürfnisses inAusoichtgenommen)

250 000

90 000

30 000

198

Erweiterungsbau des Universitäts- Hauptgebäudes, des Jügelhauses der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften Abfindungssumme an den physi- kalischen Verein für Ergänzung seiner Unterrichtseinrichtungen Erweiterung des Senckenbergi- schen Museums (Zoologie, Minera- logie und Geologie) Für die Bibliotheken

sind

800 000 Ji

300 000 80 000

2250 000

G. Bauten usw., deren Kosten von anderen Verpflich- teten bestritten werden.

Stadt Frankfurt : Einrichtung vo«i Polikliniken 63 000 M Speyersche Studien- Stiftung: Ausstattung des Pharmakologi- schen Instituts 50 000 ,, Senckenbergische Stiftung: Bau der Anatomie 420000 ,, Stern'sches Medizinisches Institut: Einrichtung des Physi- kalisch-Physiologischen Instituts 80000 ,,

sind 613 000 Ji

H. Für die Universität zur \^erfügung stehe ndo Gebäude, Institute usw.

Vorhandene Gebäude und Institute

Neu- und Erweiterimgsbauten und Ergänzungen der vorhandenen Ein- richtungen

I. Akademische V e r w a 1 t u n

Uni V e r s i t äts-H auptgebäude Als Uni versitäts- Hauptgebäude soll das neuerbaute Jügelhaus die- nen, welches die Verwaltungsräume, die allgemeinen Hörsäle, Seminar- räume und die Aula enthält jetzt Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften .

Zur Vermehrung der Unter- richtsräume ist ein Erweiterungs- bau in Aussicht genommen.

Bauplatz stellt die Stadt.

Baukosten : 800 000 M

199

Vorhandene Gebäude und Institute

Neu- und Erweiterungsbauten und Ergänzungen der vorhandenen Ein- richtungen

II. Juristische Fakultät

Hörsäle und Seminarräume im Jügelhaus.

Für Seminareinrichtungen in der Juristischen und Philosophi- schen Fakultät sollen 30000 M einmalig aus Universitätsmitteln auf- gewendet werden.

III. Medizinische Fakultät

Sämtliche Kliniken sind in den städtischen Krankenanstalten, wel- che der Universität zur Benutzung überwiesen werden sollen, vorhanden ; ihre Bettenzahl geht weit über das Unterrichtsbedürfnis der Universität hinaus, sie sind zum überwiegenden Teil vorzüglich ausgestattet und be- sitzen schon jetzt zahlreiche Unter- richtsräume, wovon einige in aller- letzter Zeit gebaute, vortrefflich eingerichtet sind.

Medizinische Klinik

In einem vorhandenen Gebäude sollen eine chirurgische und eine medizinische Poliklinik, sowie eine Poliklinik für Nervenleidende ein- gerichtet werden. Die Kosten für die Umbauten ( 63 000 J(, ) trägt die Stadt Frankfurt.

Bei zunehmender Frequenz soll auf dem Gebäude der städtischen Krankenanstalten ein größerer me- dizinischer Hörsaal nebst Arbeits- räumen hergestellt werden. Die Baukosten: 250000 Ji trägt die Universität.

3O0

Vorhandene Gebäude und Institute

Neu- und Erweiterungsbauten und Ergänzungen der vorhandenen Ein- richtungen

C h i r u r

Frauenklinik Augenklinik Ohrenklinik Hals- und Na- se n k 1 i n i k

ische Klinik.

sämtlich neu u. in bester Ordnung, die , erforderhchen Unterrichts- räume sind vorhanden.

Hautklinik I r r e n k 1 i n i k

Zahnärztliches Institut Gerichtsärztliches

Institut Pathologisches Institut

sehr gut ausgestattet und mit

Unterrichtsräumen versehen,

(städtisch) Hygienisches Institut,

(städtisch.)

Chemisch - physiologisches Institut gut ausgestattet, städt.

Für Bauten usw. in den Kli- niken, im Hygienischen und Patho- logischen Institut , soweit es sich um die Ergänzungen für Univer- sitätszwecke handelt, sollen 90 000 M aus Universitätsmitteln aufgewendet werden.

Anatomisches Institut Neubau in Aussicht genommen.

Bauplatz stellt die Stadt.

Baukosten : 420 000 M aus der Dr. Senckenbergischen Stiftung. Pharmakologisches In- stitut. Einrichtung durch die Speyersche Studienstiftung iniGeorg- Speyerhaus (Excellenz Ehrlich).

Einrichtungskosten ; 50 000 Ji aus Mitteln der Stiftung.

20I

Vorhandene Gebäude und Institute

Neu- und Erweiterungsbauten und Ergänzungen der vorhandenen Ein- richtungen

IV. Philosophische Fakultät

umfaßt nur die Geisteswissenschaf- ten ; Hörsäle und Seminare im Jügelhause (Universitäts - Hauptge- bäude).

V. Naturwissenschaftliche Fakultät

Sämtliche Institute und Samm- lungen mit Ausnahme des Botani- schen Gartens sind vorhanden und sehr gut ausgestattet, bedürfen aber im Falle einer starken Steige- rung der Frequenz der Erweiterung auf bereitstehenden Bauplätzen. Die Institute liegen überaus günstig neben dem obenerwähnten Jügel- hause, dem künftigen Universitäts- Hauptgebäude, und zwar:

a) Das Gebäude des Physikali- schen Vereins.

Es enthält: Das Physikalische In- stitut ■,, Chemische In- stitut

Physikalisch-che- mische Institut Elektrotechni- sche Institut Geophysikalische Institut

Astronomische Insti- tut.

b) Die Gebäude der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesell- schaft.

Das eine Gebäude, welches an das Jügelhaus anstößt, enthält die

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Zur \'ermehrung und Verbes- serung der Unterrichtseinrichtungen in diesen Instituten sind 200 000 Ai in Aussicht genommen, welche die Universität an den Physikalischen Verein zahlt.

Für einen später etwa not- wendig werdenden Neubau des Che- mischen Instituts sind 500 000 JL vorgesehen.

202

Vorhandene Gebäude und Institute

Neu- und Erweiterungsbauten und Ergänzungen der vorhandenen Ein- richtungen

der Universität zur Verfüg stellte medizinische und wissenschaftliche Bibliothek Seilschaft;

Das andere daneben liegende Gebäude

das Zoologische Mu- seum

,, G e o 1 o g is ch - Pa- läontologische ' M u s e u m

,, Mineralische M u s e u ni

ung ge-

natur-

der Ge-

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2'^<

i! '■J s

Botanisches Institut stellt die Senckenbergische Stiftung.

In Aussicht genommen ist, auf dem noch unbebauten Teile des Museumsgrundstückes einen Anbau herzustellen und darin Hörsäle^ Kursräume und sonstige Unterrichts- räume einzurichten.

Aufwand: 300000 M fallen der Universität zur Last.

Ein kleiner botanischer Garten ist beim Palmenhause vorhanden.

yi. Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Hörsäle und Seminarräume be- finden sich im Jügelhause.

VII. Bibliothek Zur Benützung für Universitätszwecke stehen zur Verfügung:

a) die Stadtbibliothek mit 354 000 Buchbinderbänden

b) die vorerwälmtc Senckenbergische Biblio-

thek mit 85 000

c) die Rothschildsche Bibliothek mit 70 000

Die Rothschildsche Bibliothek umfaßt neuere Sprachen, insbe- sondere romanische Sprachen und außerdem christliche Archäologie, die Senckenbergische Bibliothek, wie schon erwähnt, Medizin und Natur-

203

Wissenschaften, die Stadtbibliothek alle übrigen Fächer. Sehr gut aus- gestattet ist die Stadtbibliothek auf juristischem Gebiet, desgl. auf mathe- matischem Gebiet, v/ofür die Stadt kürzlich 60 000 Ji bewilligt hat.

Die knappe Darlegung des reich gegliederten Organis- mus, vor allem die Ziffern der opferwillig aufgebrachten Schenkungen und Stiftungen verfehlten ihren Eindruck nicht. Auch die Gegner verstummten. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 4. April 1913, in der der Universi- tätsetat zur Beratung kam, erklärte der Zentrumsabgeordnete Dr. Kaufmann, die Erklärungen des Ministers in der Budgetkommission hätten befriedigt. Nur zur Frage des Kurators habe er sich nicht geäußert. Die Finanzdeckung sei nach dem vorgelegten Finanzplan glänzend. Der Abgeordnete Dr. Friedberg hielt die früheren Be- denken gleichfalls für beseitigt; die hohen Opfer der Frank- furter Bevölkerung für die Zwecke der Wissenschaft seien der öffentlichen Anerkennung wert. Der Minister stellte zu seiner Freude fest, daß man das vorgelegte Material als ausreichend anerkenne. Während der volksparteiHche Abgeordnete E i c k h o f f die Gründung als einen Ruhmes- titel Frankfurts bezeichnete, hielt allein der Marburger Vertreter Professor B r e d t seine früheren Einwendungen aufrecht. Ihm entgegnete in eingehender Darstellung der Frankfurter Abgeordnete Funck, indem er ausführte, daß bei genügender Abgrenzung der Kompetenzen nur will- kommen sein könne, wenn für Bildungsanstalten, die Staats- zwecke zu erfüllen hätten, auch private Mittel sich fänden. Kleinstadt- und Großstadtuniversitäten könnten in gegen- seitiger Ergänzung wohl nebeneinander stehen. Für die Erziehung der Jugend hätten beide ihre eigenen Werte. Indem er noch die vorgelegten Zahlen näher erläuterte, und auf die Aufwendungen für die Kliniken hinwies, von denen man zum mindestens einen Teilbetrag von 800 000 M jähr- licher Aufwendungen in den Universitätsetat einzustellen habe, um zu einem richtigen Maßstab gegenüber den Etats anderer Universitäten zu gelangen, glaubte er feststellen

204

zu können, daß Frankfurt den Vergleich mit der Mehrzahl der deutschen Universitäten in finanzieller Beziehung aus- halten könne. Das Haus dürfe überzeugt sein, schloß er, daß ein Mann wie Adickes eben wie alle Beteiligten in Frank- furt sich der Tragweite des gewaltigen Unternehmens sehr wohl bewußt seien; man hoffe und erwarte von der Frank- furter Universität eine starke Entwicklung, wisse aber auch genau, daß die Augen der gebildeten Welt auf diese neue Erscheinung gerichtet seien. Das Solidaritätsgefühl, das die Frankfurter Bürgerschaft, die Stadtverwaltung und die Stiftungen umfasse, werde nach menschhchem Ermessen stark genug sein, um das große Werk auch ohne finanzielle Beihilfe des preußischen Staates zu gutem Ende zu führen. Mit nochmaligen kritischen Einwendungen des Vertreters von Münster, Professor von Savigny, und einer Richtig- stellung seitens des Ministers ging die Debatte zu Ende, ohne daß eine Beschlußfassung erfolgte. So war auch die schwere Probe der parlamentarischen Behandlung glücklich be- standen. War der Widerspruch anfänglich fast ein allge- meiner gewesen, bei den großen Parteien der Rechten aus grundsätzlichen Widerständen gegen die neuen Bestrebungen aus der Mitte einer Großstadt heraus, bei der nationalHberalen Partei aus Befürchtungen für die Unabhängigkeit des Lehr- betriebs, so waren alle diese Widerstände von Einwendungen Einzelner abgesehen, bei denen lokale Gesichtspunkte ihrer Wahlkreise wohl überwogen, nunmehr beseitigt. Wer die Schwierigkeit der Stellung eines preußischen Kultusministers kennt, wird bewundern müssen, daß der Minister die Durch- führung einer Aufgabe übernahm, bei der er auf den Wider- spruch der einflußreichen großen Parteien des Abgeordneten- hauses rechnen mußte , und in deren Verteidigung er fast allein im Parlament stand. Aber vollends war es ein Triumph der Beharrlichkeit und der vorsichtigen klugen Behandlung durch den Minister und seinen Ministerialdirektor Naurriann, daß die Lösung schließlich fast ohne Kampf, ja unter An- erkennung und Bewunderung des Erreichten erfolgte.

Die Vollendung der äußeren Einrichtung

Zur Durchführung der im Universitätsvertrag über- nommenen Verpflichtungen, Bereitstellung eines Bauplatzes für die normale Anatomie, Einrichtung der Polikliniken, Überlassung von Räumen für das physikalisch-physiologische Institut, Einräumung eines Bauplatzes für einen medizinischen Hörsaal, Mikroskopierräume und Bibliothek, unterbreitete der Magistrat unter dem 3. Juli 1913 eine Vorlage, die neben Vorschlägen zum endgültigen Ausbau des Krankenhauses bezüglich der Universitätsbauten wesentliche Verbesserungen vorsah. Da aus Stiftungsmitteln noch ein weiterer Betrag von 220 000 M für die Zwecke der medizinischen Bauten mittlerweile gewonnen worden war, bot sich die Möglichkeit, von dem Umbau der vorhandenen Gebäude, der wie sich herausgestellt hatte Schwierigkeiten geboten hätte, abzusehen und ein besonderes Gebäude zur Aufnahme der beiden physiologischen Institute, des pharmakologischen Instituts sowie ein neuhinzutretendes Institut für Kolloid- forschungen zu erstellen. Für Mikroskopierräume und Bibliothek war damit zugleich Raum in dem ursprünghch für das Physiologische Institut vorgesehenen Gebäude ge- wonnen. Nachdem die Vorlage ebenso wie ein weiterer Antrag des Magistrats auf Überlassung eines Bauplatzes an die Dr. Senckenbergische Stiftung zum Bau der normalen Anatomie und Genehmigung der Pläne hierfür an den Stif- tungs- und Hochbau- Ausschuß überwiesen worden war, bean- tragte der Magistrat nachträglich durch Antrag vom 19. Sep- tember eine Abänderung seiner Vorschläge, die mit dem Hin- weis, daß für neue Einrichtungen der Radiumtherapie Platz auf dem Krankenhausgelände freigehalten werden solle, darauf abzielten, die neuen Anstalten nicht auf diesem Gelände zu

2o6

errichten, sondern für sie einen Teil der Bauplätze des früheren Kohlenhafens zu benützen. Der Ausschuß empfahl die Zustimmung zu diesem etwa i ha betragenden Mehraufwand an Baugelände des ehemaligen Kohlenhafens, weil er die Vorteile, die nach dem neuen Bebauungsplane für die Kranken- fürsorge entständen, für größer hielt, als den finanziellen Nachteil, der der Stadt erwachse. Auch hielt der Ausschuß für zweckmäßig, die wissenschaftlichen Institute nach Möglichkeit von dem eigentlichen Krankenhausbetrieb ab- zusondern. Eine Minderheit des Ausschusses widersprach der Vorlage, da sie in ihr eine weitere Belastung der Stadt zugunsten der Universität über die vertraglichen Ver- pflichtungen hinaus erblickte. Die Gegensätze kamen in der Plenarberatung vom 4. November 1913 nochmals scharf zum Ausdruck. Die früheren Gegner der Universitäts- vorlage vertraten den Standpunkt, daß die Verlegung der Universitätsinstitute ein neues Geschenk an die Universität darstelle, die Mehrheit betonte demgegenüber, daß der künftigen Universität gleichgültig sein könne, wo die Bau- plätze für die Institute angewiesen würden, sofern nur die fraglichen Verpflichtungen eingehalten würden. Die Ab- änderungsvorschläge des Magistrats seien lediglich vom Gesichtspunkt städtischer Interessen und der Verbesserung der Krankenfürsorge erfolgt. Die Versammlung nahm die Anträge des Ausschusses entsprechend der letzten Magi- stratsvorschläge an, so daß danach der Bau der Institute für Physiologie, der Anatomie wie der übrigen Unterrichts- zwecken dienenden Bauten in Angriff genommen werden konnte.

Auch der Bau des nach dem Vertrag zu errichtenden Zoologischen Instituts wurde von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft alsbald in Angriff genommen, womit zugleich eine Erweiterung des Museums verbunden wurde. Nach einer nachträglich getroffenen Vereinbarung verpfhchtete sich die Gesellschaft der Universität gegenüber, die Institute für Mineralogie und Paläontologie in den er- weiterten Museumsräumen zunächst für eine Zeitdauer von

207

zehn Jahren aufzunehmen, wofür die Universität der Gesell- schaft zinslos den Betrag von 120000 Ji zur Verfügung stellte. Am Gründungstag der Gesellschaft, dem 22. Nov. 1913, erfolgte die feierhche Grundsteinlegung des Neubaues.

Die Verlegung des Chemischen Instituts in eigenes Gebäude war ursprünglich erst für den Fall einer steigenden Frequenz der naturwissenschaftlichen Fakultät vorgesehen. Doch kam die Leitung des Physikalischen Vereins im Ein- vernehmen mit dem Großen Rat der Akademie zur Ent- schheßung, den Neubau schon sofort ins Werk zu setzen. Dabei ergab sich als zweckmäßig, den Bau nicht, wie ur- sprünglich vorgesehen, in unmittelbarer Verbindung mit dem alten Institutsgebäude aufzuführen, sondern ein selb- ständiges Gebäude zu errichten, für das von der Stadt an Stelle des früher vorgesehenen Platzes ein Areal südlich des Kettenhofweges, gegenüber dem Institutsgebäude, in Größe von etwa 33 Ar erbeten würde. Bei den Verhandlungen der Stadtversammlung über den entsprechenden Antrag des Magistrats wiederholten sich naturgemäß auch die alten Debatten. Nachdem eine Prüfung im Finanzausschuß zu dem Ergebnis geführt hatte, daß der neu vorgeschlagene Platz keinen höheren Wert als der alte habe, wurde der Umtausch von der Versammlung genehmigt. Zum Bau selbst stellte die Universität über den früher vorgesehenen Betrag von 500000 M noch weiter 300000 ,E zur Ver- fügung, wogegen sie für den Zinsausfall durch private Zu- wendungen für eine Reihe von Jahren entschädigt wurde.

EndHch wurde entsprechend dem, Universitätsvertrag von der Jügel- Stiftung der Ergänzungsbau zum Auditorien- gebäude für Rechnung der Universität zur Ausführung ge- bracht. So waren fast sämthche auch für die Zukunft vorgesehene Bauten noch vor Eröffnung der Universität in Angriff genommen und es war, was die sachliche Aus- stattung betrifft, jede Gewähr gegeben, daß die neue Uni- versität schon zu Beginn ihrer Unterrichtstätigkeit sich ebenbürtig auch ihren reich dotierten Schwesterinstituten zur Seite stellen dürfte.

Die staatliche Genehmigung

Gleichzeitig mit der äußeren Ausstattung schritt die Arbeit des Ausbaues der Organisation voran, wenn sie auch gehemmt und erschwert war durch die zunehmende Er- krankung von Oberbürgermeister Adickes, der mit eiserner Willenskraft dem körperlichen Verfall trotzend seine letzten Lehenskräfte seinem Werke widmete. Die Vorbereitungen des Statutenentwurfs, des Etats, Verhandlungen über die Berufungen waren im Frühjahr 1914 im wesentlichen soweit gefördert, daß man die Eröffnung der Universität zum Wintersemester 1914/15 in Aussicht nehmen konnte. Auf Bericht des Ministers erging unter deilfi 10. Juni der König- liche Erlaß:

Aus Ihrem Bericht vom 4. Juni d. Js. habe Ich ersehen, daß die Zuwendungen zugunsten einer Universität in Frankfurt a. M. die Möglichkeit geben, sie aus eigenen Mitteln zu erhalten. Da auch im übrigen die Vorbereitungen soweit gediehen sind, daß im Winter- halbjahr 1914/15 mit dem Unterricht begonnen werden kann, will Ich nunmehr die Universität zu Frankfurt a. M. hierdurch in Gnaden errichten und genehmigen, daß sie in den Genuß der ihr zugewandten Rechte tritt.

Neues Palais, den 10. Juni 1914.

gez. Wilhelm R. gez. : von Trott zu Solz. An den Minister

der geistlichen pp. Angelegenheiten.

Am 22. Juni war es Adickes vergönnt, der Öffentlich- keit diesen Erlaß bekanntgeben zu können, der die end- gültige Krönung jahrzehntelanger Arbeit darstellte. Aber fast schien es, als ob wiederum neue Hindernisse sich in den Weg stellen sollten. Noch war das Statut nicht ausgefertigt, da brach der große Krieg aus. Kaum durfte man hoffen,

209

daß die Staatsregierung den Augenblick für geeignet hielt, an neue Anstalten für Wissenschaft und Unterricht zu denken. Um so freudiger war man überrascht, als der 8. August die Entscheidung brachte, nach der der Kaiser das Statut vollzog. Es trägt das historische Datum des I. August, des Tages der Mobilmachung zum Krieg und ist damit selbst zu einem Dokument deutscher Kulturgeschichte, zu einem Denkmal unvergänglichen Gedächtnisses geworden. Sein Wortlaut ist:

Satzung der Königlichen Universität zu Frankfurt a. M.

Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw., wollen der durch unseren Erlaß vom lo. Juni 1914 neu begründeten Universität zu Frankfurt a. M. die nachfolgende Satzung hierdurch \erleihen.

Abschnitt I. Die Universität im allgemeinen.

§ I-

Die Universität zu Frankfurt a. M. hat wie die übrigen Landesuniver- sitäten die Aufgabe, die ihrer Pflege zugewiesenen Wissenschaften frei vtin Einseitigkeiten und unabhängig von Parteien zu lehren und durch selbständige wissenschaftliche Arbeiten und Untersuchungen zu fördern. Sie hat die allgemeine und besondere wissenschaftliche Ausbildung der studierenden Jugend sachgemäß weiterzuführen und sie zum Eintritt in die verschiedenen Zweige des höheren Staatsdienstes sowie für andere Berufsarten, zu welchen eine höhere wissenschaftliche Bildung erforder- lich oder nützlich ist, tüchtig zu machen.

Es ist daher die Hauptsache sämtlicher Lehrer, daß sie zur Er- reichung dieses Zweckes nicht nur das ihrer besonderen Pflege überv\desene Lehrfach würdig vertreten, sondern auch auf die Entwicklung der Sitten und des Charakters der Studierenden einen heilsamen Einfluß zu erwer- ben und auszuüben sich bemühen.

Der Universität liegt es ob, die wissenschaftliche Forschung nicht nur in Verbindung mit dem Unterricht, sondern auch unabhängig da\on durch besondere Einrichtungen davon zu pflegen.

§ 2. Als Nachfolgerin der früheren .\kademie für Sozial- und Handels- wissenschaften hat die Universität auch die Aufgabe einer Handelshoch- schule und einer wissenschaftlichen Fortbildungsanstalt zu erfüllen. Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. 14

2IO

§ 3- Die Universität ist eine Veranstaltung des Staates und hat zu- gleich nach Maßgabe der Landesgesetze alle Rechte einer privilegierten Korporation. Sie führt ein eigenes Siegel und bedient sich dessen in öffent- lichen Ausfertigungen.

§ 4- Die Universität besteht aus:

1 . der Gesamtheit der Lehrer,

2. dem Universitätsrichter,

3. den bei der Universität angestellten Beamten,

4. den in die Matrikel der Universität eingetragenen (im- matrikulierten) Studierenden.

§ 5. Die Universität umfaßt zur Zeit folgende Fakultäten:

1. die Rechtswissenschaftliche Fakultät,

2. die Medizinische Fakultät,

3. die Philosophische Fakultät,

4. die Naturwissenschaftliche Fakultät,

5. die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät. Zur Beratung und Beschlußfassung über die mehrere Fakultäten

berührenden Angelegenheiten können aus Mitgliedern der beteiligten Fakultäten Ausschüsse gebildet werden, deren Zusammensetzung und Aufgaben durch von Unserem Minister der geistlichen und Unterrichts- Angelegenheiten zu erlassende Ordnungen geregelt werden.

§ 6.

Die Universität ist in Beziehung auf Religions- und Konfessions- verhältnisse eine gemischte und paritätische. Eine Bindung in Hinsicht des religiösen Bekenntnisses des zu berufenden Professors findet bei keinem Lehrstuhle statt; demgemäß ist bei Besetzung der Lehrstühle und der Stellen an den Forschungsinstituten die religiöse oder konfes- sionelle Stellung in keinem Falle ein Ausschließungsgrund.

Die Universität steht unter Aufsicht des Ministers. Der Minister bestellt einen Kommissar, der in seinem Auftrag die Aufsicht an Ort und Stelle ausübt. Alle Berichte und Vorstellungen, die in Universitätsange- legenheiten an den Minister gerichtet werden, sind an diesen durch Ver- mittlung des Kommissars zu befördern. Beschwerden über den Kommissar können unmittelbar an den Minister eingereicht werden.

211

Abschnitt II. Der Große Rat und das Kuratorium der Universität.

§ 8. Zur Verwaltung der Universität sind neben den sonstigen bei Uni- versitäten vorhandenen Organen berufen der Große Rat und das Kuratorium.

§ y-

Der Große Rat der Universität besteht aus folgenden Mitgliedern :

1. dem Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt a. M. oder seinem gesetzlichen Stellvertreter;

2. vier von dem Magistrat der Stadt Frankfurt zu wählen- den Mitgliedern, von denen mindestens eines dem Magistrat angehören muß;

3. vier von der Stadtverordnertenversammlung der Stadt Frankfurt zu wählenden Mitgliedern, von denen mindestens eines dieser Körperschaft angehören muß;

4. fünf vom Institut für Gemeinwohl in Frankfurt und

5. zwei von der Handelskammer in Frankfurt zu wählenden Mitgliedern ;

6. einem von der Polytechnischen Gesellschaft in Frankfurt zu wählenden Mitgliede ;

7. je zwei von der Georg und Franziska Speyerschen Studien- stiftung, der Carl-Christian-Jügel-Stiftung, der Dr. Senk- kenbergischen Stiftung, der Verwaltung der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesellschaft, dem Vorstande des Physikalischen Vereins, der Leo- Gans- Stiftung und der von Goldschmidt-Rothschild-Stiftung, alle in Frank- furt, gewählten Mitgliedern ;

8. je einem von dem Carolinum, dem Theodor Stern'schen Medizinischen Institut, der Otto- und - Jda- Braunfels- Stii- tung, der Lucius-Meister- Stiftung, der F.- von -Mumm- Stiftung, der A.-von-Weinberg-Stiftung und der H.-Budge- Stiftung in Frankfurt gewählten Mitglieder;

9. dem Rektor und Prorektor der Universität;

10. außerdem sind die Angelegenheiten, welche einzelne Fa- kultäten betreffen, die beteiligten Dekane mit vollem Stnum- recht zuzuziehen. Der Große Rat kann durch Zuwahl drei weitere Mitglieder wählen. Die von der Handelskammer und Polytechnischen Gesellschaft gewählten Mitglieder scheiden aus, sobald der von den Wahlkörpern ge- leistete Beitrag wegfällt. Die Professoren und Privatdozenten der Uni- versität sind in den Großen Rat nicht wählbar.

Die durch Wahl berufenen Mitgheder des Großen Rats werden auf drei Jahre gewählt.

212

§ lo. Der Große Rat hat

1. den Haushaltsplan festzustellen und die Rechnung zu ent- lasten ;

2. dem Ankauf und Verkauf von Grundstücken zuzustimmen; 1,. die Mitglieder des Kuratoriums ii) zu wählen, soweit

sie nicht durch ihr Amt berufen sind; 4. Veränderungen in der Zusammensetzung des Kuratoriums und des Großen Rates sowie der Gewährung des Rechtes zur Entsendung von Mitgliedern in diesen zuzustimmen. Eine Änderung der den einzelnen Stiftungen, Körperschaf- ten und Vereinigungen zugewiesenen Wahl- und Stimm- rechte für den Großen Rat und das Kuratorium bedart der Zustimmung der Beteiligten, eine Änderung der Be- stimmungen über den Vorsitz der Zustimmung des Ma- gistrats ; c;. Veränderungen der zugunsten der Universität bei ihrer Gründung übernommenen Verpflichtungen zuzustimmen. Den Vorsitz im Großen Rat fidirt der jeweilige Vorsitzende des Kuratoriums.

In den Sitzungen ist dem vom Minister ernannten Kommissar oder dessen Vertreter jederzeit auf Wunsch das Wort zu erteilen.

Das Kuratorium umfaßt folgende Mitglieder:

1. den Oberbürgermeister oder seinen gesetzlichen Stellver- treter;

2. je zwei aus den vom Magistrat und von der Stadtverord- netenversammlung entsandten Mitgliedern des Großen Rates gewählte Mitglieder ;

3. zwei aus den vom Institut für Gemeinwohl entsandten Mitgliedern des Großen Rates gewählte Mitglieder;

4. je ein aus den von der Handelskammer, der Georg und Franziska Speyerschen Studienstiftung, der Carl-Christian- Jügel-Stiftung, der Dr. Senckenbergischen Stiftung, der Verwaltung der Senckenbergischen Naturforschenden Ge- sellschaft, dem Vorstande des Physikalischen Vereins, der Leo-Gans-Stiftung und der von-Goldschmidt-Rothschild- Stiftung entsandten Mitgliedern des Großen Rates gewähl- tes Mitglied ;

5. drei bis sechs aus den übrigen Mitgliedern des Großen Rates gewählte Mitglieder nach näherer Bestimmung des Großen Rates ;

6. den Rektor der Universität;

213

•j. außerderri sind bei Angelegenheiten, welche einzelne Fakul- täten betreffen, die beteiligten Dekane mit vollem Stimm- recht hinzuziehen ; dies gilt jedoch nicht für Beratungen über die nach § 35 zu machenden Vorlagen. Die durch Wahl berufenen Mitglieder werden vom Großen Rate auf drei Jahre gewählt.

Das Kiaratorium hat bei der Beratung über eine nach § y-, zu machende Vorlage, welche eine Berufung auf einen durch eine Stiftung dotierten Lehrstuhl betrifft, ein Mitglied des Stiftungsvorstandes nach Wahl des letzteren mit vollem Stimmrecht zuzuziehen, falls solches in der Satzung der Stiftung bestimmt worden ist. Die Mitglieder des Kura- toriums haben über alle Angelegenheiten, von denen sie indieser ihrer Eigen- schaft Kenntnis erhalten haben , die strengste Amtsverschwiegenheit zu beobachten.

§ 12-

Das Kuratorium hat ;

1. die V^erwaltung der Universität in \'ermögensangelegen- heiten nach Maßgabe des Haushaltungsplanes zu führen;

2. die der Zuständigkeit des Großen Rates unterliegenden Beschlüsse vorzubereiten und auszuführen sowie dem Großen Rat alljährlich einen Verwaltungsbericht zu erstatten ;

3. den Universitätssekretär, den Quästor sowie die sonstigen für die Verwaltung erforderlichen Beamten und Ange- stellten der Universität anzunehmen ;

4. die sonstigen ihm überwiesenen Universitätsgeschäfte zu führen ;

5. über die Gestaltung des Universitäts-Unterrichts Gut- achten zu erstatten und Anregungen zu geben.

Das Kuratorium vertritt die Universität in Vermögensangelegen- heiten. Gerichtlich und außergerichtlich, insbesondere bei Abgaben und Entgegennahme von Erklärungen für die Universität, wird das Kura- torium durch den Vorsitzenden vertreten, öffentliche Ausfertigung von Urkunden sind von dem Vorsitzenden zu unterschreiben und mit dem Siegel des Kuratoriums zu versehen. Der Vorsitzende hat die Beschlüsse des Kuratoriums vorzubereiten und auszuführen.

Den Vorsitz im Kuratorium führt der Oberbürgermeister. Wünscht dieser dauernd oder zeitweise vom Vorsitz entbunden zu werden, so wird der Vorsitzende auf Vorschlag des Kuratoriums vom Minister ernannt und vom Oberbürgermeister vereidigt. In derselben Weise, und zwar jeweils auf drei Jahre erfolgt die Bestellung des ständigen Stellvertreters des Vorsitzenden.

In den Sitzungen ist dem vom Minister ernannten Kommissar oder dessen Vertreter auf Wunsch jederzeit das Wort zu erteilen.

214

Abschnitt III.

Die Lehrer der Universität.

I. Professoren.

§ 13. Die "Professoren teilen sich in :

1. ordentliche Professoren,

2. ordentliche Honorar- Professoren,

3. außerordentliche Professoren,

4. außerordentliche Honorar- Professoren.

§ 14-

Die ordentlichen Professoren werden durch Uns ernannt, die or- dentlichen Honorar- Professoren, die außerordentlichen Professoren und die außerordentlichen Honorar-Professoren durch den Minister; zu der Ernennung der ordentlichen Honorar- Professoren ist jedoch in jedem einzelnen Falle Unsere Ermächtigung einzuholen.

Das den Professoren von der Universität zu zahlende Gehalt nebst Wohnungsgeldzuschuß wird bei der Ernennung nach Maßgabe der Ge- haltsordnung durch den Minister festgesetzt. Eine Überschreitung des Gehaltsmaximums ist hierbei nur möglich, wenn das Kuratorium die erforderlichen Mittel dazu bereitgestellt hat. Das gleiche gilt bei der Gewährung besonderer Zulagen nach der Ernennung.

Sollte für die übrigen Universitäten durch Änderung der Gesetz- gebung eine neue Gehaltsordnung ins Leben treten, so erfolgt deren Ein- führung bei der Lhiiversität in Frankfurt durch den Minister.

Nach den bei den übrigen Universitäten jeweilig stehenden Grund- sätzen bestimmt sich auch der Bezug der Vorlesungshonorare, die Er- gänzung der Nebenbezüge und die Versorgung der Hinterbliebenen. Die Honorarabzüge fließen der Universität zu. Ihre Verwendung bestiiiimt sich nach den von dem Minister nach Anhörung des Kuratoriums zu er- lassenden Bestimmungen.

§ 15- Die Zahl der Professoren ist keine geschlossene. Es können für jedes Lehrfach mehrere Professoren bestellt werden.

§ 16.

Jeder neu ernannte Professor wird in einer Sitzung des Akademi- schen Senats durch den Rektor nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften über die Vereidigung der Beamten verpflichtet.

Mit dieser Verpflichtung tritt der Professor zugleich in den Ver- band der Fakultät ein, welcher er nach seinem Ihiterrichtsfache angehört.

§ 17- Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren sind verpflich- tet, sofern in ihrem Lehrauftrag nicht eine andere Bestimmung getroffen

215

ist, während jedes Semesters mindestens eine Privatvorlesung aus den ihnen zugewiesenen Zweigen der Wissenschaft anzukündigen. Außerdem haben sie auch in jedem Semester eine unentgeltliche Vorlesung aus dem Bereiche ihrer Fachwissenschaft zu halten.

Durch die unentgeltliche Abhaltung von Seminaren oder anderen Übungsvorlesungen wird dieser Verpflichtung genügt.

§ i8.

Die Professoren sind verpflichtet, zur Förderung des Wohls der Universität nach besten Kräften beizutragen. Von den ordentlichen und außerordentlichen Professoren wird insbesondere erwartet, daß sie sich zur Beteiligung an den Geschäften der Universität nach den Wünschen und Beschlüssen der Fakultät und des Akademischen Senats willig finden lassen.

§ 19.

Das Dienstalter der ordentlichen Professoren untereinander richtet sich nach dem Datum ihrer ersten Ernennung zum ordentlichen Pro- fessor an einer deutschen Universität, bei der Ernennung von demselben Datum nach der Bestimmung des Ministers. Diesem bleibt es auch vor- behalten, in besonderen Fällen neu ernannten Professoren mit Rücksicht auf ihre frühere Tätigkeit an einer anderen Lehranstalt ein höheres Dienst- alter beizulegen.

Diese Bestimmungen finden auf die drei übrigen Klassen von Professoren, jede für sich genommen, entsprechende Anwendung.

§ 20. Die Professoren bedürfen zur Übernahme solcher Nebenämter und Nebenbeschäftigungen, welche mit ihrer Professur nicht zusammen- hängen, der Genehmigung des Ministers.

§21.

Zu Reisen während der gesetzlichen Ferien bedürfen die Profes- soren keines Urlaubs. Sofern sie mit der Leitung einer Universitätsanstalt beauftragt sind, welche fortgesetzter Beaufsichtigung bedarf, haben sie für eine angemessene Vertretung zu sorgen und dem Kuratorium hier- über Anzeige zu erstatten.

Zu Reisen außerhalb der gesetzlichen Ferien bedarf es in jedem Falle eines besonderen Urlaubs, der bis zur Dauer von vierzehn Tagen von dem Kommissar des Ministers, darüber hinaus von dem Minister er- teilt werden kann.

§ 22.

Wenn ein Professor aus seinem Amte ausscheiden will, was nur zum I. April und zum i. Oktober geschehen darf, so hat er dies mindestens drei Monate vorher dem Kuratorium anzuzeigen, welches auf dem Wege des § 7 dem Minister darüber berichtet.

2l6

II. Beauftragte Dozenten.

§ ^3- Die Erteilung von einzelnen Lehraufträgen an Personen, die außer- halb der Fakultät stehen, erfolgt durch den Minister. Anträge auf Er- teilung von Lehraufträgen sind von der beteiligten Fakultät dem Kura- torium zur \'orlage an den Minister einzureichen.

III. Pr i V a t d oze n t e n.

§ 2A- Die Bedingungen für die Habilitation als Privatdozent ergeben sich aus den von den einzelnen Fakultäten mit Genehmigung des Ministers zu erlassenden Habilitationsordunngen. Die Bestimmung des § 6 findet hierbei entsprechende Anwendung.

§ 25. Die Privatdozenten sind nur über diejenigen Fächer Vorlesungen zu halten berechtigt, für welche sie die Habilitation erlangt haben.

Ihre Anschläge am Schwarzen Brett bedürfen des Sichtvermerks des Dekans.

§ 26. Die Venia legendi erlischt durch Verzicht. Einem Verzicht steht gleich :

1. wenn ein Privatdozent ohne ausdrückliche Genehmigung der Fakultät während zweier aufeinanderfolgender Semester die Anzeige von Vorlesungen im Vorlesungsverzeichnis unterläßt;

2. wenn er während vier aufeinanderfolgender Semester über- haupt keine Vorlesungen gehalten hat. es sei denn, daß LTm- stände vorliegen, welche dies \'erhalten rechtfertigen. Hier- über hat gegebenenfalls die Fakultät zu befinden. Es steht dem Privatdozenten frei, dieser Entschließung gegen- über die Entscheidung des Ministers anzurufen;

3. wenn er seinen ständigen Wohnsitz ohne ausdrückliche Genehmigung von Frankfurt fortverlegt. Die Erteilung dieser Genehmigung ist von dem Privatdozenten bei der Fakultät nachzusuchen, welche den Antrag mit ihrer gut- achtlichen Äußerung dem Minister zur Entscheidung vorlegt;

4. wenn er eine hauptamtliche Stellung außerhalb der Uni- versität annimmt, es sei denn, daß die Fakultät ihm auf seinen Antrag gestattet, dessen ungeachtet die Stellung als Privatdozent beizuhalten. Ob diese Genehmigung ein- geholt werden muß, entscheidet im Zweifelfalle die Fa- kultät. Es steht dem Privatdozenten frei, gegenüber der Entschließung der Fakultät die Entscheidung des Ministers anzurufen.

217

Privatdozenten, welche außerhalb der gesetzlichen Ferienzeit zu verreisen beabsichtigen, haben davon dem Dekan Anzeige zu machen.

I\'. Lektoren und technische Hilfsfehrer. § 28. Die Anstellung von Lektoren und technischen Hilfslehrern er- folgt durch den Minister.

Anträge auf x\nstellung von Lektoren sind von der beteiligten Fakultät dem Kuratorium zur Vorlage an den Minister einzureichen ; das gleiche gilt von Anträgen des Akademischen Senats auf Anstellung technischer Hilfslehrer.

§ 29. Die Obliegenheiten der Lektoren und Technischen Hilfslehrer wer- den durch die von dem Minister erlassenen Anweisungen bestimmt.

Die Ankündigungen der Lektoren am Schwarzen Brett müssen mit dem Sichtvermerk des Dekans, die der Hilfslehrer mit dem Sichtvermerk des Rektors versehen sein.

Abschnitt IV. Die Fakultäten.

§ 30.

Jede Fakultät besteht aus den ihr zugeteilten Lehrern und den in ihr Album eingetragenen (inskribierten) Studierenden. Sie wird ver- treten durch die Gesamtheit ihrer ordentlichen Professoren; in der Regel nehmen nur diese an den Sitzungen der Fakultät teil.

Indessen haben die außerordentlichen Professoren, welche ein in ihrer Fakultät nicht vertretenes Spezialfach bekleiden, in der Fakultät Sitz und beschließende Stimme, wenn es sich um Angelegenheiten ihres Spezialfaches handelt ; die Bestimmung darüber, welches Fach als ein sol- ches Spezialfach anzusehen ist. trifft der Minister.

§ 31.

An der Spitze jeder Fakultät steht ein von ihren ordentlichen Professoren aus ihrer Mitte auf ein Jahr gewählter Dekan. Die Wahl erfolgt in einer Fakultätssitzung, welche alsbald nach der Rektorwahl 38) stattzufinden hat. Das Verfahren bei der Wahl des Dekans ist das nämliche wie bei der Rektorwahl. Eine sofortige Wiederwahl des aus- scheidenden Dekans ist nicht zulässig.

Die Übernahme des Dekanats darf nur aus bestimmten Gründen, über deren Zulänglichkeit bei Meinungsverschiedenheit innerhalb der Fakultät der Minister entscheidet, abgelehnt werden.

§ 32. Wird das Dekanat vor .\blauf des Dekanatsjahres erledigt, oder ist der Dekan an der Wahrnehmung seiner Geschäfte verhindert, so liegt

2t8

die Stellvertretung dem Prodekan und nötigenfalls den weiteren Amts- vorgängern des Dekans ob.

§ 33-

Die Fakijtäten haben darüber zu wachen, daß die Vorlesungen rechtzeitig begonnen, nicht ohne genügenden Grund unterbrochen und nicht vorzeitig geschlossen werden.

§ 34-

Jede Fakultät ist für die Vollständigkeit des Unterrichts auf ihrem Lehrgebiete verantwortlich, in der Art, daß die Studierenden innerhalb der vorgeschriebenen Studiendauer Gelegenheit haben müssen, Vorlesungen über alle Hauptfächer ihres Studienbereiches in angemessener Reihenfolge zu hören.

Ist die Vollständigkeit des Studienplanes nicht erreichbar, so hat die Fakultät hiervon dem Kuratorium- unter Darlegung der Gründe An- zeige zu erstatten und zugleich diejenigen Anträge zu stellen, welche ihr zur Abhilfe der Mängel erforderlich erscheinen. Vorlesungen von Privat- dozenten, soweit diese nicht einen besonderen Lehrauftrag haben, sind hierbei nicht in Anschlag zu bringen.

§ 35. Vor der Besetzung der Professuren ist der Fakultät Gelegenheit zu geben, gutachtliche Personalvorschläge in der üblichen Dreierzahl zu machen. Diese Vorschläge werden zur Vorlage an den Minister dem Kuratorium eingereicht, welches etwaige Bedenken, die von seinem Stand- punkte aus zu erheben sind, in dem Begleitbericht zur Geltung zu bringen und auf Wunsch auch abweichende Minderheitsäußerungen beizufügen hat.

§ 36.

Jede P'akultät hat das Recht unter Verantwortung der gesamten Universität akademische Grade nach Maßgabe ihrer Promotionsordnung zu verleihen.

Die Promotionsordnung wird von der Fakultät mit Genehmigung des Ministers erlassen.

§ 37-

Das Nähere über die Einrichtung der Fakultäten und ihren Ge- schäftsgang wird durch besondere Satzungen bestimmt, die von dem Minister nach Anhörung der Fakultät erlassen werden.

Abschnitt V.

Der Rektor und der Akademische Senat.

§ 38.

Der Rektor wird alljährlich in der ersten Woche des Juli auf ein

Jahr vom Professorenkollegium gewählt und tritt am 15. Oktober sein

Amt an. Wählbar ist jeder ordentliche Professor. Wahlberechtigt sind

219

außer den ordentlichen Professoren auch die außerordentlichen Professoren, diese jedoch mit der Maßgabe, daß die Gesamtzahl der hiernach wahl- berechtigten außerordentlichen Professoren die Hälfte der Gesamtzahl der ordentlichen Professoren nicht übersteigen darf. Wird diese Beschrän- kung wirksam, so steht das Wahlrecht den dienstältesten außerordent- lichen Professoren zu. Die Wahl bedarf der Bestätigung durch den Minister.

Die Übernahme des Rektorats kann nur aus bestimmten Gründen, über deren Zulänglichkeit der Minister entscheidet, abgelehnt werden.

Der Rektor kann nicht zugleich Dekan einer Fakultät sein.

§ 39-

Die Wahl ist eine geheime und schriftliche. Nur die in der Sitzung anwesenden Professoren nehmen daran teil. Sie erfolgt durch unbe- dingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die \\'ahlzettel werden von dem Vorsitzenden Rektor unter Zuziehung des Universitätssekretärs gezählt; sodann werden die Namen verlesen und das Wahlergebnis fest- gestellt. Weiße Zettel werden nicht besücksichtigt.

Ergibt der erste Wahlgang keine unbedingte Mehrheit, so wird eine zweite Wahl in derselben Weise wie die erste vorgenommen.

Wird auch bei der zweiten Wahl eine unbedingte Stimmenmehr- heit nicht erreicht, so werden diejenigen zwei Kandidaten, welche in diesem Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben, auf die engere Wahl gesetzt; sollte hierbei über eine Stimmengleichheit zu entscheiden sein, so geschieht dies durch das Los.

Ergibt die engere \^'ahl Stimmengleichheit, so entscheidet eben- falls das Los.

Eine Wiederwahl des ausscheidenden Rektors für die neue Amts- periode ist nicht zulässig.

Über die Wahlhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen und von dem Rektor und dem Universitätssekretär zu unterzeichnen.

§ 40. Die öfientliche Feier der Übergabe des Rektorats findet im An- fang des Wintersemesters vor der gesamten Universität statt.

§ 41-

Wenn der gewählte Rektor vor Antritt seines Amtes stirbt oder andere Umstände eintreten, die ihm die Verwaltung des Rektorats un- möglich machen, so wird möglichst bald eine neue Wahl vorgenommen. Das gleiche gilt, wenn die Bestätigung der Rektorwahl versagt wird; eine W^iederwahl ist in diesem Falle nicht zulässig.

Falls vor Schluß des Rektoratsjahres die erste oder die erneute Rektorwahl nicht bestätigt ist, so hat der bisherige Rektor bis zum Ein- tritt seines Amtsnachfolgers die Geschäfte weiterzuführen.

220

§ 42.

Wird das Rektorat vor Ablauf des Rektoratsjahres erledigt, oder ist der Rektor an der Wahrnehmung seiner Geschäfte verhindert, so liegt die Stellvertretung dem Prorektor und nötigenfalls den weiteren Amts- vorgängern des Rektors oh.

In ijetreff der Beurlaubung des Rektors finden die Bestimmungen des § 2 1 mit der Maßgabe Anwendung, daß während der Ferien zu länger als siebentägigen Reisen Urlaub bei dem Kommissar des Ministers nach- zusuchen ist.

S 43-

Der Akademische Senat besteht aus :

1. dem Rektor,

2. dem Prorektor, 3- den Dekanen,

4. fünf vom Professorenkollegium 38) jedesmal im März auf ein Jahr gewählten ordentlichen Professoren, von denen je einer der rechtswissenschaftlichen, der medizinischen, der philosophischen, der naturwissenschaftlichen und der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fukaltät an- gehören muß,

5. einem vom Professorenkollegium jedesmal im März auf ein Jahr, gewählten außerordentlichen Professor,

6. dem Universitätsrichter.

§ 44-

Das Verfahren bei der Wahl der Senatoren 43 Nr. 4) ist das näm- liche wie bei der Rektorwahl. Die Annahme der Wahl kann nur aus be- stimmten Gründen, über deren Zulänglichkeit das Professorenkollegium entscheidet, abgelehnt werden.

Die gewählten Senatoren treten ihr Amt mit Beginn des Sommer- semesters an. Scheidet einer von ihnen vor Ablauf seiner Amtsdauer aus, so ist ein Ersatzmann durch den Senat zu bestellen. Das gleiche gilt, wenn ein gewählter Senator das Rektorat übernimmt oder als Dekan in den Senat eintritt.

§ 45-

Der Rektor ist die erste obrigkeitliche Person der Universität und ihr Vertreter nach außen. In seinem amtlichen Wirkungskreis gebührt ihm das Prädikat Magnifizenz.

Er leitet die Geschäfte des Senats, öffnet die Eingänge und bringt sie zur Kenntnis und soweit nötig zur Beschlußfassung des Senats. Ihm liegt die Ausführung der vom Senat innerhalb seiner Zuständigkeit ge- faßten Beschlüsse ob.

221

§ 46.

Der Senat hat, soweit nicht in dieser Satzung abweichende Be- stimmungen getroffen sind, die gemeinsamen Angelegenheiten der Uni- versität zu verwalten.

Auch liegt ihm, unbeschadet der besonderen Zuständigkeit des Rektors und des Universitätsrichters, die Handhabung der Disziplin über die Studierenden nach Maßgabe der darüber ergangenen allgemeinen Vorschriften ob.

Die nach der \'erordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. Oktober 1854 dem Akademischen Senat zugewiesenen Befugnisse nimmt, das Professorenkollegium 38) wahr.

§ 47-

Die Beschlußfassung des Senats erfolgt, soweit es sich um Diszi- plinarangelegenheiten handelt, ausschließlich in den Sitzungen. In allen übrigen Angelegenheiten kann nach dem Ermessen des Rektors die Beschlußfassung auch durch Umlauf erfolgen.

Beschlüsse über Entsendung von \'ertretern zu Veranstaltungen im Auslande bedürfen der Genehmigung des Ministers.

§ 48.

Der Rektor beruft die Sitzungen des Senats und führt in ihnen den Vorsitz. Auf schriftliches Verlangen von drei Mitgliedern ist er ver- pflichtet, eine Sitzung anzuberaumen.

In den Einladungsschreiben zu den Sitzungen sind die auf die Tagesordnung gesetzten wichtigeren Gegenstände anzugeben.

Jedes Mitglied des Senats kann 24 Stunden vor der Sitzung die Aufnahme eines Gegenstandes in die Tagesordnung verlangen.

§ 49-

Der Senat ist beschlußfähig, wenn wenigstens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist.

Bei Verhandlungen und Abstimmungen, welche das persönliche Interesse eines Mitgliedes betreffen, darf der Beteiligte nicht anwesend .sein.

Die Abstimmung geschieht nach einfacher Mehrheit. Bei Stimmen- gleichheit gibt die Stimme des Rektors den Ausschlag.

Über die Verhandlungen des Senats ist ein Protokoll zu führen und. nachdem es verlesen und genehmigt ist, von dem Rektor und dem Protokollführer zu unterzeichnen.

Jedes Mitglied kann verlangen, daß seine von der Mehrheit ab- weichende Meinung im Protokoll Erwähnung finde, sowie daß sein Sonder- votum dem Senatsbericht beigefügt und in ihm erwähnt werde.

§ 5"- Die Mitglieder des Senats haben über alle Angelegenheiten, von denen sie in dieser ihrer Eigenschaft Kenntnis erhalten, die strengste Amtsverschwiegenheit zu beobachten.

222

§ 51- Die Berichte des Senats an den Minister werden von dem Rektor, dem Prorektor und den Dekanen, die Entscheidungen des Senats in Diszi- phnarsachen von dem Rektor und dem Universitätsrichter, alle übrigen Schriftstücke von dem Rektor allein vollzogen.

Abschnitt VI. Beamte und Angestellte der Universität.

§ 5-^ Der Universitätssekretär, der Quästor und die sonstigen Beam- ten und Angestellten der Universität werden von dem Kuratorium nacJi Benehmen mit dem Akademischen Senat angenommen.

Der nächste Dienstvorgesetzte der Beamten und Angestellten ist der Rektor.

§ 53- Die eidliche Verpflichtung der Beamten erfolgt durch den Rektor unter Mitwirkung des Universitätsrichters.

§ 54. Die Obliegenheiten der Beamten und Angestellten werden von dem Kuratorium nach Benehmen mit dem Akademischen Senat durch be- sondere Dienstanweisungen geregelt.

Abschnitt VII. Die Studierenden.

§ SS- Die Aufnahme der Studierenden geschieht durch die förmliche Immatrikulation. Diese erfolgt unter Beobachtung der darüber bestehen- den allgemeinen Bestimmungen nach vorhergegangener Anmeldung bei der Immatrikulationskommission durch die vom Rektor vorzunehmende Einzeichnunng des Namens, Vaterlandes, Geburtsortes und Studiums der Studierenden in die Matrikel der Universität. Hieran schließt sich die Aushändigung der Immatrikulationsurkunde gegen die Ausgelobung in die Hand des Rektors, Gehorsam den Universitätsgesetzen und den An- ordnungen der akademischen Obrigkeit beweisen zu wollen. Mit der Imniatrikulationsurkunde erhält der Studierende zugleich die Vorschriften für die Studierenden, eine Erkennungskarte zu seiner Legitimation und ein Anmeldebuch für die Vorlesungen.

§ S6. Nacli vollzogener Immatrikulation haben sich die Studierenden bei dem Dekan derjenigen Fakultät zu melden, welcher sie angehören

223

wollen, worauf die Eintragung in das Album der Fakultät durch den Dekan (Inskription) erfolgt.

§ S7- Durch die Immatrikulation und Inskription erlangt der Studierende das akademische Bürgerrecht mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten.

§ 58. Das akademische Bürgerrecht geht verloren

1. durch die Erteilung des Abgangszeugnisses;

2. durch disziplinarische Verweisung von der Universität;

3. durch Streichung aus der Universitätsmatrikel, wozu der Rektor in dem Falle befugt ist, wenn ein Studierender trotz erfolgter \'erwamung innerhalb der ersten vier Wochen nach dem vorgeschriebenen Anfang des Semesters keine Privat Vorlesung belegt hat ;

4. durch Ablauf von fünf Jahren seit dem Tage der Imma- trikulation, wodurch jedoch eine neue Immatrikulation nicht ausgeschlossen ist.

§ 59- Jeder Studierende erhält bei seinem Abgang von der Universität auf seinen Antrag ein Abgangszeugnis, in welches die von ihm belegten Vorlesungen nebst einem Vermerk über seine Führung aufgenommen werden.

Abschnitt \'III.

Die \'orlesungen. § 60. Die Vorlesungen werden unter \'erantwortung der Universität im Vorlesungsverzeichnis und am Schwarzen Brett angekündigt.

§ 61.

Die Vorlesungen, Vortrags- sowohl wie Übungs Vorlesungen, sind entweder öffentliche oder Privatvorlesungen oder Privatissima.

Die öffentlichen und Privatvorlesungen kann jeder Studierende belegen, sie werden in den Räumen der Universität und ihrer Anstalten gehalten. Die Zulassung zu den Privatissima ist eine beschränkte und erfolgt nach Maßgabe der von dem Lehrer festgestellten Bedingungen. Die Privatissima können auch in den Wohnungen der Lehrer gehalten werden.

Die öffentlichen Vorlesungen sind für die Studierenden unent- geltlich. Für die Privatvorlesungen ist Honorar zu entrichten. Die Pri- vatissima sind je nach den Bestimmungen des Lehrers entgelthch oder unentgeltlich.

224

Das Nähere über die Stundung, die Höhe und den Erlaß der Honorare sowie der Befreiung von ihnen wird durch den Minister nach Anhörung des Kuratoriums bestimmt. Dieses hat seine Vorschläge nach vor- herigem Benehmen mit dem Akademischen Senat vorzulegen.

§ 62. Es steht jedem Studierenden frei, öffentHche und Privatvorlesungen auch ohne vorherige Belegung dreimal zu besuchen.

§ 63. Personen, welche die Eigenschaft eines Studierenden nicht be- sitzen, können zum Besuche von einzelnen Vorlesungen als Gasthörer mit Zustimmung der Lehrer durch den Rektor mittels schriftlicher Er- laubnis zugelassen werden. Die Erlaubnis darf nicht erteilt werden

1. Schülern und solchen Personen, welche nicht die erfor- derliche Bildung besitzen;

2. allen immatrikulationsiähigen Personen, welche in dem gewöhnlichen Alter der Studierenden sind und sich ohne ausreichenden Grund nicht haben immatrikulieren lassen;

3. Personen, welche im Disziplinarwege mit der Entfernung von der Universität zu Frankfurt oder mit dem Ausschluß von dem Universitätsstudium bestraft sind.

§ 64. Jeder Lehrer ist verpflichtet, die angekündigten \^orlesungen zu halten, wenn sich dazu drei Studierende als Zuhörer melden.

§ 65.

Das Vorlesungsverzeichnis wird von dem Rektor auf Grund der ihm von den Dekanen der Fakultät spätestens zwei Monate vor Semester- schluß einzusendenden Verzeichnisse zusammengestellt und im Namen der Universität veröffentlicht.

Vor der Veröffentlichung ist das Vorlesungsverzeichnis zur Kennt- nis des Kommissars des Ministers 7) zu bringen.

Abschnitt IX. Die Universitätsanstalten. § 66. Die Universitätsanstalten stehen zum Teil im Eigentum der Uni- versität, zum feil sind sie ihr nur zur Benutzung überwiesen.

§ 67. Jede Universitätsanstalt erhält einen Vorsteher, der von dem Minister ernannt wird. Die Ernennung ist widerruflich.

225

Die Vorschriften über die Benutzung und Verwaltung der An- stalten werden nach Benehmen mit dem Vorsteher von dem Kuratorium erlassen. Sie bedürfen der Genehmigung des Ministers.

§ 69. Der Vorsteher einer jeden Anstalt ist verpflichtet , die allgemeinen Zwecke der Wissenschaften durch möglichste Unterstützung der Bedürf- nisse aller verwandten Anstalten der Universität zu fördern und am Ende der Wintersemesters einen Bericht über die \\'irksamkeit seiner Anstalt in dem ablaufenden Studienjahr an den Rektor zur Aufnahme in die ITni- versitätschronik einzureichen.

§ 70. Die Assistenten, die Beamten und Angestellten der Anstalten wer- den auf Vorschlag des Vorstehers durch das Curatorium angenommen. Die Annahme der Assistenten bedarf der Genehmigung des Ministers,

§ 71- Der nächste Dienstvorgesetzte der Beamten ist der \'orsteher. Ihm liegt es auch ob, sie unter Mitwirkung des Universitätsrichters eidlich oder in der sonst vorgeschriebenen Form zu verpflichten.

§ 72.

Die Bestimmungen der §§ 67 71 finden auf die der Universität zur Mitbenutzung zur Verfügung gestellten Stadtbibliothek sowie die städtische Sammlung von Nachbildungen von Kunstwerken keine An- wendung.

Bei den der Universität zur Mitbenutzung überwiesenen städtischen Krankenanstalten einschließlich der dem Krankenhausbetrieb dienenden Institute bedarf die Ernennung des Vorstehers 67) der Zustimmung des Eigentümers. Das gleiche gilt von dem Widerruf. Die Assistenten an diesen Anstalten, welche die Lehrtätigkeit des Vorstehers unterstützen, werden auf Vorschlag des letzteren von dem Eigentümer der Anstalt an- genommen. Die Annahme bedarf der Bestätigung des Ministers.

Für die übrigen bei der Begründung der Universität dieser nur zur Benutzung überwiesenen Anstalten erfolgt die Bestellung des Vor- stehers (§ 6j) nach Benehmen mit dem Eigentümer. Das gleiche gilt von dem Widerruf der Ernennung. Hinsichtlich der Annahme der Assi- stenten, welche die Lehrtätigkeit des Vorstehers unterstützen, finden die Bestimmungen des vorstehenden Absatzes 2 Anwendung.

Im übrigen richtet sich die Benutzung der in den vorstehenden Absätzen 2 und 3 bezeichneten Anstalten und ihre Verwaltung einschließ- lich der Annahme der Angestellten nach den Vertragsverhältnissen, die zwischen der Universität und den Eigentümern bestehen.

Die Gründung der Universität Frankfurt a. M. 15

226

Abschnitt X. Veranstaltungen für die Fortbildung.

§ 7i-

Die Universität bietet durch geeignete Einrichtungen und Ver anstaltungen Kaufleuten inid Gewerbetreibenden wie auch höheren staat- lichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, Richtern, Anwälten und anderen Angehörigen gelehrter Berufe Gelegenheit zur Vertiefung und Erweiterung volkswirtschaftlicher, privatwirtschaftlicher, sowie sozial- untl staatswissenschaftlicher Kenntnisse; ferner ermöglicht sie sonstigen Personen mit einer geeigneten Vorbildung, namentlich solchen, welche bereits in der Praxis stehen oder gestanden haben, eine Erweiterung und Vertiefung ihres Wissens in den der Pflege der Universität zugewiesenen Wissenschaften.

§ 74-

Die Bedingungen für die Zulassung zu diesen Veranstaltungen werden von ileni .\kademisclien Senat festgesetzt.

Abschnitt XI. Besondere Veranstaltungen für Forschung.

§ 75.

Neben den Anstalten für den Unterricht bestehen an der Univer- sität Institute, welche nur der Forschung dienen ; außerdem können tue in erster Linie für den Unterricht bestimmten Anstalten derart ausge- staltet werden, daß einzelnen an ihnen wirkenden Forschern durch Ent- lastung in der Lehrtätigkeit, sowie in Prüfungs- und Verwaltungsgeschäften die Möglichkeit geboten wird, sich der wissenschaftlichen Forschung be- sonders zu widmen.

§ 76.

Soweit tue nur der Forschung dienenden Institute nicht im Eigen- tum der Universität stehen, richtet sich ihre Benutzung nach den zwischen der Universität und den Eigentümern bestehenden Vertragsverhältnissen.

Der Vorsteher des Georg-Speyer-Hauses und des Neurologischen Instituts wird vom Minister ernannt. Die Ernennung ist widerruflich. Die Ernennung und der Widerruf bedürfen der Zustimmung der Eigen- tümer.

Abschnitt XII.

Preise u n tl S t i p e n d i e n.

§ 77- Die Vorschriften über die Erteilung von Preisen an Studierende fiu' die Bearbeitung wissenschaftlicher Aufgaben werden von dem .Aka- lUinischen Senat unter Genehmigung des Ministers erlassen.

227

§ 78. Die Stipendien werden von den zuständigen akademischen Be- hörden nach pflichtmäßigem Ermessen unter Beachtung der Bestimmun- gen der Stiftung verliehen. ,

Abschnitt XIII. Übergangsbestimmung.

§ 79.

Die Bestimmungen über das Diensteinkommen, den Bezug der Vorlesungshonorare , die Ergänzung der Nebenbezüge und die Versorgung der Hinterbliebenen finden auf die von der Akademie für Sozial- und Han- delswissenschaften und von den der Universität angeschlossenen An- stalten und Instituten übernommenen Universitätsprofessoren nur nach Maßgabe der mit ihnen bei der Übernahme getroffenen Vereinbarungen Anwendung.

Abschnitt XIV.

S c h 1 u ß b e s t i m m u n g.

§ 8o. Mit der Ausführung dieser Satzungen wird der Minister beauftragt.

Gegeben Berlin, Schloß, den i. August 1914.

(gez.) \Vi 1 h e 1 m R. (gegz.) von Trott zu Solz.

Das Statut, das sich an die neueren Universitätsstatute wie was die besondern Organe der Stiftungsuniversität angeht an das Statut der Akademie für Sozial- und Han- delswissenschaften anlehnt, bildet in Gemeinschaft mit dem Universitätsvertrag die rechtliche Grundlage der Universität. Durch den letzteren werden im wesentlichen die Verhältnisse nach der vermögensrechtlichen Seite geregelt und wird die finanzielle Ausstattung der Universität sichergestellt. Das Statut regelt Verfassung und Verwaltung. Es wahrt den Doppelcharakter, der nach Paulsen ^) die deutsche Universität kennzeichnet, den der Staatsanstalt und den der Gelehrten-

') Paulsen, Die deutschen Universitäten S. 92.

Helviot^!«^ ist vVin tM\>l[Vsso»vukolKi;\uu\ vlun Ivans ^iiv\v;\h\t> IMo Xustündi^koit vow Kxuatoviutii iukI i^irulUnu Rat ist dd\'o?\ gt^tit^^wt, si<? ei'^tnx^kt sich iUissehlit^ÜUeU u«( dio iiul\o\v Wnvidtwng » vor 4\Uoiv\ «uf dio \o\niv>^tM\sivclitUoho Wv- \vaU\\i\£;>^t<iti,<keit; do\\\ Kvwwtoviinw ist d<molHM\ oino jivwisso Kv>i\t4\>Uc ühoi vlio Wahrung dor (Jrmidgrsot^.o dov Tni- wi-sitätv wie sie in Sttvtwt und Uniwmttit^wntiiv^^ wtbiictt su\d> übortra^vn^ Pio KonnH^tiMUcu siuvi danach ivinhvh geschieden, Wenleu sie stets strikt gvwalut, so sollte jevle Reibung der lnstun»en, die beide avit dem (kundsi^tne der Selt>stwr\vaUung iH^uheu wad aus der Entstehung der Univemtat und ihtvn Stützpunkten ihi\^ Bei\\M\tigung l\er- h^iteUv ausgt^schUvssen ei^^cheineUv

Von besondeixn^ liedev\tvu»g ist dabei für die küv\ttigv Kntwicklung, daO U\\>Uer Hat und Kuratorium nicht bloUe Scheinovganisationen oder Seihst veiwaltung^dekvMationen dat^teUei^ sivlleUs sontlern dulit in ihi\en tat^üchUcli der Schxwt- ]Htnkt der tinanmellen Wrwaltung ruht. Die Uniwv^itat hat keinen Rückhalt vun Säckel des StuatshaushaUes> Sie ist avif ihr eigtvnes WrmC^gvn und ilux^n eignen Erwerb gestellt« lh^\ so wichtigxn^ ist, daU eine unabhängige \uid uni>iuteiisclu\ von jedem besv>n<letvn l^akultatsintctvsse twie Verwaltung über döu Mi^avhalt als hvMms jviter tamilias Wvvcht, der sich bewul' ü die Heschrankm\g inv Bedarf des heutigen

Tagi^s dte IVlute der kommenden jahiv \erl

Die Hr')f fmnif.^ fl«r Univf-r Mt.if,

-^frl 2. S< |ii' iiil.' I i'/i I kMi) titiii' 1 1' :..i<.)) d<'i <jroLV* K,)t und n:ilirn Av W.ili) fj«'-» Kiirat'»r/uniH vor, zu iV'WMtw VorHitzcndfrri -IumIi IjI;)Ü den Mifiktcr« Obcrbürgcfmei«tef Adickes ernannt w<>rfl«'ii w;ir, Trotz der KriegH<*reigniHr>e hielt man an der Kr'dlriuii^ der Universität zum Wintr'r- »emester fent, St.iti 'I' i prunk voll«'n Feier, die man zum 18, Oktober gepl.itii li:iti< , l:iii<l m « lili« litester Weise die Kröffnung .im 2O Ol I..1»' 1 (lui' li <!' n J<«'ktor, FrofenHor Wathhmuth, hlatt. In f^« 'Inuigl' u Zügen gab er ein Hild der Entstehungsgeschichte der Universität, um mit den Worten zu schlieüen; ,,Wir I)eutHf,lK'n sind, wie ein fein- sinniger Schrift.Hteller genagt iiat, d.izu in das Spiel der Weltkrafte g"Ht«'llt, um. nittlielje Tüchtigkeit nicht nur ftir uns, sondern Im di<' ganze Menschheit zu erarbeiten und zu bfwahn'n. Wir svoll'U mit dfu Wall''n des Gt'istes kärnplen, damit der d^MitHche (icdank'' in der Welt nicht untergehe und wir uns unserer Brüd<'r irn J-'elde würdig zeigen,"

Auf die Meldung an den Ka,iH«'r und Konig w;)r unter dem Datum des 18. Oktober das Telegramm eingelaulen;

Gfößs» MaiiplqiJäftler,

l'.h flfuik«? hcfzlkh \K\v fJIc McWuHg, rlaß flk dortige ÖJiJvefsltäi ihre Arbeit jetzt l^e^innen wirti- ficrn hätte kh arri heutigen he^ deut»jnu!»volJen fie'leriktfige «lie liochherzige Stilturig J'r;ir»kfiirti* und »einer opferwilligen HürgersthaU persönlich eingeweiht, l>ie not- wendig gewordene Verteidigung des Vaterlandes gegen rucliloge AngriUc unserer Feinde hat mir dringendere Pflichtcti aulerlegt. Meine wärmsten Wünsche geleiten die neue Pllanzstätte deutscher

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Bikhing und Wissenschaft. Möge sie aus der ernsten Zeit ihrer Be- gründung heraus sich zu kräftiger BHite in glücklicheren Tagen entwickeln. Möge die treue Arbeit der Lehrer und der IHeiß der zu ihren Füßen sitzenden deutschen Jugend allezeit getragen sein von dem Geiste einmütiger Liebe zum Vaterlande, der jetzt unser deutsches Volk so stark und unbesiegbar macht.

Gott der Herr aber segne Frankfurt und seine Bürgerschaft.

gez. Wilhelm R.

Vom Kultusminister war das Schreiben eingelaufen:

Berlin, 21. Oktober 1914.

Der Universität zu Frankfurt a. M. entbiete ich bei Übersendung der von Seiner Majestät dem Kaiser und König Allerhöchst voll- zogenen Errichtungsurkunde und Satzung meine herzlichsten Glück- und Segenswünsche. In großer, ernster Zeit tritt die neue deutsche Hochschule, die der Opferwilligkeit Frankfurter Bürger ihre Ent- stehung verdankt, an die Seite ihrer älteren Schwesteränstalten.

Ihre Satzung trägt das weltgeschichtliche Datum des i. August 1914, des Tages, an dem der Kaiser zur Verteidigung des Vaterlandes die Mobilmachung des Deutschen Heeres und der Deutschen Flotte anordnete.

Die akademische Jugend ist in großer Zähl zu den Fahnen geeilt, und viele Lehrer der LTniversität stehen im Westen und im Osten vor den Feinden im Feld, da werden die Lehrsäle ,, ruhmvoll ver- ödet" sein, jene ,,fausta infrequentia" aufweisen, die nach den Worten August Boeckhs die Universität Berlin in den Freiheits- kriegen zierte. Aber die Zurückgebliebenen werden nun auch an der neuen Stätte wissenschaftlicher Lehre und Forschung im Herzen Deutschlands ia treuer Pflichterfüllung ihre Arbeit auf- nehmen. Auch das ist Dienst am Vaterlande.

Jeder Mann auf seinem Posten. Und so möge die, wenn auch kleine Zahl der Lehrenden und Lernenden sich der auch der Lhiiversität Frankfurt a. M. obliegenden Aufgabe widmen : Die geistigen und sittlichen Werte menschlichen Lebens mehren zu helfen, vor Augen den Imperativ der Pflicht, im Herzen den felsenfesten Glauben an die Zukunftsmacht des Deutschen Volkes.

gez. von Trott zu Solz.

Das Kuratorium ließ eine Plakette überreichen, die eine Athene darstellend den Spruch trug: Als Hochburg des Geistes Hat Dich geschaffen

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In Wehr und Waffen Ein eisern Geschlecht. Ihr Wächter des Baus, Nun hütet das Haus Zu Deutschlands Ehre In Forschung und Lehre Treu, wahr und gerecht!

Nach dem amtlichen Personalverzeichnis wies auf

die Juristische Fakultä t als Ordinarien: K. Bur- chard (Bürgerliches Recht und Handelsrecht), Berthold Freu- denthal (öffentliches Recht und Strafrecht), Friedrich Giese (.Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht), Paul Koschaker (Römische Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht), Georg Kuttner (BürgerHches Recht und Zivilprozeß), Hans Peters (Römisches Recht, Zivilrecht) , Hans Planitz (Deutsche Rechts- geschichte, Deutsches Privatrecht, Handelsrecht), als Extra- ordinarius: Ernst Delaquis (Strafrecht);

die Medizinische Fakultät als Ordinarien : Ludwig Edinger (Neurologie) , Paul Ehrlich (Experimentelle Therapie), Alexander Ellinger- (Pharmakologie), Gustav Embden (Physiologie), Bernhard Fischer (Pathologische Anatomie), Ernst Göppert (Anatomie), Karl Herxheimer (Dermatologie), Max Neißer (Bakteriologie), Ludwig Rehn (Chirurgie) , Otto Schnaudigl (Augenheilkunde) , Alfred Schwenkenbecher (Innere Medizin), Julius Strasburger (Innere Medizin), Emil Sioli (Psychiatrie), Gustav Spieß (Laryngo- logie und Rhinologie), Otto Voß (Otologie), Max Walthard (Gynäkologie), als ordentliche Honorarprofessoren: Ludloff (Orthopädie), als Extraordinarien: August Knoblauch (Kli- nische Neurologie), Heinrich von Mettenheimer (Kinderheil- kunde), Julius Raecke (Psychiatrie), als außerordentliche Honorarprofessoren: Hugo Apolant (Experimentelle Patho- logie), Hans Sachs (Experimentelle Therapie);

die Philosophische Fakultät als Ordina- rien: Hans von Arnim (Klassische Philologie), Hans Corne- lius (Philosophie), Fr. Curtis (Englische Philologie), Matthias

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Friedwagner (Romanistik), Eduard Hermann (Sprachver- gleichung), F. Kern (Geschichte), Georg Küntzel (Mittlere und neuere Geschichte), Walter Otto (Klassische Philologie), Friedrich Panzer (Germanistik), Hans Schrader (Klassische Archäologie), als ordentliche Honorarprofessoren: Georg Swarzenski (Kunstgeschichte), Julius Ziehen (Pädagogik);

die Naturwissenschaftliche Fakultät als Ordinarien: Hendrik E. Boeke (Mineralogie), Martin Brendel (Astronomie) , E. Deckert (Geographie) , Carl Deguisne (Angewandte Physik) , Martin Freund (Chemie), Max von Laue (Theoretische Physik), Richard Lorenz (Physi- kalische Chemie), Martin Moebius (Botanik), Artur Schoen- flies (Mathematik), Friedrich Schumann (Psychologie), Otto zur Straßen (Zoologie), Richard Wachsmuth (Physik), als Extraordinarien: Friedrich Drevermann (Geologie), Franz Linke (Geophysik), Ernst Helhnger (Mathematik);

die Wirtsc hafts- und sozialwissen- schaftliche Fakultät als Ordinarien : Paul Arndt (Nationalökonomie), Albert Calmes (Finanz- und Bankwesen), Ludwig Pohle (Nationalökonomie), F. Schmidt (Privat- wirtschaftslehre), Andreas Voigt (Praktische Nationalöko- nomie, Versicherungswesen), als Extraordinarius: E. Pape (Handelsbetriebslehre) .

Wenn auch eine Reihe von Dozenten zu den Fahnen berufen war, schritt man doch zur Arbeit und begann am 27. Oktober das erste Semester der Frankfurter Universität.

Durch ein Jahrhundert hindurch haben wir die Ent- wicklung der Frankfurter wissenschaftlichen Anstalten zur Universität verfolgt, von den Tagen der Reichsstadt des alten römischen Reichs deutscher Nation bis zur kraftvollen Entwicklung im neuen Reich. Die Namen der größten Männer Deutschlands sind dabei aufgeleuchtet: Goethe und Freiherr vom Stein als Schutzgeister der Pflegestätten deutscher Wissenschaft und Freunde von Frankfurt. Der Name Adickes darf ihrem Namen würdig angereiht werden,

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indem er Hoffnungen und Wünsche, die sie gehegt und gefördert, zur Erfüllung führte. Nur eine kurze Spanne Zeit durfte er die Vollendung des Werkes überleben. Am 4. Februar 1915 erlag er seinen Leiden, denen zum Trotz er bis zum letzten Augenblick unermüdlich der Führung der Universitätsverwaltung sich gewidmet hatte. Die Kämpfe, in denen er sich erschöpfen mußte, erscheinen uns heute ange- sichts des Krieges, der dem deutschen Volke aufgedrungen ist, nur noch schwer verständlich. Sie beleuchten scharf, wie weit die Trennung der Geister in Deutschland fortgeschritten war, wie wenig man sich verstand, selbst dort, wo es sich ausschließhch um ein Werk der Wissenschaft und Kultur- pflege handelte; wie politische Vorurteile Hindernis auf Hindernis türmten, statt daß man in hilfreicher Mitarbeit Opferfreudigkeit und gemeinnütziges Wirken zu fördern und zu unterstützen versuchte. Die Ereignisse des Krieges weisen darauf hin, daß für uns Deutsche mit eiserner Not- wendigkeit die Zeit gekommen ist, einander besser zu ver- stehen und in gemeinsamer Arbeit zueinander zu stehen. Die Geschichte des Kampfes um die Frankfurter Universität hat über seine Stätte hinaus Bedeutung, indem sie spricht: his utere mecum.

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